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Schlagwort: Lateinamerika

Synodalität weltweit

Veröffentlicht am 25. April 202125. April 2021
Ganz eigene synodale Formen Auch in Lateinamerika wird es synodaler: Kathedrale São Sebastião do Rio de Janeiro,Brasil. (Flickr)

Jetzt also auch Lateinamerika. Ganz verschiedene Teilkirchen auf der Welt haben ihre jeweils ganz eigene synodale Formen entwickelt, nicht zuletzt auch die Kirche in Deutschland. Mit Lateinamerika tritt nun ein ganzer Kontinent auf den Plan.

Eigentlich sollte es eine erneute Bischofsversammlung des CELAM werden, der Vereinigung der Bischöfe des Kontinents. So eine hatte es zuletzt 2007 in Aparecida gegeben, unter maßgeblicher Beteiligung des heutigen Papstes. Franziskus war es aber auch, der dem Unternehmen eine neue Richtung gab: nicht nur die Bischöfe sollten sich versammeln, sondern es sollte eine Versammlung gemeinsam mit dem Volk Gottes sein.

Ganz eigene synodale Formen

„Nein, es ist etwas anders, eine Versammlung des Gottesvolks: von Laien, Ordensmännern und -Frauen, Priestern und Bischöfen, das ganze Volk Gottes im Aufbruch: es betet, redet, denkt, diskutiert, auf der Suche nach dem Willen Gottes. (…) Außerhalb des Gottesvolks gibt es Eliten, erleuchtet von dieser oder jener Ideologie, und das ist nicht die Kirche. Die Kirche ist im Brotbrechen, gibt sich allen hin, ohne auszuschließen. Eine Versammlung der Kirchen ist Zeichen einer Kirche die keinen ausschließt.“

So drückte es der Papst in einem Video an CELAM aus. Keine Eliten, alle sollen beteiligt werden. Das ist eine weitere Form, Synodalität für die Kirche heute zu entwickeln.

In Deutschland ist es der Synodale Weg, der sein eigenes Experiment versucht. Die Kirche in Australien benutzt sogar das Wort „Konzil“, um ihren Prozess zu beschreiben. Polen und Italien sind ebenfalls dabei, sich auf einen Prozess vorzubereiten, das italienische Projekt trägt auch bereits die Unterschrift des Papstes.

Das Weltkirchen-Argument

Das alles kann auch uns helfen: Wenn ich in unseren Debatten das Wort „Weltkirche“ höre, dann hat das leider mittlerweile einen unschönen Beiklang. Als ob es das Argument wäre, Debatten bei uns zu blockieren. Dabei zeigt der Blick über unseren eigenen Horizont doch nur, wie viele andere ihre Wege suchen. Vielleicht sollten wir anstatt das Weltlkirchen-Argument mit Verdacht zu belegen uns um Kontakt und Austausch bemühen. Weltkirche, das ist nicht nur Rom, das sind eben auch Lateinamerika und Australien und Italien und Polen und bald auch Irland.

Der Papst hat uns mit auf den Weg gegeben, nicht nur auf die eigenen Kräfte zu vertrauen. Der weltkirchliche Horizont auf die anderen synodalen Bewegungen wäre eine eine große Hilfe dazu.

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Zweites Vatikanisches KonzilSchlagwörter CELAM, katholische Kirche, Laien, Lateinamerika, Papst Franziskus, Synodalität3 Kommentare zu Synodalität weltweit

Lateinamerika – Konsumkultur ist Kolonisierung

Veröffentlicht am 23. Mai 201913. Mai 2019
Den Weg des Konzils fortsetzen Der Wallfahrtsort von Aparecida, Brasilien

Es gibt viele Grundlagentexte, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil von einzelnen Ortskirchen oder Verbünden geschrieben wurden, neben den postsynodalen Schreiben der Päpste zu einzelnen Regionen gibt es etwa das Papier „Missionarisch Kirche sein“ der deutschen Kirche oder die Ergebnisse des Prozesses „Apostelgeschichte 2010“ in Österreich. So will man den Weg des Konzils fortsetzen.

Unter all diesen Dokumenten haben die Texte der Generalversammlungen der lateinamerikanischen Bischöfe immer herausgeragt, Puebla und Medellin waren zwei der auch die übrige Kirche prägenden Versammlungen, die unter anderem die Option für die Armen formuliert haben. Das jüngste Dokument, ebenfalls benannt nach dem Tagungsort: Aparecida.

