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Vatican News

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Schlagwort: Ansprache

Nationalistische Tendenzen und internationale Aufgaben

Veröffentlicht am 7. Januar 20197. Januar 2019
Papst und Politik: Ansprache vor dem diplomatischen Corps Und alle kommen: Papst Franziskus sprach an diesem Montag vor den beim Vatikan akkreditierten Diplomaten

Kirche ist keine NGO, niemand betont das häufiger als Papst Franziskus. Aber gleichzeitig gilt auch, dass Kirche sich einmischen muss. Und dass es Berührungspunkte zwischen Papst und Politik gibt. Geben muss.

Es war eine lange, lange Ansprache an diesem Montag, die Papst Franziskus wie jedes Jahr vor den versammelten Botschafterinnen und Botschaftern hielt. Und wie immer gab es Grundsätzliches. Es war nicht das erste Mal, immer wieder nimmt der Papst zu gesellschaftlichen und damit politishen Themen Stellung. Wenn es um Armut, um Jugendarbeitslosigkeit, um Schöpfung bzw. Umwelt, um Flüchtlinge und so weiter geht, kann Kirche nicht still bleiben, will sie dem Glauben treu sein. Papst Franziskus ist auch nicht der erste Papst, ich erinnere nur an die Bundestagsrede von Papst Benedikt XVI.

Mit oder gegen

An diesem Montag war es also wieder soweit. Und nachdem der das Abkommen mit China, die wachsenden Beziehungen zu Vietnam und andere Entwicklungen gewürdigt hatte, kam er zu seinem Zentralanliegen, das er abschließend ausbuchstabierte. Im Zentrum stand die Frage nach internationaler Zusammenarbeit.

Ansatzpunkt war für ihn der Völkerbund, der im nun angebrochenen Jahr 100 Jahre alt wird. Alt würde, gäbe es ihn noch. „Warum einer Organisation gedenken, die heute nicht mehr existiert? Weil sie den Anfang der modernen multilateralen Diplomatie darstellt, mittels der die Staaten versuchen, die gegenseitigen Beziehungen der Logik der Vorherrschaft entziehen, die zum Krieg führt.“

Papst und Politik und Völkerbund

Das Experiment ist schief gegangen, statt der Abschaffung dieser Kriegs-Logik kam ein zweiter grausamer Krieg, der Zweite Weltkrieg. Aber die Vereinten Nationen, die danach die Stelle des Völkerbundes einnahmen, ziehen diese Linie weiter, „ein Weg gewiss besät mit Schwierigkeiten und Gegensätzlichkeiten; nicht immer wirksam, da auch heute die Konflikte leider fortbestehen; aber doch immer eine unbestreitbare Gelegenheit für die Nationen, einander zu begegnen und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen.“

Ist das naiv? Sind die UN nicht vielmehr ein Forum der Partei- und Nationalpolitik? Wo je nach Eigeninteresse blockiert wird? Und ist es nicht auch so, dass der Vatikan selber nicht bei allem mitmacht? Mitmachen kann? Stimmt schon. Aber wenn wir es nicht Naivität nennen, sondern guten Willen, dann wird was draus.

Multilateral

„Unverzichtbare Voraussetzung für den Erfolg der multilateralen Diplomatie sind der gute Wille sowie Treu und Glauben der Gesprächspartner, die Bereitschaft zu einer ehrlichen und aufrichtigen Auseinandersetzung und der Wille, die unvermeidlichen Kompromisse anzunehmen, die sich aus dem Vergleich der Parteien ergeben.“ Schön wär’s, ist man versucht zu sagen. Der Papst fügte in seiner Rede auch an, dass beim Fehlen auch nur eines dieser Elemente die Unterdrückung des Schwächeren durch den Stärkeren folgt. Genau das sei beim Völkerbund passiert, un dieselbe Haltung gefährde auch heute die Leitung der wichtigsten internationalen Organisationen. Papst Franziskus ist also hoffnungsvoll, aber nicht blauäugig.

„Ich halte es daher für wichtig, dass auch in der gegenwärtigen Zeit der Wille zu einer sachlichen und konstruktiven Auseinandersetzung unter den Staaten nicht schwinde, auch wenn es offenkundig ist, dass die Beziehungen innerhalb der internationalen Gemeinschaft und das multilaterale System in seiner Gesamtheit durch das erneute Aufkommen nationalistischer Tendenzen schwierige Augenblicke erleben“: Der nächste Schritt seiner Überlegungen, die Identifizierung des Problems. Es heißt ‚nationalistische Tendenzen‘ und ist in etwa das Equivalent zu dem, was im geistlichen Raum um-sich-selbst-Kreisen ist.

Wider nationalistische Tendenzen

Diese Tendenzen wachsen auch auf der Unfähigkeit der internationalen Organisationen, wirkliche Lösungen zu schaffen, oft genug sehen wird das überall auf der Welt. Durch die Organisationen setzen  sich doch nur wieder die Starken durch. Aber auch das hat seine Gründe, er zählt eine ganze Liste auf. Um dann wieder seinen Ausgangspunkt, den Völkerbundm aufzugreifen:

„Einige dieser Haltungen weisen zurück auf die Zwischenkriegszeit, als die populistischen und nationalistischen Tendenzen sich gegenüber der Tätigkeit des Völkerbundes durchsetzten. Das erneute Auftreten solcher Strömungen heute schwächt allmählich das multilaterale System und führt zu einem allgemeinen Vertrauensmangel, zu einer Glaubwürdigkeitskrise der internationalen Politik und einer fortschreitenden Marginalisierung der schwächsten Mitglieder der Völkerfamilie.”

