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Schlagwort: Solidarität

„Was ganz konkret und naheliegend ist“

Veröffentlicht am 8. Oktober 20208. Oktober 2020
Text für stürmische Zeiten Ort der Inspiration: Assisi

Es ist ein Text für stürmische Zeiten. Eine Pandemie, inmitten von Finanzkrisen und Schuldenspiralen, inmitten von ökologischen Desastern und globaler Erwärmung, die uns alle gefährdet: wie soll ein gläubiger Mensch darauf reagieren? Politisch, sagt Papst Franziskus. So zumindest habe ich seine neue Enzyklika in meiner ersten Betrachtung genannt.

Ich könnte auch träumerisch-realistisch sagen, das träfe es genauso. Angesichts der Stürme um uns nimmt die Tendenz zu, sich nur um sich zu kümmern. Das geschieht entweder unter dem Deckmantel des Liberalismus oder dem des Populismus. Beides beschädigt aber unsere Gewissheit, Teil einer einzigen Menschheit zu sein. Gerechtigkeit und Frieden rücken so in weite Ferne, anstatt unter möglichen Lösungen für unsere Probleme aufzutauchen (FT 30).

Text für stürmische Zeiten

Der Weg, den der Papst vorschlägt: erstens träumen, zweites ganz praktisch handeln. Beides gehört zusammen. Franziskus ist kein Träumer, der fern von der Realität Utopien verfolgt. Träume müssen sich verwirklichen lassen, sonst bleiben sie formal (FT 219). Und hier kommt nun der Samariter ins Spiel: er handelt ganz praktisch. Er tut was.

„Wir können von unten, bei einer Sache beginnen und für das kämpfen, was ganz konkret und naheliegend ist, und bis zum letzten Winkel des eigenen Landes und der ganzen Welt weitergehen – mit der gleichen Sorgfalt, mit der sich der Reisende von Samaria jeder einzelnen Wunde des verletzten Menschen annahm. Suchen wir die anderen, und nehmen wir die uns aufgetragene Wirklichkeit in die Hand, ohne Angst vor Schmerz oder Unvermögen, denn dort liegt all das Gute verborgen, das Gott in das Herz des Menschen gesät hat.“ (FT 78)

Hier wird Nächstenliebe politisch, die Welt prägend.

Politische Nächstenliebe

Aber braucht es dafür überhaupt Nächstenliebe? Reicht nicht das Recht, oder ist das Recht nicht sogar die bessere Grundlage, weil nicht auf Emotion gebaut? Das ist eine Kritik an der Enzyklika. Franziskus will aber keine abstrakte Weltordnung schaffen. Er beobachtet und benennt die Schwächen er gegenwärtigen, setzt dann aber eine Motivation dagegen. Einen inneren Motor, der allen Menschen eigen ist, wenn sie nicht um sich selber kreisen: die Geschwisterlichkeit. Das Zusammen-Gehören.

Und genau das wird für Christinnen und Christen im Samariter sichtbar. Nur so, konkret und handelnd, entsteht das „Wir“.

„Wir werden immer neu gerufen, obwohl es auch als  grundlegendes Gesetz in unser Sein eingeschrieben ist: dass die Gesellschaft sich auf den Weg macht, um das Gemeinwohl zu erstreben, und von dieser Zielsetzung her seine politische und soziale Ordnung, sein Beziehungsnetz und seinen Entwurf des  Menschen immer neu gestaltet. Mit seinen Gesten hat der barmherzige Samariter  gezeigt, dass die Existenz eines jeden von uns an die der anderen gebunden ist: das  Leben ist keine verstreichende Zeit, sondern Zeit der Begegnung.“ (FT 66)

So entsteht ein „Wir“

Und so verlässt die Nächstenliebe auch den Status einer reinen Predigt, nett und ungefährlich. Wie seit Jahren schon die Barmherzigkeit wird auch die Nächstenliebe bei Papst Franziskus weltgestaltend und praktisch. Dazu enthält die Geschichte vom Samariter auch eine deutliche Kritik an Religions-Praxis:

„Bei jenen, die vorbeigehen, gibt es eine Besonderheit, die wir nicht übersehen dürfen: Sie waren religiöse Menschen. Mehr noch, sie widmeten sich dem Gottesdienst: ein Priester und ein Levit. Das ist eine besondere Bemerkung wert: Es weist darauf hin, dass die Tatsache, an Gott zu glauben und ihn anzubeten, keine Garantie dafür ist, dass man auch lebt, wie es Gott gefällt. […] Es gibt hingegen Weisen, den Glauben so zu leben, dass er zu einer Öffnung des Herzens gegenüber den Mitmenschen führt, und dies ist Gewähr für eine echte Öffnung gegenüber Gott. Der heilige Johannes Chrysostomus hat diese Herausforderung für die Christen mit großer Klarheit zum Ausdruck gebracht: »Willst du den Leib Christi ehren? Dann übersieh nicht, dass dieser Leib nackt ist«.“ (FT 74)

Selbstkritik der Religion

Die Enzyklika will ausbuchstabieren, was das nun heißt, Nächstenliebe und Geschwisterlichkeit zu praktizieren. Das geschieht nicht von selbst Es ist auch nicht selbstverständlich, selbst wenn ‚Nächstenliebe‘ ein beliebter Predigtbegriff ist. 