Den Weg des Konzils fortsetzen

Nicht uniteressant, dass der damalige Erzbischof von Buenos Aires, Kardinal Jorge Mario Bergoglio, dem Redakionskomittee vorstand, als Papst hat er die Gedanken nach Rom und in die Weltkirche mitgebracht, vieles findet sich auch weiter entwickelt in seiner Enzyklika Laudato Si wieder.

2007 war das, als sich die CELAM in Brasilien versammelt hatte, eben im Wallfahrtsort Aparecida. Papst Benedikt XVI. hatte die Versammlung eröffnet, danach wurde zwei Wochen getagt. Herausgekommen ist ein Dokument von knapp 300 Seiten, das bis heute die Pastoral in Lateinamerika prägt.

Es ist aber mehr als das. Entstanden ist ein Dokument der Reflexion und der Grundlagen. Ohne das Rad neu erfinden zu wollen sollte ein Weg für die Kirche für alle verstehbar und nachvollziehbar formuliert werden. Und das ist geglückt.

Dynamik, nicht bloß Worte

Was beim Lesen vor allem auffällt ist die Dynamik, die sich durch den Text zieht. Es ist keine bloße Rhetorik, die Kirche versteht sich als gegründet und gesandt, man fordert die „Dynamik des Samariters“ für das eigene Tun. Auch das ein Thema, das Kardinal Bergoglio als Papst immer wieder nennt. Jüngerschaft und Mission seien zwei Seiten derselben Medaille, so das Dokument. Man sieht die Kirche in dieser Dynamik des Rufes Jesu, der Folgen haben muss für das eigene Leben.

Sehr deutlich fällt immer wieder die Ablehnung aller Formen der Vereinfachung der Realität aus, man wehrt sich gegen zu schnelle Lösungen und zu einfache Analysen. Ebenso wehrt man sich deutlich gegen die Fluchtbewegungen in „tröstliche Vorstellungen, in Echtzeit, live“; tröstende Phantasien könnten die Realität nicht ersetzen. Hier käme eine internationale und standartisierte Kultur zum Tragen, die lokale Traditionen missachte und indifferent gegenüber Unterschieden sei. Es sei eine „kulturelle Kolonisierung“, die von statten gehe. Deutlicher kann man in Lateinamerika nicht werden: Konsumkultur ist Kolonisierung.

Wider die Vereinfachungen

Auffällig ist weiterhin, dass einige Passagen in Gebetssprache verfasst sind. Es bleibt nicht bei der abstrakten Analyse. Der Dank spielt eine wichtige Rolle, aber ebenso die Klage über fehlenden Enthusiasmus, über die eigenen Mängel und Schattenseiten.

Herausgekommen ist etwas, womit Christen nicht nur in Lateinamerika etwas anfangen können. Deutliche Analysen über die Zersetzungskräfte der Gesellschaft, aber auch Hoffnung für das eigene Beten und Tun. Perspektiven nicht nur für die Kirche als Ganzes, sondern ganz konkret für die einzelnen Gemeinschaften und Pfarreien, in denen Kirche lebt.

Für den ganzen Kontinent

Die entscheidende Formulierung steht in Nr. 263:

„Wir verpflichten uns, eine große Mission im ganzen Kontinent durchzuführen. Sie wird uns abverlangen, alles, was wir denken und was uns bewegt, tiefer zu erfassen und einfallsreicher darzulegen, damit jeder Gläubige ein missionarischer Jünger werden kann“. Aus dem Papier wird so ein Prozess, der bis heute durch die Bistümer und Pfarreien geht, immer unterschiedlich, je nach Bedürfnis oder Fragestellung. Aber hier in Lateinamerika gibt es die lebendige Umsetzung eines Papiers zum Anfassen. Es soll die Kirche im Sinn des Konzils umformen, man setzt auf nichts weniger als „ein neues Pfingsten“.

