Teil 4 und letzter Teil einer kleinen Reihe
Das vierte Element des Franziskus-Effektes ist das für mich faszinierendste Thema. Dazu möchte ich ein Zitat anführen, dessen Urheber hier nicht wichtig ist, das aber sehr gut eine weit verbreitete Einstellung dem Papst gegenüber zusammen fasst: „Papst Franziskus hat die Latte hoch gelegt, hat wunderbare Zeichen gesetzt, hervorragende Predigten gehalten, aber jetzt braucht der Papst vorzeigbare Resultate. Die Menschen wollen keine Dialogprozesse mehr ohne Ergebnis, sie wollen, dass sich wirklich etwas bewegt.“
Der Sprecher hier liegt falsch. Die Zumutung Papst Franziskus’ liegt darin, dass er genau das nicht tut. Greifen wir zu einer seiner Überzeugungen, die sich bis in die Zeiten zurückverfolgen lässt, in denen Bergoglio Jesuitenprovinzial war, also bis in die 70er Jahre.
„Die Zeit ist mehr wert als der Raum. Dieses Prinzip (des Vorrangs der Zeit) erlaubt uns, langfristig zu arbeiten, ohne davon besessen zu sein, sofortige Ergebnisse zu erzielen. Es hilft uns, schwierige und widrige Situationen mit Geduld zu ertragen oder Änderungen bei unseren Vorhaben hinzunehmen, die uns die Dynamik der Wirklichkeit auferlegt. Es lädt uns ein, die Spannung zwischen Fülle und Beschränkung anzunehmen, indem wir der Zeit die Priorität einräumen. (..) Dem Raum Vorrang geben bedeutet sich vormachen, alles in der Gegenwart gelöst zu haben und alle Räume der Macht und der Selbstbestätigung in Besitz nehmen zu wollen. Damit werden die Prozesse eingefroren. Man beansprucht, sie aufzuhalten. Der Zeit Vorrang zu geben bedeutet sich damit zu befassen, Prozesse in Gang zu setzen anstatt Räume zu besitzen.“
Zitiert nach Evangelii Gaudium (Nr. 222f), dort ist es das erste der vier Prinzipien, die er gegen Ende anfügt. Ich habe sie mal die vier „pastoralphilosophischen“ Prinzipien genannt. Wenn ich einmal die Unterhaltung zweier (nicht deutschsprachiger) Bischöfe zitieren darf, die ich zufällig mitbekommen habe und deswegen anonym lasse: „Wir können uns diese Debatte über die Familie nicht leisten, wir verlieren zu viel an Boden!“. Wir verlieren Boden, genau das ist gemeint, wenn der Papst vom Raum spricht. Er setzt auf Prozesse, nicht auf Positionen. Und deswegen wird Papst all die, die jetzt endlich Entscheidungen erwarten, enttäuschen.
Der Papst wird enttäuschen
Noch ein Zitat: „Der erste Papst aus dem erneuerungsfreudigen Jesuitenorden verändert die Kirche im Sauseschritt. Doch vor den nötigen Korrekturen in der Lehre zuckt der Südamerikaner zurück.“ Das stammt aus Publik Forum, ich denke aber, das viele Menschen das so sagen könnten und würden. Oder auch tun. Das Wort „nötige“, „nötige Reformen“ ist trügerisch. Es besagt ja, dass ich weiß oder jemand weiß, was nötig ist. Dass es also einen Plan gibt. Ich glaube aber nicht, dass Franziskus so einen Plan hat, und das meine ich im guten Sinn.
Papst Franziskus setzt auf Prozesse. Er setzt nicht auf den Plan, er geht nicht in die Bischofssynode zur Familie, wissend, was dabei heraus kommen soll. Er gibt Kontrolle ab oder geistlich gesprochen gibt dem Heiligen Geist Raum, nicht nur im Gebet oder in Reden, sondern ganz konkret, indem er die Dinge nicht vorentscheidet, sondern offen lässt. Weiterlesen „Der Franziskus-Effekt: Dynamik“