Eigentlich bin ich kein Freund von Jubiläums-Journalismus. Nur weil eine bestimmte Anzahl von Tagen vorüber sind, muss nicht ein Ereigniss unbedingt noch einmal erinnert werden. “Heute vor einem Jahr” oder so. Eigentlich.
Denn ab und zu muss man da oder darf man da eine Ausnahme machen. Heute vor einem Jahr wurde im Vatikan das päpstliche Lehrschreiben “Amoris Laetitia” vorgestellt. Zwei Bischodssynoden hatten stattgefunden, bei denen ich drinnen dabei war und zu denen ich viel hier geschrieben habe. Dann die Pressekonferenz mit Kardinal Christoph Schönborn. Aber dann war nicht – wie sich heraus stellen sollte – ein Thema beendet, sondern “nur” in eine neue Phase getreten.
Danach sollten die Debatten und der Streit noch weiter gehen. Was genau alles passiert ist, will ich nicht wiederholen, das haben andere schon getan. Vielleicht nur der Versuch festzustellen, wo wie heute – ein Jahr später – stehen.
Freude des Streits
“Freude der Liebe” heißt der Text, und anders als in der Öffentlichkeit und den Medien oft wahrgenommen, wurde der Text auch genau als das wahr genommen. Wir debattieren in den Medien über eine Fußnote, aber der Rest des Textes, auch wenn nicht so medienwirksam, hat seine Bedeutung entfaltet. Nach langen Jahren, in denen Kirche in Sachen zwischenmenschlicher Beziehung eher sprachlos war, kommen wir langsam zurück. Der Test des Papstes ist einerseits ein Lehrschreiben, also nicht einfach nur eine Predigt. Andererseits enthält er Kapitel, die man sich zu bestimmten Phasen der Ehe, etwa in der Vorbereitung oder beim älter werden, denkend aneignen kann.
Zweitens hat uns die Debatte um die angeblichen “Zweifel”, die so genannten Dubia einiger Kardinäle, am Verständnis des Textes klar gemacht, wie der Papst diese neue Sprachfähigkeit erreichen will: eben nicht durch ein Machtwort, eine Festlegung, eine Definition. Sondern durch das Gewissen, die “Unterscheidung”, die Verantwortung der Gläubigen vor Gott.
Die deutschen Bischöfe haben das glaube ich gut ausgedrückt indem sie sagen, dass es keinen Automatismus etwa im Zugang zu wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion geben kann, andererseits sprechen Sie aber auch von “zu respektierenden Entscheidungen” der Betroffenen. Nicht alles muss von oben her für den Einzelfall genau festgelegt sein. Weiterlesen “Von Liebe und Streit”