Aber wo soll man anfangen? Franziskus antwortete mit einer katholischen „Sowohl-als-auch“-Strategie: träumen und konkret handeln. Und daran schließt der Papst dann die Sätze an, die vor allen anderen auch in der Kirche selber abgelehnt werden, Sätze aus der katholischen Soziallehre. Das Recht auf Privatbesitz ist nicht absolut (FT 120). Das Recht von Migranten und Flüchtlingen (FT 129). Die Ungerechtigkeit von Krieg und Todesstrafe (FT 255). Das alle bekommt seine besondere Schärfe.

Da darf und kann die Gemeinschaft der Gläubigen nicht abseits stehen. „Wir dürfen nicht alles von denen erwarten, die uns regieren; das wäre infantil. Wir genießen einen Raum der Mitverantwortung” (FT 77). Da muss auch die Kirche das Wort ergreifen:

„Aus diesen Gründen respektiert die Kirche zwar die Autonomie der Politik, beschränkt aber ihre eigene Mission nicht auf den privaten Bereich. Im Gegenteil, sie kann und darf beim Aufbau einer besseren Welt nicht abseits stehen, noch darf sie es  versäumen, die seelischen Kräfte zu wecken, die das ganze Leben der  Gesellschaft bereichern können“ (FT 276).

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Enzyklika, Fratelli Tutti, Glaube, Papst Franziskus, Politik, Samariter, Solidarität, Wirtschaft29 Kommentare zu „Was ganz konkret und naheliegend ist“

„In diesen Zeiten“

Veröffentlicht am 21. April 202021. April 2020
Ressource Solidarität Raus aus der Isolation: und wohin geht es jetzt? Bild: Rolltreppe U-Bahn Leipzig

Je mehr wir auf uns selbst beschränkt sind, je weniger Kontakt wir miteinander haben, desto stärker zeigt sich Solidarität. Alle machen mit, auch wenn wir alleine oder nur in Familie sind. Ein scheinbarer Widerspruch, aber auch nur ein scheinbarer. Wir leben „in diesen Zeiten“ von der Ressource Solidarität und es hilft. Das eigene Zurückhalten, das nicht Bestehen auf eigenen Rechten auf Kosten vielleicht der Gesundheit anderer, die Selbstbeschränkung oder der Einkauf für die Nachbarn, in all dem drückt sich diese Ressource aus.

Mich hat das ehrlich gesagt erstaunt. Ich hätte mir mehr Durcheinander erwartet, dass trotz all der Einschränkungen und der Ungewissheit der Zukunft, für viele vor allem der beruflichen Zukunft, so lange und so selbstverständlich Solidarität geübt wird, zeigt gesellschaftliche Reife.

Ressource Solidarität

Erstaunt hat es mich wohl vor allem deshalb, weil der Trend in eine andere Richtung ging: die Trennung, das Wahrnehmen des Anderen und Fremden als Gefahr, der Rückzug in ein vermeintlich ‚Nationales‘ wurde stark. Solidarität sei ein Schimpfwort geworden, hatte Papst Franziskus das genannt.

Hat sich in der Krise nun das Gegenteil gezeigt? Ja und Nein. Ja, weil es eben viel Solidarität gibt. Aber diese Solidarität ist eine begrenzte, sozusagen eine geschützte Solidarität. Die damit verbundene Selbstlosigkeit sei verbunden mit der fest erwarteten Befristung des Zustandes, analysiert John Schellnhuber (Potsdam-Institut für Klimaforschung).

Die erwartete Befristung

Wenn es um die nächste Krise ginge, die Klima-Krise, sei es schon schwieriger mit der Ressource Solidarität, schreibt er. Da gibt es nämlich keine Befristung und Begrenzung, nicht zeitlich, nicht räumlich. Da geht es um kommende Generationen und um Menschen, die weit weg und außerhalb des Sichtfeldes leben. Hier würde sich zeigen, ob wir aus der jetzt geübten Solidarität gelernt hätten oder zurück fielen in die alten Muster des kurzfristigen und kurzsichtigen Gewinns.

