Einen Vortrag von einer Stunde in zwei Sätzen zusammenzufassen, ist eine sportliche Herausforderung, aber meine Kollegin Christine Seuss versucht es: Wie katholisch ist die evangelische Kirche? Sie ist ganz und gar katholisch, da sie wie alle anderen christlichen Kirchen im Glaubensbekenntnis bekennt, eine katholische Kirche zu sein. Christoph Markschies, evangelischer Theologe und ehemaliger Präsident der Berliner Humbolt Universität, hielt in der lutherischen Gemeinde in Rom einen Vortrag zu genau diesem Thema.
Die zweite Frage war, wie katholisch sollte sie sein? Sie sollte ihr „katholisch Sein“ offen annehmen, und sich nicht davor scheuen, dass sie mit ihrer katholischen Schwesterkirche dasselbe Attribut „katholisch“ teilt. Sie sollte sich aber andererseits nicht bemühen, gleichsam alles zu übernehmen, was die römisch-katholische Kirche an eigenen Identitätszeichen hat, sondern sollte versuchen, ihre eigene Form von evangelischer Katholizität zu leben.
„Ich denke, der Papstbesuch hatte insbesondere innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland Wirkungen. Man hat vor allem über die Freiburger Rede, soweit ich das als evangelischer Christenmensch wahrnehme, sehr intensiv diskutiert. Ich glaube nicht, dass wir – wie man manchmal sagt – in einer ökumenischen Eiszeit leben, sondern wie alle Dinge hat auch die Ökumene ihre Höhen, in denen man sehr euphorisiert davon spricht dass es „morgen den großen Durchbruch“ gebe und es gibt auch Phasen, die vielmehr als Ernüchterung einem stärkeren Realismus verpflichtet sind und in denen man erkennt, über wie viele Dinge eigentlich noch zu reden wäre. Gleichzeitig ist es aber so, dass aufgrund der zunehmenden Entchristlichung, die es natürlich auch in Deutschland gibt, die Notwendigkeit, als Christenmenschen gemeinsam unseren christlichen Glauben zu bekennen, immer größer wird. Die theologischen Subtilitäten, die ich als Theologe natürlich besonders liebe, können nur noch wenigen Menschen vermittelt werden. Die möchten hingegen gerne wissen, warum man Christ sein soll, und nicht, weshalb man Lutheraner, Reformierter, traditionell glaubender römisch-katholischer Christenmensch, oder eher liberal glaubender Christenmensch sein soll. Die Bedeutung der Unterschiede wird also geringer und damit die Notwendigkeit für die Theologen, Einigungen vorzubereiten, größer.“
Ist der Papst auf einem gutem Weg zur Einigung?
„Ich würde mir manchmal wünschen, dass der jetzige Papst etwas wagemutiger wäre, und seine ökumenischen Hoffungen, die er hat, noch etwas entschlossener ausdrücken möge. Ich glaube, man muss manchmal theologisch wagemutig sein und Hoffnungen und Visionen nicht bis zuletzt mit allen Subtilitäten absichern, so wie das bei Jesus von Nazareth ja auch ist, sondern die Visionen auch zu formulieren und zu versuchen, sie Wirklichkeit werden zu lassen. Aber ich würde dazu auch gerne sagen, dass der Papst sicherlich kein Einzelfall ist, vielmehr sind wir alle nach einer Phase großer Euphorie ein wenig realistischer geworden. So wie man die Generation vorher manchmal zu einem etwas tieferen theologischen Nachdenken auffordern musste, muss man die Generation heute insgesamt, nicht nur einen einzelnen herausgehobenen Theologen und Kirchenführer, dazu auffordern, etwas fröhlicher, mutiger, tapferer, die Vision zu leben und auch umzusetzen.“