In seiner Eröffnungsansprache hatte Benedikt XVI. von der „Kultur des Lebens“ gesprochen, die auf der Förderung des ganzen Menschen beruhen müsse, was die Priorität des Glaubens genauso umfasst wie das Beseitigen sozialer Ungerechtigkeiten. Das Dokument aus Aparecida will genau das umsetzen. Es lohnt sich ein Neu-Lesen, auch, aber nicht nur, anlässlich der Papstreise in diesen Tagen.

 

P.S.: Zur Erinnerung – ich selber bin gerade in Brasilien unterwegs, bitte sehen Sie mir nach, wenn nicht alle Kommentare sofort erscheinen, ich werde nicht dauernd online sein.

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Papstreise, Sprechen von Gott, Zweites Vatikanisches KonzilSchlagwörter #SinodoAmazonico, Aparecida, Bergoglio, Dokument, Kirche, Konzil, Lateinamerika10 Kommentare zu Lateinamerika – Konsumkultur ist Kolonisierung

Koordinieren, nicht herrschen: El Krausismo

Veröffentlicht am 14. Februar 201913. Februar 2019
Ausüben von Autorität: Platon Der erste der großen Staatsphilosophen: Platon. Büste in den Kapitolinischen Museen, Roma

Es beginnt mit Platon. Die Philosophie des Staates, oder das Nachdenken darüber, wie sich Gesellschaft Organisiert und Regeln gibt. Und wer genau diese Regeln geben soll. Es geht immer auch um das Ausüben von Autorität. Einig sind wir Menschen uns seitdem nicht geworden, aber Ideen haben wir viel mehr bekommen.

Zum Beispiel von einem der wirkmächtigsten deutschen Philosophen: Karl Christian Krause? Bitter wer? Genau. Krauses Theorien prägen einen ganzen Kontinent, nämlich den lateinamerikanischen. Deswegen ist der Mann bei uns so gut wie unbekannt.

Ausüben von Autorität

Und weil seine Bedeutung vor allem in Lateinamerika liegt, hat seine Schule einen spanischen Namen: El Krausismo. Und wie Sie jetzt schon richtig vermuten: Das ist etwas, was unser Papst mit nach Europa gebracht hat. Oder das er kennt und von dem er beeinflusst ist.

Der „Krausismo“ ist die Staatsphilosophie schlechthin in weiten Teilen Lateinamerikas. Vor allem Argentinien und Uruguay, aber auch Mexiko, Brasilien, Ecuador und viele andere Länder kennen den „Krausismo“ als eine integrierende Philosophie von Gesellschaft und Staat, mit der man viele aktuelle Probleme anpacken und lösen kann.

Politischer Harmonismus

Religiös ist er nicht so interessant für uns, als Freimaurer – auch wenn er da rausgeworfen wurde – und als Panthers steht er dem katholischen Glauben fremd gegenüber. Aber seine politischen und gesellschaftlichen Ansichten und damit sein Reden über Ausübung von Autorität kann uns vielleicht interessieren.

Bei Krause geht es um einen sozialen und politischen „Harmonismus“, also um die Aussöhnung der verschiedenen Interessen. Sein gesellschaftliches Denken sucht bewusst nicht den Klassenkampf und die Auseinandersetzung, der Krausismo wird als sozial integrierende Lehre präsentiert.

„Die Menschheit soll Ein organisches, harmonisch belebtes Ganzes seyn. Alle Menschen sollen wie Ein großer, allgebildeter Geist, wie Ein schöner, allgesunder, kraftvoller Leib, wie Ein großer Mensch leben, in Einer allseitigen Harmonie mit Gott, mit Vernunft, mit Natur, in vollendetem inneren Ebenmaß und Wohlordnung, in Tugend, Gerechtigkeit, Innigkeit und Schönheit.“ Zitat.

Ein harmonisch belebtes Ganzes seyn

Es fallen Begriffe wie Gewissens- und Religionsfreiheit, freiheitliche Selbstbestimmung, dazu die Harmonisierung durch einen koordinierenden, nicht herrschenden Staat. Es ist ein praxisnahes Denken, nicht zu abstrakt, verantwortungsvoll gesellschaftlichen Problemen gegenüber.

