Wenn der Vatikan Diplomatie betreibt, betreibt er vor allem Religionsfreiheit. Vatikanische Politik dreht sich um Religionsfreiheit, wenn man so will. Der Vatikan treibt keinen Handel, hat keine andere Machtbasis und ist deswegen das, was man „soft power“ nennt. „Soft power Vatikan“, das gab es in der Vergangenheit an einigen Stellen zu beobachten, und in dieser Woche geht es weiter, mit der Papstreise nach Marokko.
Der Kern dieses vatikanischen Ansatzes zu Diplomatie und Politik findet sich im Konzil, wie sollte es auch anders sein, und zwar im Dokument „Dignitatis Humanae“, wie der Vatikanist John Allen nachweist. Es gehe in der praktischen Politik und Diplomatie darum, den Katholiken vor Ort die Rechte der Religionsfreiheit zu verschaffen.
„Das Vatikanische Konzil erklärt, dass die menschliche Person das Recht auf religiöse Freiheit hat. Diese Freiheit besteht darin, dass alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwang sowohl von seiten Einzelner wie gesellschaftlicher Gruppen, wie jeglicher menschlichen Gewalt, so dass in religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln (…). Ferner erklärt das Konzil, das Recht auf religiöse Freiheit sei in Wahrheit auf die Würde der menschlichen Person selbst gegründet, so wie sie durch das geoffenbarte Wort Gottes und durch die Vernunft selbst erkannt wird. Dieses Recht der menschlichen Person auf religiöse Freiheit muss in der rechtlichen Ordnung der Gesellschaft so anerkannt werden, dass es zum bürgerlichen Recht wird.“ (DH 2)
Horizont Religionsfreiheit
Aber das allein ist es noch nicht, wenn der Papst selber politisch aktiv wird – und ich nenne hier Politik alles, was sich die Sorge ums Gemeinwesen zum Gegenstand macht – dann blickt er über diesen Horizont noch hinaus. „Es gibt immer eine Tür, die offen ist“ war sein legendärer Kommentar vor dem Besuch Präsident Trumps im Vatikan. Anders gesagt – und auch das mit Papstworten – Dialog ist immer besser als kein Dialog.
Dabei muss der Papst nicht immer die Erwartungen der Öffentlichkeit erfüllen. Weil er keine Wirtschaftsdelegation dabei hat und Millionenaufträge zu ergattern hofft, ist er frei. Und allein durch seine Person verkörpert er Werte wie Gerechtigkeit und Religionsfreiheit, ohne sie extra einfordern zu müssen. Eine Bundeskanzlerin oder ein Bundeskanzler muss Abwägen, weil es neben Menschenrechten auch um Arbeitsplätze geht. Das muss der Papst nicht.
Die ersten Ansprachen nach der Ankunft in jedem Land gelten immer den Vertretern von Staat und Gesellschaft, da spricht er immer einige wichtige Punkte an. Aber seine Person alleine reicht eigentlich schon aus.
Allein seine Person steht schon für was
Er wünscht sich das aber auch von anderen. Politik solle insgesamt nicht nur die Kunst des Machbaren sein, sondern ein sich Kümmern ums Gemeinwohl. Das sagte er neulich wieder erst in einer Rede. Nur das lasse die Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. So werden sie nicht von den Mächtigen abhängig.
Aber zurück zur Soft Power Vatikan: Der Papst kann von Syrien sprechen, wenn keiner hinschaut. Von Umwelt und Schöpfung als Gerechtigkeitsfrage, wenn sonst die beiden Themen eher feinsäuberlich getrennt sind. Er wird nicht müde vom Irak zu sprechen. Und gerade erst hat er wieder seinen Willen bekräftigt, in den Sudan zu reisen, auch das eine Region die nicht wirklich wahrgenommen wird.
Marokko und Abu Dhabi
Seine Umweltenzyklika Laudato Si‘, um darauf noch einmal zurück zu kommen, ist in diesem Sinn eminent politisch. Genauso wie die Reisen, die sehr viel symbolischer sind, das kann auch nicht anders sein. Aber allein die Tatsache, dass er Abu Dhabi und Marokko auf seinem Programm hat, spricht Bände.
Im in Abu Dhabi unterzeichneten Dokument gibt es für die „Soft Power Vatikan“-Politik eine Definition:
„Die Kultur des Dialogs als Weg, die allgemeine Zusammenarbeit als Verhaltensregel und das gegenseitige Verständnis als Methode und Maßstab“.
Das unterzeichnet man gemeinsam mit einem Vertreter der Muslime, aber es kann auch als Vademecum der Soft Power hier gelten.