Der Gebetstag um geistliche Berufungen
Es ist eines der Worte, die mit jeder Erklärung nur noch unverständlicher werden: Die Berufung. Meistens bedeutet es so viel wie Gerufen sein zu einem Amt oder in einen geistlichen Weg, der in einen Orden führt. Seit Luther aber sagen wir oft, dass jeder Mensch eine Berufung habe und meinen damit, dass Gott mit jedem und jeder von uns etwas vorhat. Das ist zweifellos richtig, und es ist auch genau das, was der Papst zum Gebetstag für geistliche Berufungen anspricht: „Jedes Geschöpf, insbesondere jede menschliche Person, ist Frucht eines Gedankens und einer Tat der Liebe Gottes, einer unendlichen, treuen, ewigen Liebe. Die Entdeckung dieser Wirklichkeit ist es, was unser Leben tatsächlich zutiefst verändert.“
Bei dem Wort „Berufung“ müssen wir aber auch vorsichtig sei: Seitdem Luther Paulus Wort vom „gerufen sein“ – kletos apostolos – mit Beruf übersetzt, dann birgt das die Gefahr der Säkularisierung. Die ‚Berufung’ meint eben nicht einen modernen Beruf, eine Stellung in der Gesellschaft, eine Identität. Es geht nicht um die Zuweisung von einem Platz im Leben oder einem Sinn des eigenen Lebens.
„Die Berufung ruft zu nichts und zu keinem Ort: deswegen kann sie mit dem faktischen Rechtszustand, zu dem jeder berufen wird, zusammenfallen, gerade deswegen aber wird dieser auch ganz und gar widerrufen. Die messianische Berufung ist die Widerrufung jeder Berufung.” (Giorgio Agamben, Die Zeit die bleibt, S. 34).
Eben genau wie die Liebe, aus der die Berufung kommt, das unaufgebbare Geschenk Gottes, das unsere Welt und unser Leben in Frage stellt. Deswegen spricht der Papst in seiner Botschaft zu diesem Tag von Dienst und Antwort, nicht von Status. Berufung ist dynamisch. Und so verführerisch das Spechen von „meiner Berufung“ auch sein mag, es ist nicht meine, sie ist kein Besitz ich antworte nur.
Berufung ist, was man nur gebrauchen, nicht aber besitzen kann. Die Berufung ist kein Recht und konstituiert auch keine Identität: Sie ist Möglichkeit, Dynamik, Suchen, Bewegung. Man gebraucht sie, ohne je ihr Inhaber zu sein. Weiterlesen „Eine Wirklichkeit, die unser Leben zutiefst verändert“