In der Kirche sind wir nicht gewohnt, dass Differenzen sichtbar werden. Die Kanzel ist der Ort, von dem aus etwas erklärt und ausgelegt wird, und zwar das Wort Gottes. Nun benutzt kaum noch wer die Kanzel, aber Sie wissen schon, was ich meine. Wenn ich predige, beziehe ich mich auf die Heilige Schrift, die ich auslege. Das ist kein Ort für Streitkultur. Und dementsprechend hat die Weltkirche in den letzten 200 Jahren, seitdem im 19. Jahrhundert die Gesellschaft sich rapide veränderte, eine zentrale Kanzel geschaffen, um nicht den Nationalismen, Militarismen und den ganzen anderen -ismen nachgeben zu müssen: Rom.
Nun aber leben wir hier in einer freien Gesellschaft, der Zentralismus nicht nicht mehr das Gebot der Stunde. Dezentralisierung ist angesagt, Papst Franziskus hat das in seiner Rede zum Synodenjubiläum noch einmal genauer ausgelegt. Aber wie geht das?
Zwei Beispiele. Bischof Timothy Thornton, der anglikanische Bischof von Truro, ist bei der Synode dabei und wurde bei einer Pressekonferenz gefragt, wie das eigentlich die anglikanische Gemeinschaft mache, die streite doch auch über Moral- und Sexualitätsfragen, vor allem zwischen den USA und den Ländern Afrikas. Diese Gemeinschaft steht vor einer Zerreißprobe. Thornton hatte nicht wirklich eine Antwort. Die katholische Kirche muss diesen Weg also selber suchen und ertasten.
Ein zweites Beispiel: Keine vollständige Einigung beim Vorbereitungstreffen für das 2016 geplante Panorthodoxe Konzil. Die orthodoxen Kirchen, die ja dezentral sind, wollen sich seit 1.000 Jahren das erste Mal wieder zusammen setzen und ein Konzil abhalten. Die orthodoxen Kirchen hatten ein Konsens-Prinzip vereinbart, nun hat aber ein Papier nicht die Zustimmung aller Kirchen erhalten, damit ist alles wieder offen. Hier ist alles dezentral, und hier gibt es große Probleme zwischen den Kirchen.
Beide Beispiele zeigen Problemlagen, auf welche die katholische Kirche blicken muss, wenn sie wirklich „heilsam dezentralisieren“ will, um den Papst zu zitieren. Und auch im Innern unserer Kirche sind ja nicht alle dafür.
Rom nicht mehr Garant für die eigenen festen Überzeugungen
„Schisma!“ schreien gleich einige. Das ist eine Drohung. Interessant ist, dass die Differenzen in den vergangenen 30 Jahren nie mit diesem Ruf begleitet wurden, es gab harte Konflikte um Schwangerschaftskonfliktberatung – auch eine Frage von Einheit – und Bischofsernennungen. Aber keiner ist auf die Idee gekommen, gleich vor einem „Schisma“ zu warnen. Nun ist es eine andere Gruppe, die alles aufs Spiel gesetzt sieht. Da werde dann gleich die ganze Lehre aufgegeben.
Dezentralisierung wird schwierig, soweit können wir das mit Blick auf die drei Beispiele feststellen. Dazu kommt aber noch etwas anderes: Universalität ist etwas Gutes.
Kardinal Vincent Nichols hat es bei einer unserer Pressekonferenzen während der Bischofssynode so ausgedrückt: „Critical and creative distance to our own culture“, Universalität schaffe eine kritische und kreative Distanz zu unserer eigenen Kultur. So Ähnlich hat es auch Papst Franziskus in Evangelii Gaudium ausgedrückt. Das ist ein katholisches Plus, das wir auf keinen Fall aufgeben wollen, vom Wunsch Jesu, dass alle Eins seien, mal ganz abgesehen.
Der Papst scheint mir weiß darum und hat deswegen in seiner Ansprache zur Dezentralisierung die Rolle des Papstes noch einmal ganz stark gemacht. Ein Widerspruch, wie es zunächst scheint, aber auf den zweiten Blick wichtig, dass bei all den Spannungen, die anstehen und die in den drei Beispielen genannt sind, die Einheit und die Universalität erhalten bleibt.
Gleichzeitig dezentral und Universal, und das auch noch heilsam, das ist das Projekt der Kirche für die kommenden Jahrzehnte