Erst kommt die Verschiedenheit und die wird dann zu einer Einheit geformt: Es sind scheinbar unschuldige Sätze wie dieser aus der Pfingstpredigt des Papstes, die sich bei mir festhaken. Ist doch klar, könnte man denken, wie soll Einheit auch sonst entstehen? Erst sind alle eins und dann entsteht Verschiedenheit?
Wenn da nicht im Hintergrund eine Menge theologischer Debatten herumlaufen würden, die sich bei diesem Satz wieder melden. Die bekannteste ist die zwischen den beiden Kardinälen Joseph Ratzinger und Walter Kasper, ausgetragen vor allem in der Zeitschrift ‚Stimmen der Zeit’: Was war zuerst da, die Einheit der einen Kirche oder die Verschiedenheit der Ortskirchen? Dahinter lag leider auch immer die Frage nach Vorrang und Wichtigkeit, den beiden Protagonisten ging es aber vielmehr darum, wie man Kirche denken kann.
Es ging um Dialog und Communio, es ging um Einheit in Christus, es ging um das Gottesreich, dass in der Kirche angebrochen ist. Es geht darum, ob Kirche aus Christus oder aus dem Geist gedacht werden kann, soll oder muss.
Ratzinger und Kasper
Wenn man von Christus ausgeht, dann steht selbstverständlich die Einheit am Beginn. Denke ich historisch, dann ist eher das andere wahr. Aber beide Betrachtungsweisen schließen sich ja nicht aus, es ist alles eine Frage der Perspektive. Ich fand die Debatte damals – die ich im Studium dann noch einmal vorgelegt bekam – sehr inspirierend, wahrscheinlich gibt es gar nicht die eine alle anderen Argumente schlagende Antwort. In jedem Fall hat sie uns alle ans Nachdenken gebracht. Dass es die eine alles klärende Antwort vielleicht nicht gibt macht die Diskussion aber nicht unwichtig, im Gegenteil, so verstehen wir mehr was wir wissen und was wir nicht wissen.
Aber zurück zum Papst, der hat so gepredigt:
„Alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden« (Apg 2,3-4). So beschreibt das Wort Gottes das Walten des Geistes, das zuerst über jeden Einzelnen kommt und dann alle miteinander in Verbindung setzt. Jedem gibt er eine Gabe und alle versammelt er in der Einheit. Mit anderen Worten, derselbe Geist erschafft die Verschiedenheit und die Einheit und auf diese Weise formt er ein neues Volk, das vielfältig und geeint ist: die universale Kirche. Zuerst erschafft er einfallsreich und unvorhersehbar die Verschiedenheit; denn zu jeder Zeit lässt er neue und vielfältige Charismen aufblühen. Dann verwirklicht der gleiche Geist die Einheit: er verbindet, versammelt und stellt die Harmonie wieder her.“ Weiterlesen „Erst Verschiedenheit, dann Einheit“