Da wo ich lebe, geht man gerne auf die Straße. Ohne den berechtigten Anliegen und Ängsten von Demonstranten hier in Italien zu nahe treten zu wollen, fällt es schon auf, dass Demos gerne an Freitagen oder Montagen stattfinden, oder an Brückentagen. Das gibt freie Zeit.
Deswegen ist es schwer, von hier aus – aus Rom – zu verstehen, wer gerade in Deutschland auf die Straße geht. Ich habe deswegen auch mehr Fragen als Antworten.
Da ist zum Beispiel diese Demo in Dresden, die sich selbst so nennenden Patrioten demonstrieren, geführt vor allem wohl von eigenen Ängsten, wenn man den klügeren der Berichte folgt.
Da ist zum Beispiel diese Demo in Berlin, „Friedenswinter“, pro Völkerrechts-Verletzer Putin, gegen den Mann der offenen Sprache, Gauck. Ausgerechnet Eugen Drewermann findet sich dort auf der Bühne, warum auch immer. Pazifismus im Namen des Aggressors in der Ukraine und der Krim? Schwer zu verstehen.
Was schon einfacher zu verstehen ist, ist die allgemeine Verunsicherung. Russland steht vermeintlich für eine einfacher, geregelte Welt, in der zur Not Werte mit Gewalt durchgesetzt werden. Das gibt Sicherheit. Dass man die Opfer in der Ukraine dabei übersehen muss, ist geradezu tragisch.
Zurück zu den „Patrioten Europas“ , die flankiert von online-Schreibern und in der Szene altbekannten Gesichtern Parolen auf ihre Plakate schreiben, die vor allem eines aufgreifen: Angst. Angst vor etwas, was es statistisch gesehen nicht gibt – die Islamisierung Deutschlands. Angst vor der Unsicherheit, das Gefühl der Minderwertigkeit wenn einem das TV jeden Tag Reichtum und Konsum zeigt und man selber nicht mal annähernd so weit kommt. Das muss raus. Angst davor, dass man selbst in den eigenen Rückzugsorten neue Kulturen, Sprachen, Umgangsformen sieht, dass selbst die eigenen Rückzugsorte keine mehr sind.
Das sind keine Wut“Bürger“ mehr, mit Bürger hat das wenig zu tun. Wie gesagt, alles aus der Ferne beobachtet und deswegen analytisch nicht gerade scharf. Ich bin bestimmt auch nicht der einzige, der das so sagt und sieht.
Das sind alles Eindrücke, mehr Fragen als Antworten. Trotzdem gehört die Straße allen und ich mag nicht still daneben sitzen, wenn Demos Abgrenzung, und Ausgrenzung fordern.