Es gibt Gründe für Kirchenaustritte und Anlässe dazu. Ersteres sind langfristige Entwicklungen, bei denen viele Faktoren eine Rolle spielen, letzteres sind Ereignisse wie die Missbrauchsfälle oder jetzt Limburg. In der vergangenen Woche sind diese Zusammenhänge neu diskutiert worden, für meine Samstagssendung habe ich dazu ein Interview gemacht mit einem Religionssoziologen, der das ein wenig auseinander dröselt.
Zwei Dinge bleiben mir hängen: Mehrfach betont Detlef Pollack, dass es schon einen ziemlich gewichtigen Grund braucht, um auszutreten, denn meistens haben Christen eine Verbindung mit der Kirche, die nicht einfach zu erschüttern ist. Und das kommt aus der religiösen Sozialisation, aus Kindheit und Jugend. Im Unkehrschluss bedeutet dass also, dass bei immer weniger Jugendarbeit, Religionsunterricht, Kinder-Gottesdiensten mittel- und langfristig auch keine tiefgehenden Bindungen an die Kirche(n) mehr entstehen können. Wenn man Menschen gewinnen will, dann muss man sich früh und ernsthaft um sie bemühen. Da kommt der Jugendseelsorger in mir noch einmal durch.
Zweitens warnt mein Interviewpartner aber auch davor, zu glauben, die Kirchen selber könnten sehr viel an der Einstellung der Menschen verändern. Im Sinne von: Viel Reform bringt viel Glaubwürdigkeit bringt viel Identifizierung. So einfach ist es nicht.
Die beiden Aussagen kann man als Widerspruch sehen, ich lese das aber anders: Wer auf Kirchenmitgliedschaft blickt, verfehlt sein Ziel. Wer sich den Menschen zuwendet – wie es ja die letzten Jahrzehnte auch schon geschehen sei, wie Prof. Pollack betont – der hat überhaupt noch eine Chance, glaubwürdig zu sein. Aber auch das wird keine Wunder wirken.
Die Alternative aber wäre noch schlimmer: Ein sich Abfinden mit dem Weglaufen, ein sich nicht um die Fragen und Vorbehalte kümmern, ein nicht hören wollen. Das wiederum würde garantieren, dass die Zahlen nicht nur nicht abnehmen, sondern dass immer mehr Menschen sich abwenden.