Während meines Studiums in München habe ich einmal mit einem Mitbruder aus einem asiatischen Land zusammen gelebt, der sehr gut inkulturiert war. Eines Tages nun hatten wir Besuch und er bekam – idiotischerweis – eine Frage auf Englisch gestellt, irgendwie traute der Gast ihm kein richtiges Deutsch zu, typisch. Also die Frage war: „Where are you from?“ Seine spontane Reaktion: „Ich nicht fromm, ich nicht fromm!“ Nervös, wie er war, vergaß er das Verb im Satz, um klar und deutlich zu sagen, dass „fromm“ auf keinen Fall für ihn zutreffe; ignorierend, was eigentlich die Frage war.
Fromm sein, das ist bei uns immer noch sehr oft ältere Menschen mit Kerzen oder ein Rosenkranzgebet im Altenkreis oder traditionelle Innerlichkeit oder alte Gebetbücher. In jedem Fall würden sich die meisten Christen in Deutschland, sollten sie sich selber beschreiben sollen, nicht „fromm“ auf ihre Karte schreiben. Oder? Hand aufs Herz!
Fromm sein hört sich an wie harmlos sein, wie klein beigeben, wie alles über sich ergehen lassen. Das will man nicht sein, man lebt seinen Glauben ja schließlich selbstbewusst. „Es ist ruhig das Alter und fromm“, dichtete Hölderlin (‚meiner verehrungswürdigen Großmutter zum 72sten Geburtstag‘, zitiert übrigens auf Deutsch von Papst Franziskus bei seiner allerersten Audienz), da will man sich nicht vor der Zeit einreihen.
„Es ist ruhig das Alter und fromm“
Die Geschichte meines Mitbruders fiel mir wieder ein, als mir neulich eine meiner Aufzeichnungen zu den vielen Papstthemen wieder in die Hand gerät. Ich bin nicht unbedingt ein großer Fanatiker in Sachen Ordnung, da kann schon mal ein Thema liegen bleiben. Reifen, sozusagen.
Was ist das also nun, die Frömmigkeit?
Viel ist aus der lateinischen Sprachwelt zu uns gekommen, früher bedeutete Frömmigkeit/Pietas eine Art Unterordnung unter die Götter, eine Verehrung und Achtung. Pietas, das war auch die Achtung der Kinder vor den Eltern samt Unterwerfung unter das Urteil des Vaters, kein Wunder, dass die deutsche Entsprechung, Frömmigkeit, nicht wirklich beliebt ist.
Versuchen wir also den Begriff zu umgehen. Nennen wir das „innere Haltung des Glaubens“. Das kann dann selbstbewusst sein, ohne die Unterwürfigkeit mit zu transportieren.
Pietas hat aber als Wort einen Vorteil, den weder ‚fromm’ noch die von mir gerade formulierte Haltung wettmachen kann, Pietas bedeutet auch Erbarmen, Barmherzigkeit. Wie es im liturgischen Ruf heißt: „Ten piedad de nosotros!“ auf Spanisch, „abbi pieta di noi!“ auf Italienisch, und auf Deutsch: „Erbarme dich unser!“.
Wenn wir also „innere Haltung des Glaubens“ sagen, oder unsere Haltung Gott gegenüber irgendwie anders ausdrücken, dann müssen wir sicher gehen, dass diese Dimension zumindest mitgedacht wird. Weiterlesen „„Ich nicht fromm!““