Aber das gibt es ja auch heute schon: die Krankenhäuser sind auch wegen der Disziplin vieler Menschen hier bei uns nicht überfordert. Aber es dauerte grausam lange, um 50 unbegleitete junge Menschen aus einem völlig überfüllten Flüchtlingslager zu holen. 50 von 40.000 Menschen! Die Solidarität ist begrenzt, weil sie Nachbarn und noch einigermaßen verstehbare Größenordnungen von Menschen umfasst. Rio de Janeiro? Ostafrika? Dehli? Kairo? Dorthin schicken wir keine der hier nicht gebrauchten Betten, sozusagen.

Für den eigenen Staat ist das normal, dessen Verantwortlichkeiten sind klar umschrieben. Aber schon bei der EU hört es auf, wie wir in den vergangenen Wochen auch erleben mussten.

Schon bei der EU hört es auf

Zurück zur Solidaritäts-Frage: Solidarität bedeutet schlicht sich etwas, was nicht das eigene Problem ist, zu Eigen zu machen. Das Andere also, das mir gegenüber tritt, wird durch Solidarität seines Charakters als „anders“ nicht beraubt, aber anstatt gefährlich zu sein, tritt Hilfe oder Akzeptanz oder was auch immer dazu. Auf jeden Fall etwas Positives. Solidarität ist der Widerstand gegen alle Trennungen, gegen all diese Versuche, das Eigene auf Kosten des Anderen zu schützen. In diesem Sinne betont es der Papst ja auch immer wieder.

Konkret kann das Beschränkung bedeuten. Wobei die zum Beispiel in Sachen Klima nur kurzfristig wären, wie Schellnhuber in dem bereits zitierten Artikel sagt. Aber uns fällt es schwer, das zu glauben. Er nennt es ein „beispielloses zivilisatorisches Meisterstück“, was möglich wäre, wenn wir diese „beharrliche Empathie über Jahrzehnte hinweg“ leisten. Wobei das nicht nur menschlich wäre, sondern auch zutiefst christlich.

Beharrliche Empathie über Jahrzehnte

Viele wollen das nicht wagen. Trotz all der Solidarität, die wir – in ihrer räumlichen und zeitlichen – Perspektive im Augenblick erleben. Strategien gegen Solidarität gibt es viele.

Hier im Blog begegnen mir zum Beispiel immer wieder versuche der De-Legitimation. Vieles davon können Sie gar nicht lesen, das hat in einer von mir moderierten Debatte nichts zu suchen, aber mir selber fällt es auf, wie die Kompetenz derjenigen unterlaufen wird, die mit wissenschaftlichen Methoden Wirklichkeit verstehbar machen wollen. Da gleichen sich die Muster: „Das-ist-Meins“ wird mit Händen und Klauen verteidigt, gegen jede wahrgenommene Zumutung, die als ungerechtfertigter Anspruch formuliert wird.

Deswegen ist die Solidarität „in diesen Zeiten“ nur ein kleiner Schritt, eben weil sie begrenzt ist. Wir vertrauen dem Kontrollierbaren, dem Regierbaren. Aber all den Flüchtlingen auf der Welt, denen eben auch das Virus droht und die nicht mal ein Mindestmaß an Schutz haben, denen gilt sie nicht in gleichem Maße.

Solidaritäts-Projekte

In seiner Osteransprache hat der Papst auf das Solidaritäts-Projekt Europa verwiesen. Wo er aber eine Herausforderung sieht, also eine grundsätzlich offene Frage, ist Kardinal Jean-Claude Hollerich, Vorsitzender der Bischöfe in der EU, schon skeptischer: „Wir sehen die Schwierigkeiten europäischer Solidarität“, schreibt er in einem Artikel. Das würde zu einer Ernüchterung gegenüber dem Projekt Europa führen.

Zwei mögliche Wege: Herausforderung und Lernen aus der Solidarität für die nächsten Schritte, oder eben ein Einschränken. Betone ich die Selbstlosigkeit, oder betone ich die Beschränkungen, unter denen ich bereit bin, selbstlos zu sein?

Das wird die Zukunftsfrage sein, wenn es darum geht, Antworten auf all die anderen Fragen zu finden, die uns in den kommenden Jahren begegnen werden. Wenn „diese Zeiten“ vorbei sind und neue Zeiten neue Fragen an uns stellen.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Kirche und MedienSchlagwörter Corona, Gesellschaft, Klima, Krise, Solidarität56 Kommentare zu „In diesen Zeiten“

Der Weg zur Solidarität

Veröffentlicht am 27. März 202027. März 2020
In welcher Welt wollen wir leben Nicht nur hier entscheidet sich die Zukunft, sondern auch bei uns zu Hause: Das Parlament in Berlin

Was jetzt in der Not beschlossen ist, das wird auch nach der Krise weiter wirken. Und das nicht nur positiv. So lautet die Warnung, welche der Historiker Yuval Noah Harari am vergangenen Sonntag über die Financial Times äußerte. Sofort übersetzt in der NZZ als „Totalitarismus bekämpfen und Bürgersinn stärken“. In welcher Welt wollen wir leben, wenn die Krise vorbei ist?