Aber wie denn? Appelle reichen nicht aus, von denen haben wir schon genug und vielleicht zu viel gehört, allgemein werden sie Sonntagsreden genannt. Diese Papstrede war keine, und zwar einfach weil er schon oft mögliche Lösungswege aufgezeigt hat. Einen davon griff er an diesem Montag wieder auf: „Man muss daher die globale Dimension berücksichtigen, ohne die lokalen Gegebenheiten aus dem Blick zu verlieren.“ Nicht nur das Blicken auf Wahlsiege, aber auch nicht allein die Rettung der Welt allein schaffen es.

Trump und die offene Tür

Ein zweiter Punkt gerade wenn es um die spalterischen Formen von Politik geht ist die Papstformulierung, dass immer eine Tür offen bleibt. Gefallen ist sie zum Beispiel als der Papst nach seinem Umgang mit Donald Trump gefragt wurde. Selbstgerecht Urteile fällen ist das eine, nicht aufgeben und hartnäckig diese eine noch offene Tür suchen das andere. Noch einmal, das ist hoffnungsvoll und nicht blauäugig. Das wäre ein zweiter Weg, oder besser eine Haltung: Hartnäckigkeit, immer weiter suchen, immer weiter fragen und nicht aufgeben.

Ein drittes Element – nicht notwendigerweise ein letztes, es gibt noch andere – ist die Frage der Perspektive. Der Kern des Politischen ist in der Formulierung „Their problems are our problems” enthalten. So hatte Papst Franziskus dem US-Kongress mitgegeben. Wer sich nicht mit den eigenen Problemen zufrieden gibt, sondern Verantwortung für andere übernimmt, macht sich ihre Probleme zu eigen. Und er bekommt auch Probleme, die er sich gar nicht ausgesucht hat. Klimafragen, Hunger, Zugang zu Wasser, etc.

Also, retten wir die Welt. Machen wir sie wenigstens ein wenig besser. Das ist christlich. Und es ist eminent politisch.

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Geschichte, Glaube und Vernunft, Rom, VatikanSchlagwörter Ansprache, Diplomatie, Frieden, International, Nationalismus, Papst Franziskus, Politik, Vatikan, Völkerbund8 Kommentare zu Nationalistische Tendenzen und internationale Aufgaben

Jesus ist kein Angst-Macher

Veröffentlicht am 8. September 20178. September 2017

Es war ein langer Text. Papst Franziskus hat an diesem Donnerstag – für uns Europäer in der Nacht – die Bischöfe Lateinamerikas angesprochen und eine Art Grundsatzrede gehalten. Eine Art? Es war irgendwie eine Fortsetzung der Rede, die er vor vier Jahren vor denselben Bischöfen in Rio de Janeiro gehalten hat, und das hat er auch genau so formuliert.

Der Papst ist in Kolumbien, und Kolumbien ist auch das Thema, selten spricht der Papst in Predigten so konkret über die Situation eines Landes wie er es gestern Nacht bei der Messe getan hat. Die Ansprache vor dem Lateinamerikanischen Bischofsrat CELAM aber war an alle gerichtet. An ganz Lateinamerika, und überhaupt an die Kirche.

Während ich den Text bei der Live-Übertragung vorlas, war es aber weniger der Gesamt-Text, der mich gepackt hat. Vielleicht lag es an der nächtlichen Stunde, aber bei mir haben sich dieses Mal vor allem einzelne Sätze festgehakt.

 

Perlen-Sätze

 

Papst Franziskus und die CELAM Bischöfe: Donnerstag Abend in Bogotá
Papst Franziskus und die CELAM Bischöfe: Donnerstag Abend in Bogotá

Er sprach gegen die Ideologisierung der Botschaft des Evangeliums, gegen den kirchlichen Fundamentalismus, den Klerikalismus, es sind Sätze wie aus Evangelii Gaudium. Und auch dieser Satz, hätten im Papstschreiben stehen können, und vielleicht tut er es auch in leichter Variation: „Denn ohne Freude zieht man niemanden an“. All die Griesgrämigkeit, die Verbissenheit, das Besserwissertum haben auf einmal keine Kleider mehr an.

Da kann er noch so sehr gegen „Sakralfunktionäre“ sprechen, gegen „Konzeption der Kirche als einer Bürokratie“ oder die Kirche als „eine nach modernen Unternehmenskriterien durch eine klerikale Kaste geleitete Organisation“, das alles ist richtig und wahr und wie in Evangelii Gaudium, aber die Dramatik steckt in anderen Sätzen.

Satz Zwei zum Beispiel, den mein Stift noch beim Vorlesen umrahmt hat, begründet sein drastisches Sprechen von all diesen Versuchungen, die ich gerade aufgezählt habe. Die Begründung ist einfach: „Weil die Erlösung, die Christus uns bringt, immer auf dem Spiel steht.“ Da schweigt der Kritiker. Die schlichte, wahre Aussage: Es kann auch schief gehen. Der Triumph Christi ist nicht gleich auch der Triumph der Kirche, nicht gleich auch unser Triumph, wir können das – einzeln und als Gruppe – verspielen. Weiterlesen “Jesus ist kein Angst-Macher”

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Vernunft, Papstreise, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Ansprache, Bischöfe, CELAM, Jesus, Kirche, Kreuz, Nachfolge, Papst Franziskus33 Kommentare zu Jesus ist kein Angst-Macher

Der Papst und die Bombe

Veröffentlicht am 30. August 20174. September 2017

Ob Nordkoreas Diktator Kim Jong-un sich speziell den UNO-Tag gegen Atomwaffentests ausgesucht hat, um wieder einmal eine Rakete fliegen zu lassen, können wir nicht wissen. Wissen tun wir aber, dass es bei all diesen Provokationen und Machtspielen immer um Nuklearwaffen geht.

Erst im vergangenen Jahr hat Nordkorea zwei Atomwaffentests durchgeführt, oder besser: behauptet, sie durchgeführt zu haben. Messungen woanders beweisen nicht unbedingt, dass die auch ein Erfolg waren.

