Christen haben etwas zu sagen. Darüber wer wir sind und was es heißt, Mensch zu sein. Was für Konsequenzen das hat den anderen und der Welt gegenüber. Was wir glauben und hoffen. Und das was wir zu sagen haben bleibt aktuell und modern. Leider kommt das oft nicht an, in unseren eigenen Worten: Wir schaffen es nicht, dem Auftrag Jesu nachzukommen, zu verkünden und zu bezeugen. Jedenfalls als Gruppe nicht. Das ist so neu nicht und viele reden darüber. Und das ist auch gut so, dass geredet wird.
Salz kann man nicht mehr salzig machen, wenn es einmal den Geschmack verloren hat, warnt uns Jesus. Also, wir vermeiden wir das? Und was ist genau das Salzige für heute? Das was wir zu sagen haben?
Christen haben etwas zu sagen
Innerkirchlich wird da oft mit Strukturdebatten gearbeitet, eine Klage die auch Papst Franziskus führt. Da sind wir wie die SPD, es geht um Personen und um Positionen, um Strukturen und Modernisierung. Damit holen wir keinen und keine mehr hinterm Ofen hervor, das ist nicht das Salz für heute. So wichtig und richtig diese strukturellen Dinge sein mögen, sie sind nicht das, wofür wir stehen, sie sind höchstens die Weise, wie wir dafür stehen.
Aber was ist dann das Salzige? Das mag ich hier – wen wunderts? – mit dem Papst beantworten. Denn der hat einen Namen dafür: Christlicher Humanismus.
Christlicher Humanismus
Dazu bediene ich mich einer Ansprache, welche der Papst schon 2015 gehalten hat, die ich aber nicht nur für noch immer aktuell sondern auch für eine der fundamentalen Ansprachen dieses Papstes halte. Er zitierte sie auch in seinem Brief an die Katholiken in Deutschland. Weil sie an eine italienische Kirchenversammlung gerichtet war, war sie bei uns nicht so richtig wahrgenommen worden.
Zuerst einmal das Fundamentale, ohne dass wir nicht auskommen: Christlicher Glaube steht in einer Spannung; Gott und Mensch. Wir glauben an Gott, der ganz Gott ist und der ganz Mensch wird. Nun wissen wir über Gottsein selber nichts, weswegen unser Zugang dazu allein über das Menschsein funktioniert, über Propheten und Gebote und dann über Jesus Christus.
Die Spannung
Papst Franziskus nennt das immer mal wieder „christlichen Humanismus“, ein Begriff der schon für Verwirrung gesorgt hat, als ob unser Glaube eine Unterabteilung des Humanismus sei. Humanismus, das ist eigenlich irgendwie synonym für „gut sein ohne Gott“ oder „der Mensch im Zentrum“. Um da gleich keine Zweifel aufkommen zu lassen, sagter deutlich „Jesus ist unser Humanismus“.
Aber warum dann überhaupt vom Humanismus sprechen? Weil es eben die unauflösliche Verbindung Gott-Mensch ist, die im Zentrum des Glaubens steht. Das eine geht nicht ohne das andere. Und weil eben unser Zugang über den Menschen läuft, direkt über Gott können wir nichts sagen.
Aber wie geht das? Und woran ist erkennbar, dass das mit Glauben zu tun hat? Dazu lese ich beim Papst drei Handlungen heraus.