Warum bringe ich das hier an? Weil wir hier und überhaupt um unseren Papst herum immer auch eine Autoritäts-Debatte führen. Dass es in der Kirche Autorität gibt, steht außer Zweifel. Dass wir sie auf Jesus selbst zurück führen, ist auch klar. Nur darf es eben nicht bedeuten, dass Autorität gleichgesetzt wird mit den kulturell und historisch geprägten Ausformungen von Autorität. Das Ausüben von Autorität kann anders passieren, als wir es gewohnt sind und erwarten. Und das kann dann verwirren. Oder zu „Dubia“ führen.

Franziskus-Padarox, revisited

Vor einem Jahr hatte ich das hier Das Franziskus-Padarox genannt. Unsere Vorstellung von der Ausübung von Autorität ist, dass der Ort der Autorität von Stärke und Entscheidung geprägt ist. Dass jemand der Papst Autorität wahrnimmt dadurch, dass er nicht autoritativ agiert, verwirrt. Er will nicht die Konfrontation, die er wenn möglich mit einem Machtwort entscheiden kann. Sondern einen Verlauf, einen Prozess.

Wir haben jetzt mit der Kinderschutz-Koneferenz wieder ein wichtiges Ereignis vor uns. Viele werden versuchen, den Event zu prägen. Vor allem medial. Papst Franziskus könnte auch hier ein Machtwort sprechen. Aber gerade in dieser Debatte, in der Debatte um Missbrauch und Vertuschung und Aufarbeitung und Prävention, ist Macht ja das Problem. Nicht die Lösung.

Vielleicht lohnt sich also, sich alternative Modelle von Ausübung von Autorität anzusehen. Man muss ja nicht gleich Krause studieren. Ein Reflektieren der eigenen Erwartung führt da vielleicht schon weiter.

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Autorität, Krause, Lateinamerika, Leitung, Papst Franziskus, Philosophie, Staats35 Kommentare zu Koordinieren, nicht herrschen: El Krausismo

Selbstverpflichtungen

Veröffentlicht am 19. November 2015
Pater Jon Sobrino SJ
Pater Jon Sobrino SJ

Vielleicht wäre es eine gute Idee, eine Bischofssynode zum „Katakombenpakt“ der Bischöfe nach dem Konzil zu machen. Das sagte in einem Journalistengespräch der Befreiungstheologe Jon Sobrino, der zu einer Konferenz in Rom war. Dieser Pakt ist nicht wirklich bekannt, mehr dazu hier, aber auch in anderen Teilen der Welt – selbst in Lateinamerika – war er in Vergessenheit geraten.

Warum jetzt also erneutes Interesse und sogar die zugegeben etwas wilde Idee Sobrinos? Nicht, um eines historischen Ereignisses zu gedenken, so interessant das auch sein mag. Es geht um einen „Aufruf an die Menschen heute“, sagt Sobrino. Nicht um die Rehabilitierung oder Würdigung von etwas Vergangenem. Armut ist heute eine Realität, anders vielleicht als früher, es gibt weniger davon, international. Aber der Aufruf bleibe bestehen.

Es geht also um die Idee. Es geht um die Armen und um die Frage der Glaubwürdigkeit. Papst Franziskus nennt es die „arme Kirche für die Armen“. Die Kirche soll arm und dienend sein. Die Frage lautet also, wie das heute aussehen kann und muss. Wie sieht konkrete Solidarität aus? Was darf man haben, benutzen und einsetzen, was nicht? Was heißt das für Lebensstil und die Frage einer doch eher bürgerlichen Religion, wie sei bei uns existiert?

Die Bischöfe hatten im Katakombenpakt von „wir“ gesprochen, sie haben im Plural gesprochen, sagt Sobrino. Nicht ein Papst spreche, eine Konferenz, auch nicht ein Bischof mit seiner Meinung, sondern eine Gruppe sprach. Das war damals neu. Außerdem richtete sich dieses „wir“ sozusagen nicht an andere und sprachen andere an, sondern ging eine Selbstverpflichtung ein. Es ging also erst um die Bischöfe selber, nicht darum, was andere zu machen hatten.

Es geht, so Sobrino, um die Frage der Glaubwürdigkeit der Bischöfe und die Frage der Armut. Die Bischöfe von Lateinamerika hatten festgestellt, dass es oft an ihnen liege, dass die Kirche unglaubwürdig sei. Der Katakombenpakt selber war lange Jahre nicht präsent, auch in Lateinamerika nicht. Dass er jetzt wiederentdeckt wird, ist ein gutes Zeichen. Es dürfe bloß nicht im „damals“ stecken bleiben, er dürfe auch nicht nur einfach wiederholt werden, er müsse aktualisiert werden.

