Drei göttliche Personen im Himmel, die beraten, wer von ihnen denn nun Mensch werden soll: Es ist eine der beim Lesen skurril anmutenden Texte aus dem Exerzitienbuch des Ignatius von Loyola. Wenn man die Exerzitien macht und nicht nur liest, dann ist man an dieser Stelle bereits eine Woche lang geistlich unterwegs. Man hat die Geschöpflichkeit der Welt meditiert, die eigene Beziehung zum Schöpfer, man hat das „Ich“-sagen vor Gott bewusst gemacht, gemeinsam mit dem Blick auf die eigene Schwäche und Sünde, der Fehlbarkeit und der Bedürfigkeit vor dem Hintergrund der liebenden Zusage Gottes. Wenn mir der Super-Schnell-Lauf hier mal gestattet ist.
Und nun der Beginn der zweiten Woche, die mit der Menschwerdung beginnt. Die Übung, die Ignatius anleitet, beginnt mit einer Hinführung:
„Die Geschichte der Sache herbeibringen, die ich zu betrachten habe. Hier ist dies: Wie die drei göttlichen Personen die ganze Fläche oder Rundung der ganzen Welt voller Menschen schauten und wie, da sie sahen, dass alle zur Hölle abstiegen, in ihrer Ewigkeit beschlossen wird, dass die zweite Person Mensch werde, um das Menschengeschlecht zu retten; und so senden sie, als die Fülle der Zeiten gekommen ist, den heiligen Engel Gabriel zu unserer Herrin“.
‚Herbeibringen‘ ist hier die Anweisung, sich das schweigend in der Meditation vorzustellen, nicht nur abstrakt zu bedenken.
Weihnachten: Gott wird Mensch
An diese Übung wurde ich neulich erinnert, als ich ein Bild von eben dieser Szene gesehen habe. Es stammt aus dem 15. Jahrhundert und ist damit ein halbes Jahrhundert älter als die Worte des Ignatius. Der hat ja bekanntlich nicht alles erfunden, sondern er hat gut zusammen gestellt.
Auf dem Bild sieht man die drei. Daneben dann das Resultat, wenn man so will, die Begegnung der schwangeren Frauen Maria und Elisabeth.
Diese Übung habe ich einige Male in Exerzitien gemacht, das schwerste daran war für mich immer die Anstrengung, die es kostet, sich das Ganze wie den Olymp und die griechische Götterwelt vorzustellen. Als gäbe es Drei Personen in dem Sinn als ob drei getrennt existierende Wesen um den Tisch versammelt diskutierten: Du. Nein Du. Oder doch vielleicht er? Oder sie?
Da wird man wirr im Kopf
Da wir außerdem vom Ergebnis her auf die Übung schauen, weil wir wissen, wer Mensch wurde, klingt das doppelt schwierig. Was soll es schon für Argumente geben? Und wie sollen wir verstehen, was genau der Sohn ist, wenn die Möglichkeit bestanden haben sollte, dass nicht der Sohn, sondern der Vater Mensch wird? Da wird man ganz wirr im Kopf.
Aber wie bei allen Übungen des Ignatius geht es gar nicht um dogmatische Aussagen, die gelernt werden sollen, sondern um innere Prozesse, um Gebet.
Hier geht es – Stichwort Hölle – darum dass Gott den Menschen nicht sich selbst überlässt. Dass die Frage nach dem Schicksal der Menschen im inneren Gottes, in den Personen, Widerhall findet. Das ist eben kein olympischer Gott, der aus seiner Distanz heraus handelt.
Kein olympischer Gott
Menschwerdung, das ist eben nicht etwas huldvoll-herablassendes. Gott selber involviert sich, und zwar nicht „erst“ auf der Erde, bei der Geburt Jesu, sondern bereits im Entschluss. Gott ist ganz involviert, die Einheit der drei Personen, so schwer das auch zu verstehen ist. Der menschgewordene Gott ist keine „Abteilung“ Gottes, nur ein Drittel, sozusagen. Das ist ganz-Gott.
Es ist Weihnachten. Wir feiern diese Menschwerdung. Das Bild und die Ignatius-Übung helfen mir dabei, die Fragezeichen offen zu halten. Wir haben nicht alle Antworten auf das Fest. Der Ursprung – das wollen und Bild und Übung sagen – liegt in Gott selbst. Gott sieht, auch wenn das fürchterlich formuliert ist weil Gott eben kein Mensch ist, Gott fühlt und liebt, Gott reagiert und macht die Geschichte des Menschen zu Gottes Geschichte.
Innere Erkenntnis
Die Übung hat noch eine zweite und eine dritte „Hinführung“. Die dritte ist in den Übungen immer eine Bitte, und mit der möchte ich diese Weihnachts-Gedanken abschließen und Ihnen ein gesegnetes Fest wünschen.
Diese Bitte sagt uns, worum es bei dem Fest, bei der Menschwerdung, für uns geht:
„Innere Erkenntnis des Herrn erbitten, der für mich Mensch geworden ist, damit ich mehr ihn liebe und ihm nachfolge.“