Papst Franziskus 2015 vor der UNO
Papst Franziskus 2015 vor der UNO

Die UNO wollte 2009 durch einen Beschluss der Generalversammlung erreichen, dass nukleare Tests eingestellt werden. Solche Tests braucht man, um die Waffe auch einsatzbereit zu machen. Ein Teststopp würde also letztlich zum Abschaffen dieser Waffen führen. Also ein guter Plan.

Wenn jetzt wieder Raketen fliegen und bei jeder neu entdeckten Rakete die Frage auftaucht, ob die nicht vielleicht einen nuklearen Sprengkopf nach Nordamerika tragen könnte, dann wird diese Frage und damit der Tag gegen Atomwaffentests wieder aktuell.

 

So kann man keinen Frieden machen

 

Die „Androhung wechselseitiger Zerstörung“ könne nicht die Grundlage friedlichen Zusammenlebens zwischen Völkern und Staaten sein. So hat sich Papst Franziskus bereits 2014 in die Debatte eingeschaltet. Die Jugend von heute und morgen verdiene eine friedliche Weltordnung. „Jetzt ist die Zeit, auf die Logik der Angst mit der Ethik der Verantwortung zu antworten“. Kling wie auf die aktuelle Situation gemünzt: „Logik der Angst“, das sieht man dauernd im TV.

In seinem Statement damals an die ‚Konferenz über die humanitären Auswirkungen von Nuklearwaffen’ in Wien schraubt der Papst auch sozusagen das Weitwinkelobjektiv vor die Problematik, es geht halt nicht nur um diese Waffen. „In Atomwaffen zu investieren, verschwendet den Wohlstand der Nationen“, schreibt Franziskus. Die Mittel wären weit besser investiert in menschliche Entwicklung, Bildung, Gesundheit und den Kampf gegen extreme Armut. Es seien die Armen und die Schwachen am Rand der Gesellschaft, die für atomare Hochrüstung den Preis bezahlen würden. Auch das gehört in die Debatte von heute hinein.

Und ja, der Papst blickt auch ganz konkret auf die Situation in Korea. Weiterlesen “Der Papst und die Bombe”

Kategorien Allgemein, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Neulich im Internet, Papstreise, VatikanSchlagwörter Ansprache, Frieden, Gerechtigkeit, Nuklearwaffen, Ökologie, Papst Franziskus, Politik, UNO15 Kommentare zu Der Papst und die Bombe

Falscher Papst

Veröffentlicht am 21. Januar 201621. Januar 2016

Was hat er genau gemeint? Was hat er genau gesagt? Wenn Papst Franziskus spricht, dann sind es oft diese Fragen, die als erstes kommen. Vor allem, wenn er frei spricht. Dann muss schnell übersetzt werden – wenn wir live übertragen – oder aus der gesprochenen Sprache lesbare Sprache werden, denn die beiden sind nicht dieselben.

Dann gibt es auch noch die Gelegenheiten, zu denen der Papst spricht, über die wir aber nur danach erfahren. Etwa Telefonate mit Menschen, die einen Schicksalsschlag erlitten haben. Oder die Ordensleute Lateinamerikas. Da sagen danach die Gesprächspartner, was der Papst gesagt hat. Oder besser: was sie erinnern der Papst gesagt habe. Da entstehen schon einmal Verschiebungen und es ist nicht wirklich klar, was genau der Papst da gesagt hat.

Audienz in der Halle, Dezember 2015
Auch bei offiziellen Terminen spricht er oft frei: Papst Franziskus bei einer Audienz

Und dann gibt es Dinge, die überhaupt nie gesagt wurden. Leider immer mehr, wie festzustellen ist. Da kann man noch von Glück sagen, wenn irgendwer postet, der Papst habe beim Dritten Vatikanischen Konzil alle Religionen für gleich wahr erklärt. Oder dass er den US Politiker Bernie Sanders in seiner Kandidatur für das Präsidentenamt unterstützt. Das ist so falsch, das erkennt jeder. Wenn es aber Stücke sind, die den Tonfall Franziskus haben und so klingen, als ob er es gesagt haben könnte, was dann? Wie damit umgehen?

Als erstes natürlich bei Radio Vatikan nachsehen, das versteht sich von selbst. Oder auf der offiziellen Vatikan-Webseite.

Aber dann? Nicht alles, was behauptet wird, hat auch stattgefunden. Am Sichersten ist es, sich bei seiner Meinung über den Papst auf das zu berufen, was er nachweislich wirklich gesagt hat und dabei gute und verlässliche Übersetzungen zu Rate zu ziehen. Die anderen Dinge, auch wenn sie noch so schön klingen wie das Repubblica Interview von 2013 oder die Ansprache an die Ordensleute sind einfach nicht verlässlich.

 

Was ist verlässlich?

 

Auch das ist eine Dimension des Papstamtes, die neu ist. Bislang hat der Vatikan sehr genau darauf geschaut, dass kein Schindluder getrieben werden konnte mit angeblichen oder echten Papstworten. Papst Franziskus öffnet das, er telefoniert und spricht frei und gibt Leuten Interviews von denen man weiß, dass die sehr – sagen wir – kreativ mit den Worten umgehen und unter journalistischen Standards arbeiten, die bei uns in keiner Redaktionskonferenz durchkämen.

Auch hier ändert sich das Amt. Der Papst ist pastoraler, er ist Seelsorger. Nicht jedes Wort ist Lehramt, nicht jedes Wort ist tiefe Weisheit, manchmal ist es einfach nur Kommunikation und hilft nicht dabei, die Tiefen und Weiten auszuloten oder den Kaffeesatz zu lesen, was jetzt als nächstes Reformvorhaben etc. dran ist.

