„Es gibt natürlich viele Kritiker, die sich jetzt zu Wort melden und Heiligsprechungen für überkommen erklären. Da schimmert gefährliche Arroganz durch. Jeder Heilige ist für uns ein Vorbild. Heiligenverehrung ist nicht unmodern.“
Gefährliche Arroganz: Für diese Formulierung in einem Interview habe ich eine Menge Kritik bekommen, deswegen eine Erläuterung an dieser Stelle. Keine Rechtfertigung, sondern eine Erläuterung.
Mir fällt verstärkt auf, dass es innerhalb der Kirche eine Argumentationsfigur gibt, die einen Vergleicht zieht zwischen der Frömmigkeitspraxis in Deutschland oder Österreich oder der Schweiz einerseits und Lateinamerika oder Asien oder Afrika andererseits. Und diese Figur geht so: Die Verehrungen und Formen von Glauben bei uns sind durch eine Phase der Aufklärung und Entmythologisierung gegangen, sie sind sozusagen gesäubert. Was magisch ist, ist davon weggenommen. Kurz, wir brauchen das nicht mehr, das gehört einer vergangenen Zeit an. Gewöhnlich heißt die Formulierung dieser Figur: „Ist nicht mehr zeitgemäß“.
Das mag man so sehen, aber dann kommen die anderen Kirchen ins Spiel, zum Beispiel die 800.000 Menschen gestern hier in Rom oder wie viele es auch immer genau waren. Heimlich unterstellt man denen also, sie seien nicht durch diese Phase gegangen und täten also etwas, was nicht mehr zeitgemäß sei. Und dann passiert das, was zu der von mir genannten „gefährlichen Arroganz“ führt, man fügt in Gedanken oder wörtlich das Wort „noch“ ein: Sie sind ‚noch’ nicht durch diese Phase gegangen.
Damit attestiert man sich einen kulturellen Fortschritt und sieht andere Frömmigkeiten als rückschrittlich. Weiterlesen „„Da schimmert gefährliche Arroganz durch““