Der Zyniker mag sagen, Gott habe die Welt halt gut geschaffen, nicht gerecht. Aber das kann auch nur ein Zyniker sagen.
Dass es mit der Gerechtigkeit nicht weit her ist, zeigen in diesen Tagen einmal mehr Investigative Journalisten. In Deutschland ist es die Süddeutsche Zeitung, die Tag für Tag berichtet, wer alles keine Steuern zahlen will und sich deswegen auf Kanalinseln zurück zieht. Apple zum Beispiel. Oder Nike.
Keine Steuern zahlen will? Das klingt noch harmlos. Eigentlich muss es heißen: wer sich seinen Pflichten entzieht. Denn genau das machen diese Leute: Steuern sind der Preis, den wir für eine zivilisierte Gesellschaft zahlen, eine Gesellaschaft mit Schulen, mit Polizei, mit Krankenhäusern und Universitäten. Wer sich dem entzieht – und hier geht es um erhebliche Summen – der zeigt eine erhebliche Verachtung für Gesellschaft und Staat.
Ich weiß gar nicht, was schlimmer ist: dass mich das schon gar nicht mehr überrascht oder die Menge derer, die jetzt ans Licht kommen. Nach den Panama-Papieren, dem Luxenburg-Skandal jetzt nun die Paradies-Papiere.
Sich den Pflichten entziehen
Die Einzelbeispiele muss man gut in Augenschein nehmen, ob und wie Bono oder Madonna oder Prinz Charles profitiert haben, muss man heraus finden. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Fakt ist aber auch, dass es Reiche offensichtlich schaffen, sich den Pflichten zu entziehen. Wer eine Million hat, der kann sich in einer Beteiligungsgesellschaft engagieren und zahlt nichts mehr. Das Geld wird dem Sozialkreislauf entzogen.
Die New York Times hat dazu heute eine Grafik. Der Abstand zwischen den, die viel haben, und denen, die wenig bis nichts haben, wird immer größer. Egal ob wir nun den Ausdruck von der Wirtschaft, die tötet, in den Mund nehmen wollen oder nicht, wir haben ein massives Gerechtigkeitsproblem.
„Was sind überhaupt Reiche, wenn die Gerechtigkeit fehlt , anderes als große Räuberbanden?” Fragt Aurelius Augustinus. Das Kriterium für „Räuberbande” bei ihm ist die Straflosigkeit. Und die haben sich die netten Herren und Damen erhofft. Sich den Pflichten entziehen, Habgierig sein, vielleicht sogar im strengen Sinn des Worts legal, aber eben nicht legitim. Man will von den Früchten der Zivilisation essen, aber selber nichts zu ihr beitragen.
Da sind die individuellen Fälle – Bono, Madonna und wer-weiß-nich-noch – zwar für die Boulevardpresse interessant, schlimmer sind aber die wirklich großen und systemisch angegangenen Summen: Dazu och einmal Aurelius Augustinus, aus demselben Abschnitt seines Buches. Er schließt den Gedanken mit einer kleinen Geschichte. „Hübsch und wahr ist der Ausspruch den ein ertappter Seeräuber Alexander dem Großen gegenüber getan hat . Auf die Frage des Königs, was ihm denn einfalle, daß er das Meer unsicher mache, erwiderte er mit freimütigem Trotz: „Und was fällt dir ein, daß du den Erdkreis unsicher machst? aber freilich, weil ich es mit einem armseligen Fahrzeug tue, nennt man mich einen Räuber, und dich nennt man Gebieter, weil du es mit einer großen Flotte tust”.“