Religion und Gewalt ist wieder Thema, die Brutalität von Paris hat das neu auf die Tagesordnung gesetzt. „Eine doppelte Verurteilung“ hätte der Vatikan, betonte Vize-Pressesprecher des Vatikans Ciro Benedettini vor Journalisten: einerseits für den „schrecklichen Akt der Gewalt“ an sich und andererseits für das Attentat auf die Pressefreiheit, die genauso wichtig sei wie die Religionsfreiheit. Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit auf Augenhöhe, bereits einige Male hat der Vatikan das so gesagt, die beiden Päpste Franziskus und Benedikt vorweg, aber nie war dieser Satz so wichtig wie heute.
Einige Leute meinen nun, das Attentat mit den veröffentlichten Mohamed Karikaturen in Charlie Hebdo in Verbindung bringen zu können. Aber damit hat das nichts zu tun. Die Mörder haben sie Menschen nicht umgebracht, weil Charlie Hebdo Karikaturen veröffentlicht hat. Die Mörder haben Menschen umgebracht, weil sie „niedere Beweggründe“ hatten, wie das Juristendeutsch das eindeutig zuordnet. Die Morde sind nicht zu begründen und schon gar nicht zu rechtfertigen.
Wobei ich bei einer Rede wäre, auf die uns heute der Vatican Insider noch einmal aufmerksam gemacht hat, eine Papstrede über Religion und Gewalt und die Moderne und die Vernunft. Benedikt XVI. hat sie gehalten und sie ist als „Regensburger Rede“ in die Geschichte eingegangen, schnell zerrissen und dann vergessen.
Dem Wesen Gottes zuwider
Das Argument finde ich aber gerade jetzt bedenkenswert: Zuerst sprach Benedikt davon, dass „Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig ist. Sie steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele“. „Gott hat kein Gefallen am Blut … und nicht vernunftgemäß, nicht „σὺν λόγω” zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider“, zitiert Benedikt XVI. einen byzantinischen, klassisch-griechisch gebildeten oströmischen Kaiser, um dann fortzufahren: „Der Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Körpers. Wer also jemanden zum Glauben führen will, braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung… Um eine vernünftige Seele zu überzeugen, braucht man nicht seinen Arm, nicht Schlagwerkzeuge noch sonst eines der Mittel, durch die man jemanden mit dem Tod bedrohen kann…“.
Der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch Gewalt lautet: „Nicht vernunftgemäß handeln ist dem Wesen Gottes zuwider,“ eine theologische Aussage.
Benedikt XVI. fährt dann fort, über das in diesen Gedanken sichtbare Fundament zu sprechen, nämlich die in der griechischen Philosophie gegründete Vorstellung von Vernunft. Die Sorge, die er in der Rede zum Ausdruck bringt, ist die, dass die Forderung der Moderne, den Glauben zu „enthellenisieren“, Religion ins Subjektive verlegt. Weiterlesen „Das doppelte Verbrechen“