Noch steckt das alles in uns drin, vor allem den Vatikan-Berichterstattern. Wir nehmen alles als sehr bedeutsam wahr. Aber Teil dieses Pontifikates ist es, dass Sprache eben manchmal nur Sprache ist, Kommunikation, nicht mehr und nicht weniger. Diese Dimension müssen wir in der Kirche neu entdecken. Und wir müssen ignorieren lernen, was für ein Unfug über den Papst im Netz herum schwirrt.

 

Dazu einige Hilfestellungen:

  1. Ist es zu schön, um wahr zu sein? Ein deutlicher Hinweis, dass da was nicht stimmt.
  2. Es taucht nirgendwo anders auf, weder bei RV, noch auf der Vatikan Webseite, noch sonstwo? Dann besser ignorieren.
  3. Der Papst ist repetitiv, ein Gedanke kommt immer in mehreren Gestalten und verschiedenen Ansprachen daher. Das hilft beim Verstehen und ist auch eine Stärke. Wenn ein Gedanke nur einmal kommt, dann Vorsicht!

Kurz: Es hilft Gelassenheit. Wem die Begeisterung oder der Ärger zu schnell durchgeht, der wird schnell fündig, aber der gerät auch schnell aufs Glatteis. Also, ruhig bleiben und nachdenken. Wie immer halt.

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Geschichte, Neulich im Internet, VatikanSchlagwörter Ansprache, Franziskus, Medien, Papst, Rede, Zitat37 Kommentare zu Falscher Papst

Die 15 Krankheiten der Seele, revisited

Veröffentlicht am 19. Dezember 201519. Dezember 2015

„Anweisungen zur Behandlungen der Krankheiten der Seele“. Kommt das bekannt vor? Es kommt bekannt vor! Es klingt nach dem, was Papst Franziskus vor einem Jahr seiner Kurie mit auf den Weg gegeben hat. Wir waren alle beim Hören und Nachlesen erstaunt, dass er nicht bei seinen gewohnten drei Punkten blieb, sondern immer weiter machte. Aber warum waren es fünfzehn? Und was für eine Art Beichtspiegel war das? Als Beichtspiegel hat das mir gegenüber Kardinal Walter Kasper bezeichnet, der damals vor einem Jahr dabei war.

Vor einem Jahr: Ansprache des Papstes an die Kurie
Vor einem Jahr: Ansprache des Papstes an die Kurie

Schließlich habe ich – dank meiner klugen Mitbrüder – einen Text gefunden und gelesen, der mich erstaunt hat. Eben weil er „Anweisungen zur Behandlungen der Krankheiten der Seele“ heißt und genau fünfzehn solcher Krankheiten beschreibt. Er stammt vom damaligen Generaloberen der Jesuiten Pater Claudio Aquaviva und stammt aus dem Jahr 1600. Ja, richtig gelesen, der Text ist über 400 Jahre alt.

Nun geht das auf eine lange und reiche Tradition zurück und Aquaviva war nicht der erste und nicht der letzte, solche Listen zu schreiben. Aber die Zahl fünfzehn lässt mich dann doch aufhorchen. Nun mag ich nicht behaupten, Papst Franziskus habe den Text angewandt oder auch nur gekannt, aber dass es eine Tradition gibt, wird dieser Kenner der geistlichen Tradition des Jesuitenordens Pater Jorge Mario Bergoglio wissen. Er hat in Argentinien einiges dazu publiziert, er kennt also die Tradition. Wer den Text selber nachlese möchte, kann das in der Reihe „Geistliche Texte SJ“ tun, Pater Thomas Neulinger SJ hat 2002 eine deutsche Übersetzung herausgegeben, aus der ich hier auch zitiere.

 

Pater Claudio Aquaviva

 

Der Text war jahrhundertelang so bekannt, dass er in die Regelbücher des Ordens eingegangen ist. Bekannt ist vor allem die Überzeugung „fortiter in re, suaviter in modo“, „stark in der Sache und milde in der Art“, die dem zweiten Kapitel „Die Verbindung von Milde und Wirksamkeit“ entnommen ist. Wörtlich heißt es dort „damit wir sowohl stark sind im Verfolgen des Zieles als auch mild in der Art und Weise, [es] zu erreichen“. Man merkt, es geht Aquaviva vor allem um Leitung, nicht um Selbstreflexion des Einzelnen.

„Die Kurie ist gerufen, sich zu bessern, immer zu verbessern und in Gemeinschaft, Heiligkeit und Weisheit zu wachsen, um ihre Aufgabe ganz und gar erfüllen zu können. Und wie jeder menschliche Körper ist sie auch Krankheiten ausgesetzt (..) Hier möchte ich einige dieser möglichen Krankheiten nennen, kuriale Krankheiten.“ Originalton Papst Franziskus am 22. Dezember 2014. Aquaviva geht es 1600 aber um das Individuum, nicht um eine Gruppe. Und es geht ihm um Leitung, wie ich schon gesagt habe. So wie das Exerzitienbuch des Ignatius nicht für den Beter gedacht ist sondern für den Begleiter, so sind diese Regeln für den Oberen und den Beichtvater gedacht.

