Nanu? Seit Tagen köchelt die Geschichte durch die Medien, dass Kardinal Reinhard Marx und Bischof Bedfors-Strohm auf dem Tempelberg in Jerusalem ihre Kreuze nicht getragen hätten. Wut und Häme goss sich aus, von Unterwerfung war die Rede, Christen würden für ihren Glauben im Nahen Osten sterben und die beiden Promis würden ihn so einfach verleugnen.
Und nun ein Foto, dass sie mit den Kreuzen zeigt, vor dem Felsendom. Es gibt auch andere Bilder, richtig, wo die beiden kein Kreuz umhaben, direkt an der Mauer des muslimischen Gebetshauses. Sie haben die Kreuze abgenommen. Aber mindestens dieses Bild zeigt doch, dass es ganz so einfach nicht war.
Überhaupt: die ersten Stellungnahmen waren von einer Aufrichtigkeit des Glaubens geprägt, die vor allem von Ferne zum Geschehen geprägt war. Am 20. Oktober waren die Bischöfe da, erst im November erregte dich die mediale Welle. Wobei es dabei schon irgendwie komisch zuging: der Vorwurf bei Spiegel-Online war, dass die Abnahme des Kreuzes eine Demutsgeste gewesen sei. Wohlgemerkt: Die haben das als Vorwurf verstanden.
Wer bin ich, zu urteilen?
Leider waren die meisten Meinungsinhaber nicht von allzu viel Recherche getragen, wie das Foto oben zeigt. Außerdem: von hier aus, aus dem sicheren Mitteleuropa, eine explosive Lage wie die zwischen den Religionen auf dem Tempelberg zu beurteilen halte ich für mindestens fahrlässig.
Es hat dann doch einige Artikel gegeben, die vor Ort nachfragen, bei Beteiligten oder Kennern, wie heute in der FAZ. Aber das sind alles Mitspieler, die sind Partei und sollen es auch sein.
Am schlimmsten sind aber tatsächlich diejenigen, die “Bekennermut” verlangen. Von hier aus. Bei aller Wichtigkeit des christlichen Zeugnisses: Wer zahlt bitteschön dafür den Preis? Christen hier fühlen sich dann vielleicht besser, aber damit geht auch ein wenig Hochmut einher, wenn man für das heimische Publikum seine Überzeugung zeigt und dann den Schaden den dortigen Menschen überlässt, wenn man selber schon wieder im Flugzeug sitzt.
Unterwerfung unter den Islam, welch ein Unfug. Es ging um das Vermeiden eines Konfliktes an einem Ort, wo normalerweise keine Christen hinkommen.
Vielleicht hat es ja keine perfekte Lösung gegeben. Wie man es macht, macht man es falsch. Aber das ist im gesamten Nahen Osten so, seit Jahrzehnten. Zu viele Bekenner, zu viele Interessen, zu viel Konflikt, zu viel Gewalt, die sich auf Religion beruft. Die deutschen Bischöfe wollten mit allen reden – und haben mit allen geredet – und wollten gemeinsam pilgern, als Zeichen der Gemeinsamkeit. Ich habe keine einzige Stimme von vor Ort gehört, die sich beschwert hätte, dass das nicht gelungen sei.
Also bitte, wenn der Preis für gelungenen Dialog – wenn auch in kleinen Schritten – ein wenig Irritation zu Hause ist, dann soll das so sein. Mögen all die Kommentatoren und Blog-Schreiber doch bitte von ihren Richterstühlen herunter klettern.