Erste Handlung: Niederbeugen
„Das Gesicht Jesu ist dem vieler unserer Brüder ähnlich, die erniedrigt, versklavt, entäußert wurden. Gott hat ihr Gesicht angenommen. Und dieses Gesicht schaut uns an. Gott – er ist ‘das Wesen, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann’, wie der heilige Anselm sagte, oder der ‚Deus semper maior‘ des heiligen Ignatius von Loyola – wächst stets über sich hinaus, indem er sich erniedrigt. Wenn wir uns nicht erniedrigen, werden wir sein Gesicht nicht sehen können.“
Und dieses Gesichtszüge Jesu, das wir im Schwachen erkennen, „sagen uns, dass wir nicht von der ‚Macht‘ besessen sein dürfen, auch wenn diese das Gesicht einer nützlichen Macht annimmt, die dem gesellschaftlichen Image der Kirche dient. Wenn die Kirche nicht die Gesinnung Jesu annimmt, dann verliert sie die Orientierung, den Sinn.“
Zweite Handlung: Überraschen
Hier ist eher Gott der Handelnde, Überraschung zulassen und sich selbst nicht dagegen wehren wäre die Entsprechung. Wer glaubt, zu wissen und sich auf diese seine Überzeugung zurück zieht, den nennt der Papst „in sich selber eingeschlossen“. Gott durchbricht das durch Überraschungen, also durch ein Aufbrechen dieser Sicherheiten, die in unseren Plänen nicht vorkommen.
Die Beton-Form dieses Selbst-Einschlusses sind die Regeln und Normen, die einen gegen derlei Überraschungen absichern und im Fall eines Eintritts verteidigen sollen: „Die Norm gibt (…) die Sicherheit, sich überlegen zu fühlen, eine genaue Orientierung zu besitzen. Darin findet er seine Kraft, nicht im sanften Hauch des Geistes.“
Der Preis dafür ist hoch: Unruhe. Aber nur wo Unruhe ist, ist Geist. Christen haben etwas zu sagen, aber nicht aus einem festen Block abzuleiten: „Die christliche Lehre ist kein geschlossenes System, das keine Fragen, Zweifel, Probleme hervorbringen kann, sondern sie ist lebendig, sie kann Menschen in Unruhe versetzen, kann sie beseelen.“
Dritte Handlung: Dialog
Christen haben etwas zu sagen, aber bitte nicht zu monologisieren: schon seit Paul VI. gilt, dass es der Dialog ist, mit dem wir auf die anderen zugehen. Nicht das Urteil, nicht die Belehrung. Nun ist die Grundlinie des Dialoges, nicht über ihn verfügen zu können. Wir definieren nicht das Spielfeld. Ich habe hier schon oft über den Dialog als Grundhaltung gesprochen, über echten Dialog oder darüber, dass es dazu einer eigenen Haltung und Überzeugung bedarf, ohne die mag in Beliebigkeiten herumtaumelt.
Deswegen an dieser Stelle zwei Elemente des Dialogs, welche Papst Franziskus in Florenz extra noch einmal nannte. Erstens ist da das Suchende des Dialogs: „Einen Dialog zu führen bedeutet nicht zu verhandeln. Verhandeln heißt zu versuchen, das eigene ‘Stück’ aus der gemeinsamen Torte zu bekommen. Das meine ich nicht. Vielmehr bedeutet es, das Gemeinwohl aller zu suchen“.
Und zweitens geht es nicht um das viele Worte Machen und des Redens willen, frei nach dem Satz es ist schon alles gesagt worden nur noch nicht von jedem. „Die beste Form des Dialogs nicht darin besteht zu reden und zu diskutieren, sondern gemeinsam etwas zu tun, gemeinsam etwas aufzubauen, Pläne zu machen: nicht allein, unter Katholiken, sondern gemeinsam mit allen Menschen guten Willens. Und furchtlos den für jeden echten Dialog notwendigen Aufbruch wagen.“ Aufbruch: Das sind wir dann wieder bei der ersten Handlung.
Suchen und Tun
Das ist also dieser Christliche Humanismus à la Papst Franziskus. Er will ja seinen Beitrag leisten zu dem Reden darüber, wie wir heute und möglichst auch noch morgen mit dem Geist Gottes in unserer Welt und mit anderen agieren. Und zwar nicht um möglichst wenig Anstoß zu erregen und uns einzupassen, sondern um wie Jesus es sagt salzig zu sein. Nun denn, würzen wir.