Was den alten Text von seiner Adaption durch Papst Franziskus außerdem unterscheidet ist die Tatsache, dass auf die ‚Krankheiten‘ selber kaum eingegangen wird. Pater Claudio Aquaviva nennt sie in den Kapitel-Überschriften und setzt sie dann als erkannt voraus. Seine Kapitel befassen sich dann mit den Rezepten, wie ihnen zu begegnen ist, sehr konkrete Anweisungen ganz im Sinn der Unterscheidung der Geister, wie wir sie auch in der Tradition des Exerzitienbuches des heiligen Ignatius von Loyola finden, und wie sie auf die Kirchen- und Wüstenväter zurück gehen. Ich zitiere: Weiterlesen “Die 15 Krankheiten der Seele, revisited”

Kategorien Allgemein, Franziskus, Geschichte, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von Gott, VatikanSchlagwörter 15 Krankheiten, Ansprache, Claudio Aquaviva, Franziskus, Kurie, Papst, Seele, Vatikan37 Kommentare zu Die 15 Krankheiten der Seele, revisited

Erstarrung, Gutmenschentum, Weltlichkeit

Veröffentlicht am 3. Oktober 20153. Oktober 2015

Es waren beim Abschluss der vergangenen Bischofssynoden nicht die fünfzehn „Krankheiten“, die der Papst der Kurie als Gewissenserforschung vor dem vergangenen Weihnachtsfest vorgelegt hatte. Aber dass er Versuchungen aufzählt, ist nicht neu. Auch in Evangelii Gaudium finden sich reichlich davon. Es sind Fallen, aus denen wir nur dann heraus kommen, wenn wir sie als solche erkennen. Weil sie aber bequem sind und uns eine Identität oder eine Haltung verschaffen, wollen wir das meistens gar nicht, das macht daraus erst wirklich eine Falle. Und die zählt der Papst immer wieder mit großer Freude auf.

Teilnehmer der Bischofssynode morgens auf dem Weg in die Arbeitsgruppen
Schnappschuss: Morgens in der Bischofssynode, vor der Gruppenarbeit

Keine Überraschung war es also, als der Papst in der Rückbetrachtung zur Bischofssynode ebenfalls solche Versuchungen vorlegte. Es waren Versuchungen, die er bei den Beratungen beobachtet hatte und die er in Reflexion vorlegte. Und damit das alles nicht im Aktenordner abgeheftet bleibt, möchte ich sie vor Beginn der neuen Versammlung jetzt ab Sonntag noch einmal vorlegen.

 

„Weil es [die Beratungen der Synode] ein Weg von Menschen war gab es auch Momente des Mistrostes, der Spannung und der Versuchung, von denen man vielleicht die Folgenden nennen könnte.

– Die Versuchung der feindlichen Erstarrung: Das ist der Wunsch, sich im Geschriebenen einzuschließen und sich nicht von Gott überraschen lassen wollen, vom Gott der Überraschungen, dem Geist. Im Gesetz einschließen, in der Sicherheit dessen, was wir wissen und nicht dessen, was wir noch lernen und erreichen müssen. Das ist die Versuchung der Eifrigen, der Skrupulösen, der sogenannten „Traditionalisten” und auch der Intellektualisten.

– Die Versuchung des zerstörerischen Gutmenschentums, das im Namen einer falschen Barmherzigkeit die Wunden verbindet, ohne sie zuvor zu behandeln; dabei handelt es sich um ein Symptom, nicht um Gründe oder Wurzeln. Es ist die Versuchung der „Gutmenschen“, der Ängstlichen und auch der so genannten „Progessiven und Liberalen”.

– Die Versuchung, Steine in Brot zu verwandeln um ein langes, schweres und schmerzhaftes Fasten zu beenden (Lk 4:1-4). Eine weitere Versuchung: Brot in Steine zu verwandeln und sie auf die Sünder zu werfen, die Schwachen und die Kranken (Joh 8:7) und ihnen so unerträgliche Lasten aufzubinden (Lk 11:46).

– Die Versuchung, vom Kreuz herunter zu steigen, um den Menschen zu gefallen, und nicht dort zu bleiben um den Willen des Vaters zu erfüllen; sich vor dem Geist der Weltlichkeit zu verbeugen anstatt sich zu reinigen und vor dem Geist Gottes zu verneigen.

– Die Versuchung, das „depositum fidei” zu vernachlässigen und sich selber nicht als Hüter, sondern als Besitzer und Herren zu verstehen oder andererseits die Versuchung, die Realität zu vernachlässigen und eine einengende Sprache zu benutzen und so zu sprechen, dass man viel redet und nichts sagt!

Liebe Schwestern und Brüder, diese Versuchungen dürfen uns nicht erschrecken, nicht befremden, aber auch nicht entmutigen, denn kein Knecht ist größer als sein Herr; wenn also Jesus versucht worden ist und sogar selbst Beelzebub genannt wurde (Mt 12:24), dann dürfen seine Jünger keine andere Behandlung erwarten.“

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Ansprache, Bischofssynode, Ehe, Familie, Franziskus, Papst, Reflexion, Versuchung7 Kommentare zu Erstarrung, Gutmenschentum, Weltlichkeit

Immer wieder Turmbau

Veröffentlicht am 26. Juni 20153. Dezember 2018

Für einige Monate war es der Turmbau zu Babel: im Herbst 2013 und den folgenden Monaten kam Papst Franziskus immer wieder auf diese Geschichte aus dem Buch Genesis zurück, in Ansprachen, Predigten, Interviews. Damals seien Ziegel wichtiger und wertvoller gewesen als die Menschen, zitierte er immer wieder einen Rabbiner. Und dann verschwand dieses Thema wieder.

Ein andern Mal war es das Gleichnis vom barmhrzigen Samariter. Auch der war eine zeitlang Thema, dann wieder weniger. Aber es sind nicht nur biblische Themen, auch andere Dinge haben beim Papst “Saison” um dann später abgelöst zu werden.

Manchmal kann man das nachvollziehen. So sind Dinge aus dem Beginn dieses Jahres nun Teil der veröffentlichten Enzyklika. Das  waren also Gedanken, die den Papst länger beschäftigt haben und die er sozusagen durchgekaut hat, bevor er den Text seines Lehrschreibens endgültig verfasst hat. Bei anderen Dingen ist das weniger offensichtlich, wie etwa beim Turmbau. Der hatte keine Funktion, wurde nicht Teil von etwas, sondern war einfach nur längere Zeit wichtig für das Sprechen und wie ich vermute das Beten des Papstes.

