„Mit unseren Kenntnissen von Lateinamerika zählen wir zu den Unterentwickelten dieser Erde, sehr zu unserem eigenen Nachteil. Wir Europäer denken an dortige soziale Ungerechtigkeit und Armut, an fehlende Freiheiten und Menschenrechte. Wir sehen ein Feld der Konfrontation von Großmächten. Unsere eigenen ideologischen Kämpfe verstärken wir mit halb verstandenen lateinamerikanischen Parolen. Zugleich suchen wir Wirtschaftsbeziehungen, Rohstoffe und Absatzmärkte. (..) Das Gefühl politischer und geistiger Überlegenheit der alten Welt hat sich in den Glauben an einen Entwicklungsvorsprung verwandelt, den wir uns in der modernen Welt der Technik und Wirtschaft gegenüber Lateinamerika zuerkennen. So prägen noch immer eine Mischung von Interessen und Unkenntnis, von Gleichgültigkeit und Zukunftssorge unseren lateinamerikanischen Horizont.“
Richard von Weizsäcker 1984, bei der Laudatio für den Friedenspreisträger Octavio Paz. Vielleicht müssten wir heute noch die Wachstumsmärkte Brasiliens dazu nennen, aber im Großen und Ganzen stimme ich der Beschreibung des ehemaligen Bundespräsidenten auch heute noch zu.
Nicht wissen ist dabei noch nicht einmal das wirkliche Problem, der zweite Halbsatz Weizsäckers spricht das echte Problem an: Wir glauben zu wissen.
Das Sprechen über den „lateinamerikanischen Papst“ hat das noch einmal zu Tage gebracht, vieles wird exotisiert und ist in dieser Fremdheit irgendwie ungefährlich. Es stammt ja aus Lateinamerika. „Ah, ach so. Dann gehört das ja dahin. Jetzt verstehe ich“, erklärt man sich.
Nehmen wir das Sprechen über den Teufel und die Dämonen, das ist vielleicht das deutlichste Beispiel. Das wird in unseren Denk- und Sprechkontexten als „Fremdes“ markiert, das nach Lateinamerika gehört. Das ist dann entweder exotisch und betrifft uns nicht, wie ein schickes Souvenier, das aber nicht wirklich in unsere Welt gehört. Oder wir werten das mit unseren eigenen Kategorien, als „noch-nicht-so-aufgeklärt-wie-wir“. Die Reise des Papstes ab Montag ist eine Möglichkeit, die kirchliche Realität neu kennen zu lernen. Jedenfalls ein Stück.
Und die Reise wird und zeigen, dass es sich lohnt.