Die Geschichte ist legendär: Nach der Gründung des Jesuitenordens musste ein Oberer bestimmt werden. Wenn man die Autobiographien der ersten Jesuiten liest, dann wird klar, dass das nur einer sein konnte, nämlich Ignatius von Loyola. Jeder der „ersten Gefährten“, wie wir die Gruppe um ihn nennen, hatte seine eigene Berufungsgeschichte, nicht nur eine Kopie derjenigen des Ignatius. Aber trotzdem war er mehr als nur der Leiter einer Gruppe.
Bei der ersten Wahl wollte Ignatius aber nicht für sich selber stimmen. Also schrieb er auf seinen Stimmzettel, dass er seine Stimme demjenigen gebe, der die meisten Stimmen der anderen bekomme. Auch der später heilig gesprochene Franziskus Xaver, der bei der Wahl nicht dabei sein konnte, hatte einen Wahlzettel hinterlassen, auf dem er seine Stimme demjenigen gibt, der die meisten Stimmen bekommt.
Eine merkwürdige Form von Demokratie ist das, was wir Jesuiten da praktizieren.
Wobei: Ist das wirklich Demokratie? So darf der neugewählte Generalobere das Amt nicht ablehnen, er wird noch nicht einmal gefragt, er ist gewählt, sobald er die Stimmenanzahl erreicht hat. Auch wird vorher vier Tage lang „gemurmelt“, die Wähler streichen in Zweiergruppen durchs Gebäude, nach strengen Regeln wie und was gefragt werden darf, wenig Kontakt zu den anderen Jesuiten und erzählen dürfen sie auch nichts. Wahlkampf: ausgeschlossen.
Es ist halt letztlich ein geistliches Tun, was dort vollzogen wird. Viele Wähler haben mir beim Abendessen, nach Abschluss der jeweiligen „Murmeltage“, berichtet, dass sie mehr gebetet als gesprochen haben. Schließlich gehen wir davon aus, dass der Heilige Geist „mitwählt“ (was dann auch der Grund ist, dass der Gewählte nicht gefragt wird. Wer wird sich schon gegen das Ergebnis eines Prozesses stellen, in dem der Heilige Geist dabei war?).
Demokratie im Orden
In den vergangenen Tagen habe ich einen Wahlprozess erlebt, der einen krasseren Gegensatz zu dem, was tagtäglich aus den USA auf den Bildschirm schwappt, nicht bilden könnte.
Der Britische Provinzialobere Pater Dermot Preston SJ hat am Tag vor der Wahl einen Text ins Netz gestellt, einen Brief an den noch nicht gewählten Generaloberen, den „unbekannten Soldaten“: „If God has designed you as a Land Rover, do not try to persuade yourself that you are a Ferrari. Likewise, if you are a Ferrari, don’t try to put on all-weather tyres and drive across country in the snow! God has designed you in a particular way, so trust that the design is adequate for the pilgrim road on which you now travel.” In seinem Humor und seiner Geistlichkeit ist dieser Text ein schönes Beispiel, wie wichtig und grundlegend die religiöse Dimension in diesem Geschehen ist. Weiterlesen “Geistliche Demokratie”