Zur Zeit werden diese Wellenbewegungen überlagert, mit Papstreisen nach Sarajevo, Turin und Lateinamerika, mit den Papstkatechesen zur Familie und der Enzyklika ist das weniger häufig festzustellen, dass ein Gleichniss oder ein Sprachbild häufiger vorkommt. Aber ich bin sicher, mit einigem zeitlichen Abstand werden wir das auch hier sehen können.

 

Kreisendes Denken

 

Dabei sind diese Dinge nicht neu. Wer alte Texte und Predigten von Kardinal Bergoglio liest, dem wird vieles bekannt vorkommen. Zum Beispiel der Tumbau. Der ist nicht neu und überraschend als Thema.

Wir sehen also einen Papst, der Gedanken aufgreift und Reifen lässt, der sie immer wieder vorkommen lässt. Und dann Jahre später wieder auf sie zurück kommt. Er denkt in Phasen oder Kreisbewegungen und lässt das auch sichtbar werden. Weiterlesen “Immer wieder Turmbau”

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Papstreise, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von Gott, VatikanSchlagwörter Ansprache, Franziskus, Jugendtreffen, Papst, Predigt, sprechen, Themen, Turmbau, Widerholung90 Kommentare zu Immer wieder Turmbau

Jesus, Armut, Barmherzigkeit: Ordens- und Priesterleben nach Papst Franziskus

Veröffentlicht am 22. März 201530. März 2015

„Ich habe eine Ansprache vorbereitet, aber solche Ansprachen sind langweilig.“ Wenn Papst Franziskus so beginnt, dann folgt meistens ein Highlight päpstlicher Kommunikation. So auch an diesem Samstag, beim Treffen des Papstes mit Priestern und Ordensleuten in Neapel. Er habe den offiziellen Text dem Ortsbischof übergeben, der ihn veröffentlichen werde. „Ich ziehe es vor, auf einige Dinge zu antworten,“ so der Papst. Zuvor war er vom Vikar für die Priester und einem Ordensmann begrüßt worden. Und von Schwestern umarmt, die ihn gar nicht mehr loslassen wollten.

Umringt und umarmt von klausulierten Schwestern: Der Papst in Neapel
Kann sich der Zuneigung kaum erwehren: Papst Franziskus

Und dann sprach der Papst frei, über 40 Minuten. Er begann bei einer seiner Lieblings-Sprachbilder, dem auf-dem-Weg-sein des Christen, der Nachfolge Jesu. Ordensleben und Priesterleben seien nicht einfach, aber trotzdem betonte er seine Botschaft von der Begegnung und der Nachfolge. Wie überhaupt diese Ansprachen des Papstes sich an das konkrete Leben, nicht die abstrakte Formulierung oder Definition richten, was denn Ordensleben geistlich oder theologisch heiße. Papst Franziskus ist immer konkret.
[Im Folgenden werden einige Passagen in Arbeitsübersetzung wiedergegeben, ich behalte oft den Sprachduktus der Sätze bei, so wie sie in gesprochener Rede geklungen haben]

„Die Mitte des Lebens muss Jesus sein. Wenn es passiert – vielleicht nicht in Neapel aber sicherlich woanders – dass im Zentrum des Lebens das steht, was ich gegen meinen Bischof oder gegen meinen Pfarrer habe oder gegen einen anderen Priester, dann geht es in meinem Leben nur um diesen Streit. Das aber heißt, das Leben zu verlieren. Keine Familie zu haben, keine Kinder zu haben, keine Liebe von Eheleuten zu haben ist etwas sehr Schönes, aber wenn es dann darin endet, mit dem Bischof zu streiten, mit seinen Mitbrüdern, den Gläubigen, mit einem Essiggesicht, dann ist das kein Zeugnis. Das Zeugnis ist das: Jesus. Die Mitte ist Jesus. Auch wenn Jesus im Zentrum steht, dann gibt es diese Konflikte, nicht wahr? Es gibt sie überall, weil mir vielleicht im Konvent die Oberin nicht passt; aber wenn die Mitte die ist, dass mir meine Oberin nicht passt, dann gibt es kein Zeugnis. Wenn meine Mitte Jesus ist und die Oberin mir nicht passt, dann toleriere ich sie und tue alles, dass die anderen Oberen die Situation kennen. Aber meine Freude lasse ich mir von niemandem nehmen: Die Freude, Jesus nachzufolgen. Die Mitte: Jesus Christus.

Hier sind auch Seminaristen … auch euch sage ich etwas: wenn ihr nicht Jesus als Mitte habt, dann verschiebt eure Weihe. Wenn ihr nicht sicher seid, dass Jesus in der Mitte eures Lebens ist, wartet noch eine Zeit, um sicher zu gehen. Sonst begebt ihr euch auf einen Weg, von dem ihr nicht wisst, wie er endet.

 

Das erste Zeugnis: Jesus in der Mitte des eigenen Lebens

 

Das ist das erste Zeugnis: dass man sieht, dass Jesus die Mitte ist. Es weder die Geschwätzigkeit noch der Ehrgeiz, diesen Posten zu haben oder jenen, noch Geld, nein – über das Geld werde ich gleich noch sprechen – nein: Jesus, Jesus, nicht wahr? Jesus. (..)“

„Ein zweites Zeugnis ist das der Armut, auch der Priester, die das Gelübde der Armut nicht ablegen, aber den Geist der Armut haben. Wenn in die Kirche die Geschäftemacherei Einzug hält, sei es bei Ordensleuten oder bei Priestern, dann ist das schlimm, schlimm. (…) Die Gott-Geweihten – seien sie Priester, Schwestern oder Ordensmänner – (sollen) niemals Geschäftemacher (sein).

