Leseschlüssel zu Evangelii Gaudium, Teil 3
Wenn man Papst Franziskus irgendwie charakterisieren will, dann kann man das durch seine Auswahl an Verben tun. Er liebt dynamische Verben: Herausgehen, Aufbrechen, sich nicht in sich einschließen, weggehen, aufbauen, gehen, begleiten. Da ist immer etwas unterwegs.
Das ist zum einen sehr dynamisch, sehr optimistisch, sehr modern, da gibt es keinen Stillstand oder besser: Da darf es gar keinen Stillstand geben. Still stehende Christen sind keine, sie beschützen nur das, was sie haben, man muss aber aufbrechen.
Deswegen ist das zugleich auch ein wenig anstrengend. Nicht zuletzt hier im Blog gab es immer wieder zarte Anfragen, ob das nicht alles in Aktivismus ende und ob man, wenn man nichts mehr tun kann, dann vom Papst zum Christen zweiter Klasse erklärt würde. Das stimmt natürlich nicht. Diese Dynamik lässt uns nicht in Ruhe, soweit ist sie anstrengend, aber sie zeigt uns – und das ist einer der inneren Kerne von Evangelii Gaudium – auch den Weg zur wahren Selbstverwirklichung:
„Wenn die Kirche zum Einsatz in der Verkündigung aufruft, tut sie nichts anderes, als den Christen die wahre Dynamik der Selbstverwirklichung aufzuzeigen: Hier entdecken wir ein weiteres Grundgesetz der Wirklichkeit: Das Leben wird reifer und reicher, je mehr man es hingibt, um anderen Leben zu geben. Darin besteht letztendlich die Mission. Folglich dürfte ein Verkünder des Evangeliums nicht ständig ein Gesicht wie bei einer Beerdigung haben.“ (EG 10)

Wer Evangelii Gaudium verstehen will und die Aufforderung des Papstes anzunehmen: „Ich rufe alle auf, großherzig und mutig die Anregungen dieses Dokuments aufzugreifen, ohne Beschränkungen und Ängste.“ (EG 33)
Wagemutig, großherzig, kreativ
Es gilt also, die eigenen inneren Quellen zu entdecken, aus der diese Dynamik kommen kann. Das muss nicht immer sofort und gleich geschehen, die Überwindung des sprichwörtlichen inneren Schweinehundes gilt auch im geistlichen Leben. Die uns hemmenden Strukturen und Versuchungen, die der Papst so ausführlich und hingebungsvoll beschreibt und demaskiert wehren sich und lassen sich erst langsam überwinden, manchmal auch nur mit Rückfällen und so weiter. Wir kennen das aus unserem eigenen Leben.
Aber es gibt auch hoffnungsvolle Zusagen: Wer diese Dynamik noch nicht in sich spürt, spürt vielleicht den Wunsch nach dieser Dynamik, das ist auch schon ein erster Schritt. Weiterlesen „Die Lunge der Dynamik“