Koordinatensystem für den Papst, Teil 6
Ganz vollständig ist das Koordinatensystem natürlich noch nicht, man könnte noch weitere Themen anführen. Aber vor allem fehlen noch die Koordinaten, die der Papst selber eingeführt hat. Die Zeit ist mehr wert als der Raum ist das erste Koordinate, „Dem Raum Vorrang geben bedeutet sich vormachen, alles in der Gegenwart gelöst zu haben und alle Räume der Macht und der Selbstbestätigung in Besitz nehmen zu wollen. Damit werden die Prozesse eingefroren. Man beansprucht, sie aufzuhalten. Der Zeit Vorrang zu geben bedeutet sich damit zu befassen, Prozesse in Gang zu setzen anstatt Räume zu besitzen.“
Uns macht das nervös, weil wir keine Ergebnisse sehen, keine Ergebnissicherung, keine Pläne. Er geht einfach los und vertraut dem Heiligen Geist.
„Die Einheit wiegt mehr als der Konflikt“ wäre die zweite Koordinate, auch das etwas, was wir uns innerkirchlich hinter die Ohren schreiben könnten. Leider leben Fraktionen in der Kirche vom und für den Konflikt, da klingen diese Worte des Papstes sehr aktuell. Er selber sagt das so: „Der Konflikt darf nicht ignoriert oder beschönigt werden. Man muss sich ihm stellen. Aber wenn wir uns in ihn verstricken, verlieren wir die Perspektive, unsere Horizonte werden kleiner, und die Wirklichkeit selbst zerbröckelt. Wenn wir im Auf und Ab der Konflikte verharren, verlieren wir den Sinn für die tiefe Einheit der Wirklichkeit.“
Die vier päpstlichen Koordinaten
Die dritte päpstliche Koordinate: „Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee“. Ich zitiere: „Das schließt ein, verschiedene Formen der Verschleierung der Wirklichkeit zu vermeiden: die engelhaften Purismen, die Totalitarismen des Relativen, die in Erklärungen ausgedrückten Nominalismen, die mehr formalen als realen Projekte, die geschichtswidrigen Fundamentalismen, die Ethizismen ohne Güte, die Intellektualismen ohne Weisheit.“ Das hat mit nichts weniger als der Inkarnation Gottes in die Welt zu tun. Und wer schöne Ideen hat, diese Dynamik der Inkarnation aber nicht nachvollzieht, der verfehlt Jesus: „Das Wort nicht in die Praxis umzusetzen, es nicht in die Wirklichkeit zu führen bedeutet, auf Sand zu bauen, in der reinen Idee verhaftet zu bleiben und in Formen von Innerlichkeitskult und Gnostizismus zu verfallen, die keine Frucht bringen und die Dynamik des Wortes zur Sterilität verurteilen.“
Und viertens: „Das Ganze ist dem Teil übergeordnet“. Diese vier Koordinaten sind eher abstrakt. Aber wenn man das sprechen und tun dieses Papstes beobachtet, dann wird das schnell sehr konkret. Weiterlesen “Es ist ein Verb”