Der Geist der Armut ist nicht der Geist der Armseligkeit.  Weiterlesen “Jesus, Armut, Barmherzigkeit: Ordens- und Priesterleben nach Papst Franziskus”

Kategorien Allgemein, Franziskus, Papstreise, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Ansprache, Armut, Franziskus, Nachfolge, Neapel, Ordensleben, Papst, Papstreise, Priester, Schwestern, Spiritualität1 Kommentar zu Jesus, Armut, Barmherzigkeit: Ordens- und Priesterleben nach Papst Franziskus

Theologie, Verschiedenheit, Einheit und die Welt

Veröffentlicht am 5. Dezember 20145. Dezember 2014

Ein kleiner Nachtrag zu einem Beitrag von vor einiger Zeit, „Angepasste Verkündigung“. Dort hatte ich nach der Bischofssynode ganz unoriginell einen Absatz von Gaudium et Spes eingestellt, in dem es um das Verhältnis von Welt und Kirche geht, bzw. um die Hilfe, welche die Kirche von der Welt erfährt, wie es heißt.

Papst Franziskus hat diesen Abschnitt heute zitiert, und zwar passenderweise in seine Ansprache an die internationale theologische Kommission. Es ging um Verschiedenheit der theologischen Herangehensweise, der theologischen Perspektiven und der Kulturen, aus denen heraus Theologie betrieben wird. Und es ging um den Dienst an der Einheit, den diese Verschiedenheit leistet.

Papst Franziskus setzt auf den Heiligen Geist. Das bedeutet, nicht auf eigenen Projekten und Ideen zu bestehen, sondern sie dem Wandel und dem Prozess zu überlassen, aber auch der klugen Unterscheidung. Nicht alles, was weht, ist schließlich Heiliger Geist.

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von Gott, Vatikan, Zweites Vatikanisches KonzilSchlagwörter Ansprache, Einheit, Franziskus, Gaudium et Spes, Glaubenskongregation, Papst, Theologie, VerschiedenheitSchreiben Sie einen Kommentar zu Theologie, Verschiedenheit, Einheit und die Welt

Die Idee Europas wiederbeleben

Veröffentlicht am 25. November 201424. November 2014

Zwei Veranstaltungen, nicht mehr: Papst Franziskus hat schon durch die Planung seiner Reise nach Europa klar gemacht, dass er ein Anliegen hat, das er vorbringen will, und weder ein Kathedral-Jubiläum (das Münster wird .1000 Jahre alt) noch etwas anderes soll davon ablenken. In Straßburg hat er vor dem Europaparlament und dem Europarat gesprochen, also vor der EU und vor der Vertretung des gesamten Kontinents.

Lange Reden waren es, die der Papst gehalten hat. Vom Duktus her sind sie am ehesten vergleichbar mit einigen Ansprachen, die er in Rio de Janeiro gehalten hat, der vor den Vertretern von Kultur und Gesellschaft aber auch denen vor den Bischöfen.

Am Ende der zweiten Rede fällt der Ausdruck, mit dem sich die Motivation des Papstes, zu und vor Europa zu sprechen, am besten fassen lässt. Papst Franziskus zitiert einmal mehr Papst Paul VI: Die Kirche sei „Expertin in Menschlichkeit“. Das soll nicht anmaßend sein, aber ausdrücken, dass die gesamte Tradition der Kirche und des Glaubens für Europa hilfreich sein kann. Nicht nur, weil es das Erbe ist, Europas Wurzeln, ob es passt oder nicht. Sondern auch, weil es – und das betonen beide Reden in Straßburg – für die Zukunft helfen kann.

 

Expertin in Menschlichkeit

 

Einige Beobachtungen möchte ich teilen. Zunächst fällt auf, dass der Papst in beiden Ansprachen eine Dynamik wachruft. Wir kennen das aus Evangelii Gaudium und seinen Predigten, hier geht es aber nicht um den Glauben, sondern um die Gesellschaft Europas, um Einheit und Freiheit und Werte. Auch hier spricht der Papst von Weg, von einem andauernden Prozess.

Diese Dynamik hat eine Richtung: Die Wiederentdeckung dessen, was die Politiker gerne die „europäische Idee“ nennen.

 

Rechte des Einzelnen, Rechte der Familie

 

Zweitens betont der Papst in beiden Reden die Menschenrechte, sagt aber auch, dass man diese gut verstehen müsse. Einzelrechte gehen nicht über die Rechte von Familien oder Gruppen. Gerade beim Thema ‚Familie’ ist das besonders bedeutsam. Der Mensch sei ein Beziehungswesen, Rechte kommen ihm nicht nur einzeln zu, sondern auch als Gemeinschaft.

Drittens warnt der Papst vor dem Auseinanderbrechen der Idee von einem geeinten Europa. Das ist um so spannender, als er selber kein Europäer ist. Hier spricht also jemand mit der „Erfahrung von draußen“, wie ich es nennen möchte. Spaltungen und Abgrenzungen sind scheinbar einfache Lösungen, der Papst wendet sich dagegen und betont die Wichtigkeit der Einheit. Daran hängt dann indirekt auch die Wertschätzung für die Demokratie, auch das Thema in beiden Ansprachen. Weiterlesen “Die Idee Europas wiederbeleben”

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Vernunft, PapstreiseSchlagwörter Ansprache, Arbeit, Dynamik, Einheit, Europa, Europapaelament, Europarat, Franziskus, Freiheit, Menschenrechte, Papst, Papstreise, Politik, Straßburg, Würde4 Kommentare zu Die Idee Europas wiederbeleben

Frei gesprochen

Veröffentlicht am 26. August 2013
Papst Johannes Paul I.
Papst Johannes Paul I.

Er hat gelacht, und zwar viel. Der Spitzname „der lächelnde Papst“ war sehr schnell gefunden und hält sich bis heute. Heute – Montag – vor 35 Jahren wurde Albino Luciani zum Papst gewählt.

