Der Papst will die „Umkehr der Strukturen“: In Evangelii Gaudium haben wir das zum ersten Mal gehört, auch wenn es da leider als „Neuausrichtung“ übersetzt ist, geschrieben hat der Papst „Umkehr“. Oder gar „Bekehrung“, „conversión“.
Wie schwierig das sein kann, sehen wir hier gerade in Rom. Der Aufreger des Tages ist die Tatsache, dass die Vatikanpolizei gemeinsam mit anderen Autoritäten wie der etwa der Stadtverwaltung Roms veranlasst hat, dass die vielen Obdachlosen, die unter den Kolonnaden des Petersplatzes schlafen, diesen Ort morgens, und zwar sehr früh morgens verlassen müssen.
Rückblick: Papst Franziskus und vor allem auch sein für Almosen zuständiger Erzbischof Krajewski haben in den vergangenen Jahren Aktionen für Obdachlose in Rom gestartet. Weil es hier in der Stadt warm ist und viele Touristen kommen, gibt es davon sehr viele. Für sie gibt es einen Friseur und eine Duschmöglichkeit, dem Papst geht es nicht nur ums Überleben, sondern auch um die Würde der Männer und Frauen. Und mit einigen von ihnen gemeinsam hat der Papst deswegen auch die Sixtinische Kapelle besichtigt.
Das erhöht natürlich die Attraktivität des Vatikan für Menschen auf der Straße. Auch in den Nebenstraßen leben jetzt viele, jede Nische wird zum Schutz vor dem Wetter genutzt.
Man sieht: Je mehr der Vatikan hilft, desto schwieriger wird es aber auch, wie die Entscheidung in dieser Woche zeigt.
In dem Jesuiten-Haus, in dem ich wohne, sind unten im Erdgeschoss Schlafmöglichkeiten für Obdachlose geschaffen worden, gemeinsam mit dem Vatikan. Es gibt eine Gruppe von Männern, die das gerne in Anspruch nehmen, Frauen finden woanders Unterkunft. Dann gibt es aber auch Männer, die das gar nicht wollen. Und es kommt Alkohol und dergleichen ins Spiel. Und damit Streit und Aggression, was einer der konkreten Auslöser der Entscheidung war, dass morgens um fünf Uhr die Schlafstätten geräumt werden müssen.
Sicherheit und Hygiene
Die Straßenreinigung muss putzen, hygienisch kann man das sonst nicht den Touristen und Pilgern zumuten. Ungesund für alle ist es auch, wenn man die Kolonnaden sich selbst überlassen würde. Außerdem ist der Petersplatz der Petersplatz, es geht auch um ein gewisses Dekorum. Das ist keine Show, es gehört aber zu einem Kirchplatz hinzu, dass er nicht aussieht wie eine Toilette.
Und dazu kommt auch die Sicherheit, wie uns der Chef der Vatikanpolizei, Domenico Giani, gesagt hat. Wenn die Obdachlosen unter Tage ihre Pappen und Kisten, unter denen sie schlafen, zurück lassen, dann ist das gefährlich. Wer sagt denn, dass ein Terrorist eine Bombe nicht genau da versteckt? Es sei den italienischen Kollegen nicht zuzumuten, dass dort so viele uneinsichtige Berge von Material lägen, die müssten die alle kontrollieren und sichern, sagt Domenico Gianni.
Ort der Zuflucht
Nachts dürfen die Männer – es sind vor allem Männer – dann wieder zurück, um dort zu schlafen. Auch haben sie Broschüren bekommen, in denen drin steht, wo man noch in Rom sicher unterkommen kann und wo man auch bleiben kann. Denn einer der attraktiven Punkte ist ja, dass der Petersplatz sicher ist, hier gibt es viel Polizei, hier werden Obdachlose nicht ausgeraubt und Opfer von Gewalt. Sicherheit ist wichtig.
Ich erzähle das so ausführlich, weil es eben ein Beispiel für den Prozess der Umkehr der Strukturen ist. Man macht einen Schritt, dann einen weiteren, und dann tauchen völlig neue Probleme auf. Probleme, die man ohne die Schritte vielleicht so nicht hätte.
Und trotzdem: Was kann dem Zentrum der katholischen Kirche besseres geschehen, als dass die am Rand unserer Gesellschaft Lebenden dort eine Zuflucht suchen und finden? Eigentlich ist das ein gutes Zeichen. Das muss nur jetzt in den Alltag übersetzt werden. Duschen und Friseur waren ein Schritt, jetzt braucht es weitere Schritte, um das umzusetzen.
Schrei-Kritik, wie wir sie hier in italienischen Medien hören, hilft da wenig. Als Christ freut mich, dass den Männern geholfen wird. Als Anwohner freut mich, dass es hygienisch bleibt. Und sicher. Das alles zusammen zu bekommen, ist nicht ganz einfach. Aber dass es einfach würde, hat auch nie jemand behauptet.