Etwas nicht zu haben, also arm sein, muss nichts Schlimmes sein, im Gegenteil. Mangel und Bedürftigkeit ist Teil des Menschseins, wir schaffen uns nicht selbst mit unseren Gütern und Fähigkeiten und hängen immer von anderen ab. Wenn man sich das eingesteht, dann ist der Weg frei für eine solidarische Gesellschaft, in der wir uns gegenseitig als Bereicherung erfahren. Und das ist auch gemeint, wenn Jesus im Evangelium die Armut in die Seligpreisungen aufnimmt.
Das ist zugegeben eine halsbrecherische Kurzversion des Textes, den Papst Franziskus als Vorwort für ein Buch von Kardinal Gerhard Ludwig Müller geschrieben hat. Im heutigen Corriere della Sera ist der Text abgedruckt. Auf die Titelseite hat es der Papst dieses Mal nicht geschafft, die Regierungsbildung Renzi ist dann doch spannender als geistliche Überlegungen zu Armut und Bedürftigkeit. Nebenbemerkung: Kardinal Müller, weil das Buch erst am Dienstag erscheint, dann wird Erzbischof Müller bereits Kardinal sein. „Arm für die Armen“, „Povera per i Poveri” heißt das Buch. „Povera“ ist grammatisch feminin, es ist also eindeutig die Kirche, chiesa, gemeint.
Für Radio Vatikan habe ich den Text des Papstes etwas ausführlicher zusammen gefasst, als in meinem Radikalmanöver oben.
Aber in dieser Kürzung wird etwas sichtbar, was als Bewegung dem Sprechen des Papstes über Armut zu Grunde liegt: Es ist nie nur Wirtschaftskritik, wenn er Armut anprangert. Das auch, und der erste Teil des Vorwortes ist genau das. Dahinter liegt aber eine geistige und geistliche Haltung. Geld könne etwas Gutes oder auch etwas Schlechtes sein, je nachdem, ob es Freiheit fördere oder einschränke indem es unterdrücke. Das Gleiche gelte für Armut: Das von anderen Abhängen sei Teil des Lebens, das könne man fruchtbar machen und solidarisch leben, indem man die Güter verteile, in einer Art gegenseitiger Fruchtbarkeit des Gewinnens und Weggebens.
Es wird Zeit, sich all dem genauer zuzuwenden. Fast ein Jahr nach dem Satz, er wolle eine „arme Kirche für die Armen“ wird langsam deutlich, was genau Papst Franziskus darunter verstanden wissen will, das Vorwort liefert einen weiteren Verständnisschritt dazu.