Ob das dann gleich eine Bischofssynode sein muss, das lasse ich mal dahin gestellt. Aber dass sich die Weltkirche dieser Frage stellen muss, über Lateinamerika hinaus, das liegt finde ich auf der Hand. Papst Franziskus hat das in seinem Satz nur noch einmal klar herausgestellt. Es bleibt eine Anfrage an die Kirche.

 

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Glaube und GerechtigkeitSchlagwörter Armut, Befreiungstheologie, Bischofssynode, Glaubwürdigkeit, Jon Sobrino, Katakombenpakt, Lateinamerika, Papst Franziskus27 Kommentare zu Selbstverpflichtungen

Unser Lateinamerika

Veröffentlicht am 2. Juli 20152. Juli 2015

„Mit unseren Kenntnissen von Lateinamerika zählen wir zu den Unterentwickelten dieser Erde, sehr zu unserem eigenen Nachteil. Wir Europäer denken an dortige soziale Ungerechtigkeit und Armut, an fehlende Freiheiten und Menschenrechte. Wir sehen ein Feld der Konfrontation von Großmächten. Unsere eigenen ideologischen Kämpfe verstärken wir mit halb verstandenen lateinamerikanischen Parolen. Zugleich suchen wir Wirtschaftsbeziehungen, Rohstoffe und Absatzmärkte. (..) Das Gefühl politischer und geistiger Überlegenheit der alten Welt hat sich in den Glauben an einen Entwicklungsvorsprung verwandelt, den wir uns in der modernen Welt der Technik und Wirtschaft gegenüber Lateinamerika zuerkennen. So prägen noch immer eine Mischung von Interessen und Unkenntnis, von Gleichgültigkeit und Zukunftssorge unseren lateinamerikanischen Horizont.“

Richard von Weizsäcker 1984, bei der Laudatio für den Friedenspreisträger Octavio Paz. Vielleicht müssten wir heute noch die Wachstumsmärkte Brasiliens dazu nennen, aber im Großen und Ganzen stimme ich der Beschreibung des ehemaligen Bundespräsidenten auch heute noch zu.

Nicht wissen ist dabei noch nicht einmal das wirkliche Problem, der zweite Halbsatz Weizsäckers spricht das echte Problem an: Wir glauben zu wissen.

Das Sprechen über den „lateinamerikanischen Papst“ hat das noch einmal zu Tage gebracht, vieles wird exotisiert und ist in dieser Fremdheit irgendwie ungefährlich. Es stammt ja aus Lateinamerika. „Ah, ach so. Dann gehört das ja dahin. Jetzt verstehe ich“, erklärt man sich.

Nehmen wir das Sprechen über den Teufel und die Dämonen, das ist vielleicht das deutlichste Beispiel. Das wird in unseren Denk- und Sprechkontexten als „Fremdes“ markiert, das nach Lateinamerika gehört. Das ist dann entweder exotisch und betrifft uns nicht, wie ein schickes Souvenier, das aber nicht wirklich in unsere Welt gehört. Oder wir werten das mit unseren eigenen Kategorien, als „noch-nicht-so-aufgeklärt-wie-wir“. Die Reise des Papstes ab Montag ist eine Möglichkeit, die kirchliche Realität neu kennen zu lernen. Jedenfalls ein Stück.

Und die Reise wird und zeigen, dass es sich lohnt.

Kategorien Allgemein, Franziskus, PapstreiseSchlagwörter Bolivien, Ecuador, Franziskus, Lateinamerika, Papst, Papstreise, Paraguay14 Kommentare zu Unser Lateinamerika

