Es ist ein wenig ironisch, dass wir heute bei Radio Vatikan zwei Themen nebeneinander stehen haben, die widersprüchlicher nicht sein könnten und doch die Realität unserer Kirche ganz gut passen. Zum einen geht es um die „Arme Kirche für die Armen“, Papst Franziskus hat einen Text zum Welttag der Armen geschrieben, der in diesem Jahr erstmals begangen wird und zwar am 19. November, also dem vorletzten Sonntag vor dem Advent. Die Armen sind kein Problem, von den Armen kann man das Wesen des Evangeliums lernen, heißt es dort.
Nachricht Nummer Zwei: Gestern Abend aber hat das IOR – im Volksmund „Vatikanbank“ – seine Jahresbilanz vorgestellt: Der komplette Reingewinn, 36 Mio Euro, gehen an den Vatikan.
Die arme Kirche für die Armen bekommt also 36 Mio Euro überwiesen. Ironisch. Gott hat halt Humor. Als ich dann auch noch die Nachricht geschrieben habe, dass an diesem Donnerstag im Vatikan eine internationale Tagung zum Thema Korruption stattfinden wird, musste ich erst mal laut auflachen.
Einerseits 36 Millionen Euro …
Da ist also die Welt der Spiritualität, der Menschlichkeit, des Anspruchs Jesu an seine Kirche, da ist das Ideal, die Theologie, die Umkehr der Menschen und der ganzen Kirche. Und da ist andererseits die Welt der Pragmatik, des Bezahlens von Angestellten, der immer besser kontrollierten und risikoarmen Verwaltung von Geld. Beides auf derselben Seite.
Erklären kann man das alles, aber das ist hier nicht mein Punkt. Beide Nachrichten haben eine Botschaft: Pragmatik ist wichtig, schließlich ist die Realität wichtiger als die Idee. Aufruf zur Umkehr ist wichtig, schließlich sind wir keine NGO. Um es ganz überspitzt zu sagen.
Die Kunst ist nun, beides zusammen zu tun. Klug zu sein um Umgang mit den Dingen der Welt, aber sich von denen nicht gefangen nehmen zu lassen. Es gehe um den „Maßstab, der es erlaubt, den korrekten Umgang mit den materiellen Dingen einzuschätzen“, wie es die Papstbotschaft sagt.
… andererseits Arme Kirche für die Armen
Das ist letztlich viel anspruchsvoller als die Radikale und letztlich einfache Forderung, schlicht alles wegzugeben. Die Dinge haben und sie so haben, als ob man sie nicht habe, um den Apostel Paulus zu paraphrasieren, gilt es immer wieder neu zu lernen. Immerhin ist die Kirchengeschichte – und die Geschichte des IOR – voll mit Ereignissen, wo das so richtig schief gegangen ist.
Aber irgendwas in mir schreit da auch „Vorsicht!“ Die beiden Nachrichten bleiben sperrig nebeneinander stehen, sie mögen sich gegenseitig nicht. Und drinnen bleibt das Gefühl, dass das auch gar nicht stimmen kann, dass das gar nicht stimmen will, dass man das eine nicht in das andere überführen kann, ohne dass die Sinnspitze verloren geht.
Es ist und bleibt widersprüchlich. Und vielleicht ist das auch ganz gut so: das nervt beim zu einfachen Sprechen über Armut und das nervt beim zu professionellen Verwalten der Güter. Das eine ärgert das andere. Da ist Dynamik drin und das ist ja nichts Schlechtes.