Es war der dritte Patriarch von Venedig in diesem Jahrhundert, der Papst wurde – vor ihm waren es Pius X. und Johannes XXIII.

Neben dem Lächeln und dem dazugehörigen Spitznamen halten sich aber auch andere Dinge: Er war der erste Papst, der vom Text abweichend frei sprach, zuerst vor den Kardinälen am Tag nach seiner Wahl.

 

„Es ging dann darum, einen Namen zu wählen. Darüber hatte ich gar nicht nachgedacht. Ich habe mir deswegen folgendes gedacht: Papst Johannes hat mich geweiht, hier in Sankt Peter. Außerdem komme ich vom Bischofsstuhl von Venedig hierher und Venedig ist immer noch voll von Papst Johannes (…). Papst Paul dagegen hat mich nicht nur zum Kardinal erhoben, sondern mich vor einigen Monaten auf dem Markusplatz rot werden lassen, vor 20.000 Menschen. Er hat seine Stola genommen und sie mir umgelegt. Nie war ich so rot wie da. Außerdem hat dieser Papst in fünfzehn Jahren Pontifikat der Welt gezeigt, wie man liebt, wie man dient und wie man arbeitet für die Kirche Christi. Deswegen habe ich gesagt: Ich nenne mich Johannes Paul.“

 

Und er wich ab bei der Ansprache bei der traditionellen ersten Audienz für Journalisten und Medienvertreter am 1. September 1978:

 

„Das heilige Erbe, das mir vom Zweiten Vatikanischen Konzil und von meinen Vorgängern Johannes XXIII. und Paul VI. hinterlassen wurde, enthält ein Versprechen einer besonderen Aufmerksamkeit und einer offenen, ehrlichen und effektiven Zusammenarbeit mit den Medien, wie sie hier von Ihnen repräsentiert werden.

Kardinal Mercier hat zu seiner Zeit einmal gesagt, wenn der heilige Paulus heute leben würde, wäre er Journalist. Ein Journalist von ‚La Croix’ aus Paris hat ihm geantwortet, „Nein Eminenz, wenn er käme, würde er nicht nur Journalist werden, sondern Direktor der Agentur Reuters.“ Heute füge ich hinzu: Nicht nur Direktor von Reuters, heute würde der heilige Paulus zu Paolo Grassi [1919-1981, ital. Theatermacher, zwischen 1977 u. 1980 Chef des ital. Senders RAI] gehen und ihn um Platz im Fernsehen zu bitten, oder zur NBC.

Ich habe den Eindruck, dass sich viele Journalisten mit zweitrangigen Dingen der Kirche abmühen. Man muss aber das Zentrum treffen, die wirklichen Probleme der Kirche. Das ist auch die Bildungsfunktion für ihr Publikum, das Sie liest, hört oder zuschaut.

Deswegen frage ich und bitte ich Sie, sich auch für die echte Berücksichtigung  der „Dinge Gottes“ einzusetzen und für die geheimnisvolle Beziehung zwischen Gott und jedem von uns, der heiligen Grundlage der menschlichen Wirklichkeit.“

 Der offizielle (englische) Text der Ansprache

Es war ein kurzes Pontifikat, aber eines, was Spuren hinterlassen hat. 33 Tagen können ausreichen, im Glauben etwas zu bewegen.

Kategorien Allgemein, Geschichte, Rom, Vatikan, Zweites Vatikanisches KonzilSchlagwörter 33 Tage Papst, Albino Luciani, Ansprache, Johannes Paul I., Kommunikation, Konklave, Medien, Papst, Wahl83 Kommentare zu Frei gesprochen

Der Lackmustest für das Bischofsamt: Eine Meditation des Papstes

Veröffentlicht am 24. Mai 2013

Es ist eine Mischung aus Meditation, Ermahnung, Ermutigung und geistlichem Leitbild: Die Ansprache Papst Franziskus’ von diesem Donnerstag. Gemeinsam mit der in Rom versammelten italienischen Bischofskonferenz sprach er in einem Gottesdienst das Glaubensbekenntnis.

In der geistlichen Tradition des Jesuitenordens erkenne ich hier das wieder, was seit Ignatius von Loyola eine „Betrachtung“ genannt wird. Man stellt sich die Szene so vor, als wäre man selbst dabei und reagiert mit seiner eigenen Geschichte, seinen Wünschen und Gedanken, seinen „inneren Regungen“ auf ein biblisches Geschehen.

Und dann soll man sich – so lehrt Ignatius – „auf sich selbst zurückbesinnen“ und „Frucht ziehen“ aus den Gedanken, auch das finde ich bei Papst Franziskus.

Das soll jetzt nicht das jesuitische über Gebühr betonen, ich glaube aber, dass die geistliche Tradition, aus der der Papst kommt, wichtig ist, um seinen Gedankengang nachvollziehen zu können.

Aber genug der Einleitung: Hier die Ansprache, die Papst Franziskus am Donnerstagabend vor den Bischöfen Italiens gehalten hat: Über das Hirtenamt der Bischöfe.

 

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt,

die biblischen Lesungen, die wir gehört haben, regen uns zum Nachdenken an. Mich haben sie sehr zum Nachdenken gebracht. Daraus ist eine Meditation geworden – für uns Bischöfe und zuerst für mich selbst, einen Bischof wie ihr. Diese Gedanken möchte ich mit euch teilen. Weiterlesen “Der Lackmustest für das Bischofsamt: Eine Meditation des Papstes”

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Vernunft, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Ansprache, Bischof, Bischofsamt, Franziskus, Hirte, ignatianisch, Meditation, Papst, Sorge, Verantwortung, Vertrauen10 Kommentare zu Der Lackmustest für das Bischofsamt: Eine Meditation des Papstes

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