Befreite Befreiungstheologie

Veröffentlicht am 18. Mai 201514. Mai 2015

Befreiungstheologie ist für kurze Zeit wieder Thema. Aber leider nur als Konflikt. Für den Inhalt interessieren sich nach wie vor nur sehr wenige. Als vor einigen Tagen Pater Gustavo Gutierrez, der mit seinem Buch „Theologie der Befreiung“ Namensgeber dieser theologischen Richtung ist, an einer Pressekonferenz im Vatikan teilnahm, wollte gleich die erste Frage, später dann noch einmal zwei Fragen, wissen wie es um den Streit und die Ablehnung und die Verurteilung der Befreiungstheologie stehe. Ein Journalist meinte sogar fragen zu sollen, ob die Seligsprechung von Oscar Romero und anderen nicht wie der Berliner Fall der Mauer zwischen Vatikan und Befreiungstheologie sei. Ich selber habe auch Interviewanfragen bekommen, die dann aber zurückgezogen wurden, weil sich nicht wirklich ein Konflikt abzeichnete (jedenfalls vermute ich hier den Rückzug). Gutierrez selber Gustavo Gutierrez, die Befreiungstheologie sei „nie, nie verurteilt“ worden.

Dominikanerpater Gustavo Gutierrez bei der PK im Vatikan
Dominikanerpater Gustavo Gutierrez bei der PK im Vatikan

Da meist zitierte Dokument – wenn denn überhaupt eines zitiert wird – ist „Libertatis Nuntius“, über einige Aspekte der Theologie der Befreiung“ [übersetzt: Botschacht der Freiheit, veröffentlicht 1984]. Hier warnt der Vatikan vor Theorien, die marxistisch, nicht christlich begründet sind. Oder in den Worten des Textes selber: „Sie will die Aufmerksamkeit der Hirten, Theologen und aller Gläubigen auf die Abweichungen und die Gefahren der Abweichung lenken, die den Glauben und das christliche Leben zerstören, wie sie gewisse Formen der Theologie der Befreiung enthalten, die in ungenügend kritischer Weise ihre Zuflucht zu Konzepten nehmen, die von verschiedenen Strömungen des marxistischen Denkens gespeist sind.”

 

Keine Verurteilung

 

Aber auch hier gleich die Einschränkung im nächsten Satz: „Diese Warnung darf in keiner Weise als eine Verurteilung all derer ausgelegt werden, die hochherzig und im authentischen Geist des Evangeliums auf die „vorrangige Option für die Armen“ antworten wollen. Sie darf in keiner Weise denen zum Vorwand dienen, die sich angesichts der tragischen und drängenden Probleme des Elends und der Ungerechtigkeit hinter einer Haltung der Neutralität und der Indifferenz verschanzen. Im Gegenteil, sie ist von der Gewißheit bestimmt, daß die tiefgreifenden ideologischen Abweichungen, die sie anzeigt, unabdingbar dazu führen, die Sache der Armen zu verraten. Mehr denn je ist es erforderlich, daß die zahlreichen Christen, die in ihrem Glauben erleuchtet und dazu entschlossen sind, ein christliches Leben ohne Abstriche zu führen, sich aus Liebe zu ihren enterbten, unterdrückten und verfolgten Brüdern im Kampf für Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenwürde einsetzen. Mehr denn je will die Kirche die Mißbräuche, die Ungerechtigkeiten und die Verstöße gegen die Freiheit verurteilen, wo immer sie begegnen und wer immer sie anzettelt, und mit den ihr eigenen Mitteln kämpfen, um die Menschenrechte, insbesondere in der Person der Armen, zu verteidigen und zu fördern.”

Den Text habe ich deswegen so ausführlich zitiert, weil er zeigt, dass es nicht um die Ablehnung von Freiheit oder ein Wegschauen geht, wo Unterdrückung herrscht. Leider ist das medial aber anders gespielt worden und der Satz „der Vatikan war/ist gegen Befreiungstheologie“ gehört zum Standartrepertoire eines normalen mitteleuropäischen Christen. Und er ist falsch. Weiterlesen „Befreite Befreiungstheologie“

Kategorien Allgemein, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Rom, Sprechen von Gott, VatikanSchlagwörter Befreiung, Befreiungstheologie, Gutierrez, Lateinamerika, Ratzinger, Streit, Theologie, Vatikan11 Kommentare zu Befreite Befreiungstheologie

Beobachtungen eines Beobachters

Veröffentlicht am 13. Oktober 201216. Oktober 2012

Bischofssynode, 6. Tag, Samstag

Nach fast einer Woche Tagung – öfters durch Feiern und Grundsatzansprachen unterbrochen –  zeichnen sich bei der Bischofssynode im Vatikan einige erste Linien ab, die ich weitergeben möchte. Es sind lediglich persönliche Beobachtungen und fassen sicherlich nicht die ganze Diskussionen zusammen. Es sind nur erste Eindrücke.

