Es war ein langer Text. Papst Franziskus hat an diesem Donnerstag – für uns Europäer in der Nacht – die Bischöfe Lateinamerikas angesprochen und eine Art Grundsatzrede gehalten. Eine Art? Es war irgendwie eine Fortsetzung der Rede, die er vor vier Jahren vor denselben Bischöfen in Rio de Janeiro gehalten hat, und das hat er auch genau so formuliert.
Der Papst ist in Kolumbien, und Kolumbien ist auch das Thema, selten spricht der Papst in Predigten so konkret über die Situation eines Landes wie er es gestern Nacht bei der Messe getan hat. Die Ansprache vor dem Lateinamerikanischen Bischofsrat CELAM aber war an alle gerichtet. An ganz Lateinamerika, und überhaupt an die Kirche.
Während ich den Text bei der Live-Übertragung vorlas, war es aber weniger der Gesamt-Text, der mich gepackt hat. Vielleicht lag es an der nächtlichen Stunde, aber bei mir haben sich dieses Mal vor allem einzelne Sätze festgehakt.
Perlen-Sätze
Er sprach gegen die Ideologisierung der Botschaft des Evangeliums, gegen den kirchlichen Fundamentalismus, den Klerikalismus, es sind Sätze wie aus Evangelii Gaudium. Und auch dieser Satz, hätten im Papstschreiben stehen können, und vielleicht tut er es auch in leichter Variation: „Denn ohne Freude zieht man niemanden an“. All die Griesgrämigkeit, die Verbissenheit, das Besserwissertum haben auf einmal keine Kleider mehr an.
Da kann er noch so sehr gegen „Sakralfunktionäre“ sprechen, gegen „Konzeption der Kirche als einer Bürokratie“ oder die Kirche als „eine nach modernen Unternehmenskriterien durch eine klerikale Kaste geleitete Organisation“, das alles ist richtig und wahr und wie in Evangelii Gaudium, aber die Dramatik steckt in anderen Sätzen.
Satz Zwei zum Beispiel, den mein Stift noch beim Vorlesen umrahmt hat, begründet sein drastisches Sprechen von all diesen Versuchungen, die ich gerade aufgezählt habe. Die Begründung ist einfach: „Weil die Erlösung, die Christus uns bringt, immer auf dem Spiel steht.“ Da schweigt der Kritiker. Die schlichte, wahre Aussage: Es kann auch schief gehen. Der Triumph Christi ist nicht gleich auch der Triumph der Kirche, nicht gleich auch unser Triumph, wir können das – einzeln und als Gruppe – verspielen. Weiterlesen “Jesus ist kein Angst-Macher”