Wer Kirchen aus der eigenen Erfahrung kennt, für den ist Sankt Peter eine ganz besondere Welt. Selbst heute noch, wo wir übergroße Räume aus Film und aus Stadtwelten mehr kennen als früher scheint dieser Raum riesig groß zu sein. Und ist es ja auch.
Saal der verlorenen Schritte – so nennt Émile Zola Sankt Peter bei seiner Reise 1894. Er hat über seine Reise eine Tagebuch geschrieben, das unlängst auf deutsch (neu) herausgegeben wurde. Sehr hart geht der französische Groß-Intellektuelle mit der Stadt um, und auch Sankt Peter bekommt so einiges ab. So bemängelt er, dass man nirgendwo eine Kerze anzünden könne, eine Frömmigkeitsübung, die er aus Frankreich gut kennt.
Aber Sankt Peter ist kein normaler Ort.

Seit sieben Jahren lebe ich nun schon hier und immer wieder gehe ich in diese Kirche hinein. Sie ist faszinierend, aber auch irgendwie komisch. Ein richtiger Ort des Glaubens wird sie nur, wenn der Papst darin Messe feiert und große Massen versammelt sind. Aber dafür ist sie ja eigentlich nicht gebaut, sondern zur Repräsentierung, auch zum Angeben – wenn man sich einige Portraits verstorbener Päpste ansieht – als Ort eines egomanischen Künstler-Genies (Bernini) und als vieles mehr.
Nur die Akustik ist schlecht. Kein Wunder bei einer Kirche, die vor allem fürs Schauen gebaut ist.
Aber Zola hat schon recht, wenn man morgens um sieben dort hinein geht, dann ist die Kirche so leer wie sonst nie und man erlebt sie so, wie er sie erlebt hat. Ein Thronsaal sei das, mehr Tempel als Kirche.
Aber spannenderweise ist genau das die Zeit, in der ich Sankt Peter so gerne mag. Riesig: ja. Leer: ja. Kein Gemeindeort, kein Bet-Ort, alles überwältigend und bunt, die Blicke durch Perspektiven, Gold und Statuen geleitet. Aber trotzdem ist das was Besonderes morgens um sieben, wenn keine Tourigruppen erklärt bekommen, wer und was das nun gerade ist, wenn man nicht anstehen muss und der gesamte Saal sich in ein Museum verwandelt.
Morgens um sieben hallen die Schritte wirklich, und man ist in einer großen Leere, wie es sie sonst nicht gibt. Das ist es wohl: prächtig, aber leer, noch einmal Luft holend bevor die Massen kommen, so viel Geschichte in sich versammelnd, die später dann auf einige Fotos reduziert wird. Morgens um sieben ist die Kirche noch entspannt, plustert sich nicht auf, man erkennt ihre echte Größe und Weite.
Denn dieser Saal gibt auch Raum. Weit, leer lässt er Blicke schweifen. Keine Werbung, keine Ablenkung, denn alles ist wie beim letzten Besuch auch schon. Man sieht Neues, aber nur wenn man schweifen lässt.
Und ich schweife gerne mal herum. Und dafür ist Sankt Peter der beste Ort in Rom überhaupt. Und dann wird er für mich auch zur Kirche.