 

Ad intra oder ad extra?

Liegt der Beginn einer erfolgreichen und guten erneuerten Verkündigung nun in den Verkündigern selber oder in der Struktur der Kirche und ihrer Methode bzw. in der Art und Weise der Verkündigung? In Kürze formuliert: Innen oder Außen? Nach den Gewichtungen in dieser Frage lassen sich viele Beiträge den bisherigen Versammlungen der Bischofssynode ordnen.

Die ad-intra-Schule spricht von Umkehr, vom Bekenntnis der eigenen Fehler und der eigenen Schwächen, aber auch vom Finden er eigenen Berufung aller Christen. Nur in der persönlichen Begegnung mit Christus und in der Treue zu seiner Lehre finde man die Authentizität und die Energie zur erneuerten Verkündigung.

Die ad-extra-Schule spricht von Kommunikation und deren Änderung, vom Umbruch sozialer und ökonomischer Strukturen etc. Sie betont unter anderem die Wichtigkeit der katholischen Soziallehre, der Bildung, der Familien als Orte der Evangslisierung, die Ausbildung von Katecheten.

Selten sind Beiträge, die beide Seiten verbinden, den wichtigsten hat der Papst selber geliefert, als er am Donnerstagabend von der Sünde in der Kirche sprach, die zu struktureller Sünde werden könne: Bürstet man die Ansprache des Papstes etwas gegen den Strich, dann macht sie deutlich, dass innen und außen letztlich nicht zu trennen sind, auch wenn man sie systematisch getrennt behandeln muss. Weiterlesen „Beobachtungen eines Beobachters“

Kategorien Allgemein, Glaube und Vernunft, Rom, Vatikan, Zweites Vatikanisches KonzilSchlagwörter Aparecida, Bischofssynode, evangelii nuntiandi, Jüngerschaft, Konzil, Lateinamerika, Methode, neue geistliche Gemeinschaften, Option für die Armen, Puebla, Redner, Verkündigung2 Kommentare zu Beobachtungen eines Beobachters

¡Libertad!

Veröffentlicht am 25. März 201222. März 2012

„Ein Journalist hat Mahatma Ghandi einmal gefragt, was er von der westlichen Zivilisation halte. Und Ghandi hat geantwortet: Das wäre eine schöne Idee! Nun, die Unabhängigkeit Lateinamerikas wäre auch so eine ‚schöne Idee’, sie wurde nur noch nicht umgesetzt.“

Eduardo Galleano, Philosoph und Schriftsteller aus Uruguay, ist im Gespräch mit Radio Vatikan skeptisch, was die Unabhängigkeit Lateinamerikas angeht. 200 Jahre lang sind die Staaten jetzt eigenständig, 2010 haben Chile und Bolivien mit den Feierlichkeiten begonnen, bis 2023 werden sie sich ausdehnen, je nachdem, wann ein Land seine Unabhängigkeit erklärt hat.

Ein Grund für die Reise des Papstes nach Lateinamerika ist diese Zeit der Feiern, El Bicentenario. So wird er in León an diesem Sonntag eine Messe in einem Park feiern, der eigens für die Jubiläumsfeiern angelegt wurde. Es wird ihm um Hoffnung und um Zuversicht gehen, was die Entwicklung der Länder angeht, die er besucht: Hoffnung in der Auseinandersetzung mit dem Drogenkrieg in Mexiko, Zuversicht beim Wandel in Kuba. Aber auch die übrigen lateinamerikanischen Länder sind gemeint.

Galleano ist skeptisch, aber nicht nur das:

„Ich glaube, dass auf diesem Kontinent zur Zeit wichtige Dinge geschehen. Es ist wie eine Art Wiedergeburt in einigen Lateinamerikanischen Ländern, die ein Bewusstsein für ihre Würde entwickeln, das verloren schien. Oder zumindest betäubt. Und das jetzt mit großer Kraft erwacht.“

Kategorien Allgemein, Benedikt XVI., PapstreiseSchlagwörter Benedikt XVI., Kuba, Lateinamerika, Libertad, Mexiko, Unabhängigkeit1 Kommentar zu ¡Libertad!

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