„Arabische Invasion”. Mehr braucht es nicht, um mal wieder einen Papst-Satz durch die Medien zu treiben. Mehr wird auch über die Unterredung vom vergangenen Samstag gar nicht berichtet, dabei ist der Artikel im Osservatore Romano und in der Zeitschrift La Vie – wo das Original erschienen ist – umgerechnet mehrere Seiten lang. Nur die eine Formulierung und alle wundern sich wieder.
Ceterum censeo – bitte entschuldigen Sie, wenn ich mich hier immer wiederhole – man muss den Papst in der Sprechsituation und im Zusammenhang hören oder lesen, seine Sätze funktionieren als Kommunikation mit den Menschen, die vor ihm stehen oder sitzen, nicht als allgemeingültige Aussagen für alle Menschen immer und überall, schon gar nicht wenn es nur einige Worte sind, die heraus genommen werden.
Dabei ist das Ganze vom Papst angeschnittene Thema sehr spannend. Wohin geht Europa? Immerhin hatte er mit einer französischen Gruppe gesprochen, da liegt das Thema nahe. Vor allem ist das auch deswegen interessant, weil sonst wenig zum Thema Europa zu hören ist, wie immer wieder gesagt wird. Also: Wie kann man auf die geistliche Krise Europas antworten? Wie kann man der Moderne begegnen, auch kritisch begegnen, ohne reaktionär zu werden? Wie gehören Spiritualität und Politik – im weiten Sinn des Wortes verstanden – zusammen? Darum ging es dem Papst.
Berufung Europas
Es war eine recht lange Ansprache, berichtet La Vie, so lang dass der Papst an einer Stelle aufstand um Wasser zu holen – nicht für sich selbst, sondern für die Übersetzerin. „Emmanuel Lévinas hat seine Philosophie auf die Begegnung mit dem Anderen gegründet, der Andere hat ein Gesicht. Man muss aus sich heraus gehen, um es zu betrachten.“ Es sind solche Sätze, die einen wünschen lassen, dabei gewesen zu sein. Da kommen Dinge zusammen, seine philosophischen Interessen, seine geistliche Haltung, sein pastorales Tun.
Europa sei der einzige Kontinent, welcher der Welt eine gewisse Einheit geben könne, so der Papst zum Thema Globalisierung. „China hat vielleicht die ältere Kultur, aber Europa hat eine Berufung zur Universalität und zum Dienst.“ Da soll noch mal jemand sagen, der Papst ‚vom Ende der Welt’ mache sich keine Gedanken zu Europa.
In Straßburg, bei den Institutionen Europas, hatte er schon Reden dazu gehalten, damals hatte er Europa mit einer müden alten Frau verglichen, nicht zur Begeisterung der Europa-Fans. Könne man das wieder rückgängig machen, so die Frage am vergangenen Samstag? „Ja, unter einigen Bedingungen.“ Wenn Europa sich verjüngen wolle, „dann muss es die eigenen kulturellen Wurzeln wieder entdecken.” Ein Gedanke, der nicht neu ist, den wir bei Benedikt XVI. und bei Johannes Paul II. aus Papst-Mund auch schon gehört haben. Aber dann wieder echt Franziskus: „Unter allen Ländern des Westens hat Europa die stärksten und die tiefsten Wurzeln. Durch die Kolonisierung haben diese Wurzeln auch die Neue Welt erreicht. Aber weil es seine eigene Geschichte vergisst, wird Europa schwach. Und es riskiert, ein leerer Ort zu werden.“
Das Zitat
Aber nehmen wir uns das Zitat vor, das im Augenblick Aufmerksamkeit findet. „Wir können heute von einer arabischen Invasion sprechen. Das ist eine soziale Tatsache,“ gibt La Vie wieder. Der Papst habe da aber sofort anfügt, dass die Theoretiker der extremen Rechten, die Angst vor der großen Vertreibung und Verdrängung schürten, enttäuscht werden. „Wie viele Invasionen hat Europa nicht schon in seiner Geschichte gesehen!“, da ist wieder die Verbindung zum vorher gesagten, Europa müsse seine Geschichte kennen. Weiterlesen “Invasion und kulturelle Bereicherung: Papstworte”