Wir schulden der Welt unsere Bekehrung: Ein verkürzter Satz, der das wiedergibt, was ich in den vergangenen Jahren vom Theologen Johann Baptist Metz gelernt habe. Metz ist an diesem Montag im Alter von 91 Jahren verstorben, statt einer Würdigung möchte ich noch einmal die Gedanken aufgreifen, die sich aktuell lesen, auch wenn sie schon 40 Jahre alt sind. Eine genuin religiöse Antwort auf die Fragen unserer Zeit.
Bekannt und gewürdigt wird er für seinen Beitrag zur politischen Theologie. Aber „politisch“ ist bei ihm nicht eng, also parteipolitisch zu verstehen, wie ich finde. Sondern schlicht weltverändernd. Was ihn wie ich meine zu einem Geistesverwandten des Papstes macht.
Wir schulden der Welt unsere Bekehrung
„Das eucharistische Tischtuch zwischen uns und den armen Kirchen (ist) zerrissen, weil wir ihnen in ihrem Elend und ihrer Unterdrückung nicht mit unserer Umkehr beistehen und weil wir uns weigern, auf das zu hören, was als Prophetie des gemeinsamen Aufbruchs aus diesen armen Kirchen zu uns dringt“: eine dramatische Sprache, die auf die Amazonassynode genauso passt wie auf andere weltweite kirchliche Probleme. Das Zitat, wie alle Gedanken Metz die ich hier aufgreife, stammt aus einem Buch, dass mich die vergangenen Jahre begleitet hat: ‚Jenseits bürgerlicher Religion‘ heißt es und wurde von Metz schon 1980 veröffentlicht.
Metz antwortet darin religiös und eben nicht innenweltlich politisch, wenn er sich die Herausforderungen anschaut. Das Bild vom eucharistischen Tischtuch finde ich spannend, die Ungleichheit in der Welt und ich füge aktualisierend hinzu auch die Zerstörung der Umwelt schädigt die Kirche im Inneren. Und es gibt kein härteres theologisches Bild als den Schaden an der Gegenwart des Herrn, der gemeinsamen Feier der Eucharistie.
Wider die Betreuungskirche
Aber nicht nur für das ganz Große ist diese geistlich theologische Sichtweise interessant. Metz spricht auch heute noch zu uns, gerade jetzt bei den Anfangsschritten zum synodalen Weg: „Haben wir nicht selbst die Betreuungskirche so sehr verinnerlicht, dass wir meinen, alles an kirchlicher Erneuerung hinge schließlich davon ab, dass die Betreuer, also vorweg der Papst und die Bischöfe, sich ändern? Tatsächlich geht es darum, dass die Betreuten sich ändern und sich nicht einfach wie Betreute benehmen.“ Das klingt erschreckend aktuell.
„Deshalb sollten wir auch jenen Mangel an Bußfertigkeit und Selbstkritik, den wir in der Kirche, speziell bei unseren kirchlichen Amtsträgern, beklagen, wenigstens bei uns selbst überwinden.“ Starker Tobak, vor allem wenn wir bedenken, wie berechtigt zum Beispiel der Ärger und Zorn bei der Vertuschung von Missbrauch durch die Autoritäten der Kirche ist. Auch hier sollen wir auch Selbstkritik üben, sagt uns Metz. Nicht einfach zu schlucken. Wir schulden der Welt unsere Bekehrung, auch hier, sagt uns Metz.
Jenseits der Verbürgerlichung
Bei Metz steht dahinter das Bild einer ‚Initiativ-Kirche’, die jenseits der Verbürgerlichungen lebt. Initiative versteht sich als das Gegenteil von versorgt werden. Es steht dafür, seinen Glauben selber in die Hand zu nehmen. Und diese Kirche beginnt nicht mit dem Warten auf Entscheidungen, sondern bei den Gläubigen selbst.
Metz sieht die Gefahr der Verwandlung des Christentums in eine bürgerliche Religion, also die Gefahr, dass wir die Erneuerung der Kirche auf Basis der bürgerlichen Religion suchen, die „als besonders ‚fortschrittlich’ und gar ‚befreiend’ vorkommen mag“. „Die bürgerliche Gesellschaft ruht nicht, bis die Religion zu ihr und zu ihren Plausibilitäten passt“. Oder an einer anderen Stelle in demselben Text: „Der Bürger lässt die Religion nicht mehr an sich heran, er bedient sich ihrer, wenn er sie ‚braucht’.“
Das Feindbild für Kirche ist also klar: Die verbürgerlichte Kirche.
Die Unterwerfung des Glaubens
Das Problem bei dieser Kirche ist, dass sie vorgibt, was Glaube und Gott sein darf und welchen Stellenwert Gott zugewiesen werden darf. Man unterwirft Glaube, Religion und Gott also bürgerlichen Funktionalismen, damit alles glatt und schön und ohne anzuecken verläuft. „Diese bürgerliche Religion fordert nichts, tröstet aber auch nicht. Gott ist in ihr zwar zitierfähig, aber kaum mehr anbetungswürdig,“ sagt Metz.
Und dann wird es spannend, denn hier zieht Metz eine Linie, die Richtung Zukunft weist. Wo der Papst etwa in Evangelii Gaudium beschreibend und würdigend bleibt, blickt Metz schon 1980 für Europa voraus. „Wo sich unsere Kirchen bewusster und entschiedener als bisher der Zumutung entziehen, Institutionen bürgerlicher Religion zu sein, öffnet sie sich einer basiskirchlichen Zukunft.“
Das wird dann ein Anfang einer Kirche als „Kirche des Volkes“.
Eine bis an die Wurzeln gehende Umkehr
Deutlich wird besonders die politische und gesellschaftliche Bedeutung, die so etwas mit sich bringt: „eine bis in die Wurzeln gehende Umkehr, die auch die ökonomischen Grundlagen unseres gesellschaftlichen Lebens einbezieht.“ Klingt vertraut, oder? „Diese Wirtschaft tötet“ und dergleichen ist eben Teil eines glaubenden Lebens und Denkens.
Interessant auch die Forderung, dass es eine „bis an die Wurzeln gehende Umkehr“ brauche. Das ist ein genuin religiöser Ansatz: Die Umkehr. Diese ist – auch das macht der Satz von Metz klar – nicht rein spirituell und innerlich zu verstehen, sondern hat gesellschaftliche Wucht. Umkehr betrifft nicht nur mich und meinen Gott im Gebet, Umkehr hat Folgen in meinem und unserem Leben. Das nimmt dem Begriff auch die etwas angestaubte Bedeutung, die wir manchmal damit verbinden. Und es zeigt, dass Umkehr keine Verharmlosung von Problemen ist, in dem ich sie ins Innere hinein verlagere. Umkehr ist der Kern des christlichen Suchens und Fragens, es verändert die Welt.
Meinen Dank an Johann Baptist Metz.
Herr, gib ihm die ewige Ruhe. Und das ewige Licht leuchte ihm.Lass sie ruhen in Frieden.