Die Überraschung hat eine lange Vorgeschichte. Als Papst Franziskus an diesem Donnerstag auf die Frage der Diakoninnen einging und eine Studienkommission zur Frage ankündigte, was es in der frühen Kirche bedeutet habe, Diakonin zu sein, war die katholische Welt perplex. Das Thema wird zwar immer wieder diskutiert, nun ist es aber ganz offiziell auf dem Schreibtisch des Papstes angekommen.
Aber wie gesagt, diese Überraschung hat eine lange Vorgeschichte. Im Dezember 2009 hatte Papst Benedikt XVI. das Kirchenrecht geändert. Das Dekret damals hieß „Omnium in Mentem“, „Allen in Erinnerung gerufen“. Es ging um Anpassungen des Kirchenrechts an den Katechismus, das Recht sollte den Glauben widerspiegeln, oder wie es der Papst 2009 selber ausdrückt: die kanonische Norm soll vervollständigt werden. Und in der Tat wird Kanon 1009 ein Absatz hinzugefügt. Dieser Absatz lautet: „Die die Bischofsweihe oder die Priesterweihe empfangen haben, erhalten die Sendung und die Vollmacht, in der Person Christi, des Hauptes, zu handeln; die Diakone hingegen die Kraft, dem Volk Gottes in der Diakonie der Liturgie, des Wortes und der Liebe zu dienen.” Damit gibt es eine wesentliche Unterscheidung des Weiheamtes.
Damals hatten wir hier in der Redaktion einen Kirchenrechtler interviewt, Erzbischof Ludwig Schick. Und der wies auf diese Unterscheidung angesprochen darauf hin, dass man die gesamte Geschichte des Diakonats im Blick behalten muss, er machte also schon 2009 das, was Papst Franziskus nun angekündigt hat.
Noch einen Schritt weiter: Papst Benedikt griff in seiner Kirchenrechtsänderung auf den Katechismus der Katholischen Kirche zurück, in dem Papst Johannes Paul II. einen Absatz geändert hatte, damit dieser besser die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils wiedergebe. Dort sagt das Dokument „Lumen Gentium“ (29) über die Diakone, dass sie ihre Weihe „nicht zum Priestertum, sondern zur Dienstleistung empfangen“. Und auch das ist als Zitat früherer Texte angegeben. Eine lange Vorgeschichte.
Worauf Papst Franziskus nun Bezug nimmt, ist eine noch ältere Vorgeschichte, nämlich die, welche im Brief an die Römer vorkommt. Dort spricht Paulus von Phöbe, „die Dienerin der Gemeinde von Kenchreä“, griechisch „οὖσαν καὶ διάκονον τῆς ἐκκλησίας τῆς ἐν Κεγχρεαῖς” (16:1). Also ‚Diakonin’. Gleichzeitig wird das Wort für denjenigen, den wir gemeinhin als den ersten Diakon bezeichnen, also Stephanus, gar nicht gebraucht. Was das eine nun mit dem anderen zu tun hat, dass soll nun die Kommission ergründen.
Ein Fall von Freimut
Noch ein Wort zur Überraschung: Der Papst will, dass in der Kirche offen geredet wird, Parrhesia ist sein Stichwort, ‚Freimut’. Ihm ist die Rolle der Frau in der Kirche ein Anliegen, auch in der Audienz für die Ordensoberinnen, in der die Formulierung zu den Diakoninnen gefallen ist, hat er deutlich darauf Bezug genommen, Frauen sollen sowohl in Entscheidungsfindung als auch Umsetzung einbezogen werden. Das sollte auf keinen Fall auf die Frage nach Diakoninnen beschränkt werden, im Gegenteil. Die Weihe ist in der Kirche nicht alles, oder wie es Papst Franziskus in Evangelii Gaudium (102) ausdrückt: „Die Laien sind schlicht die riesige Mehrheit des Gottesvolkes. In ihrem Dienst steht eine Minderheit: die geweihten Amtsträger.”
Also, sprechen wir mit Freimut, aber vermuten wir nichts in die Debatte hinein, was vom eigentlichen Ziel ablenkt.