Harari ist nicht der einzige, der darüber nachdenkt, auch öffentlich gibt es viele Stimmen. Und das ist gut so, das Denken sollten wir nicht einschränken.

In welcher Welt wollen wir leben?

In welcher Welt wollen wir leben, wenn die Drucksituation der „Großschadenssituation“ vorbei ist?

Krisen „spulen historische Prozesse im Schnellgang vorwärts“, sagt Harari. Und er warnt. Vor dem alles überwachenden und immer modernere Mittel nutzenden Überwachungsstaat und vor isolierenden und abgrenzenden Nationalismen.

Das schöne daran: Wenn man die beiden Entscheide, so wie er sie beschreibt, genau ansieht, dann berühren sich die jeweils positiven Dinge: Solidarität und Ermächtigung der Bürger.

Solidarität und Ermächtigung der Bürger

Die Überwachung durch Staat und vor allem von Firmen diskutieren wir seit Jahren, jetzt sind wir aber nicht nur dagegen, sondern nennen auch die Alternative.

„Wenn die Bürger die wissenschaftlichen Fakten kennen und wenn sie den Regierungen glauben, dass sie ihnen diese Fakten offenlegen, dann tun sie das Richtige, ohne dass ihnen Big Brother über die Schulter schauen müsste. Eine eigenverantwortliche, aufgeklärte Bevölkerung bringt gewöhnlich viel mehr zustande als eine unwissende und gegängelte“, sagt Harari.

Was natürlich Vertrauen voraus setzt, ein Vertrauen, dass die großen Zertrümmerer in der Politik wie Trump und dergleichen fleißig zerstört haben.

Einsicht, nicht Zwang

Gerade habe ich ein wunderbares Buch über den menschlichen Körper gelesen, und der Autor macht denselben Punkt wie Harari: die einflussreichste Erfindung für die Gesundheit der Menschen war der Gebrauch von Seife. Also: Hygiene. Und das hat sich durch Einsicht und nicht durch Zwang durchgesetzt.

Ich schließe mich dem Plädoyer für informierte und verantwortete Entscheidungen an. Maßnahmen sind Maßnahmen, und sie waren in den gegebenen Umständen wohl auch nötig. Nur langfristig hilft das nicht, sondern nur Verantwortung.

Verantwortung hilft, nicht Zwang

Dass es dazu ökonomische Hilfe braucht, ist selbstverständlich, alleine können Familien das nicht tragen. Und damit sind wir beim zweiten Punkt: Solidarität. Was im Kleinen gilt, also die gesellschaftliche Hilfe von Menschen, welche diese brauchen, muss auch im Großen gelten. Sich nur um die eigene Gruppe oder Familie – Stichwort Hamsterkäufe – oder nur das eigene Land – „make it great again“ – zu kümmern, zerstört die Grundlage dessen, was uns gemeinsam stark macht.

Solidarität ist nicht wirklich hoch im Kurs, unsere Wirtschaft baut auf andere Prinzipien, was nicht zuletzt auch der Papst sehr deutlich beklagt hat. Ein Wiederentdeckung und ein Stärken dieser Solidarität ist angesagt. Im Kleinen sehen wir das dauernd: Nachbarschaftshilfe, Respekt durch Distanz, Hilfen zwischen Städten, Krankenhäusern, Ländern.

Solidarität wieder entdecken

Artikel wie der von Harari können uns beim Denken helfen. Auch wenn sie etwas zu sehr dramatisieren. Aber das ist für einen prophetisch gemeinten Artikel ist das ok. „Wenn wir uns aber für die globale Solidarität entscheiden, trägt uns das nicht nur den Sieg gegen das Virus ein, sondern gegen alle Epidemien und Krisen, die die Menschheit im 21. Jahrhundert treffen können.“

Klingt fein, oder? Aber wenn wir auf das große Versagen der Solidarität schauen, auf die Grenze von Türkei und Griechenland, auf Syrien, auf das Horn von Afrika, dann sehen wir, was für einen Weg wir da noch vor uns haben.

 

Kategorien Allgemein, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Neulich im InternetSchlagwörter Corona, Gesellschaft, Harari, Krise, Solidarität, Virus17 Kommentare zu Der Weg zur Solidarität

„Vergebung, Herr!”

Veröffentlicht am 8. Juli 201811. November 2018
Papst Franziskus in Bari: Gebet am Grab des hl. Nikolaus Papst Franziskus in Bari: Gebet am Grab des hl. Nikolaus

Auf den Tag fünf Jahre sind es her, dass Papst Franziskus mit seiner ersten Reise einen Schwerpunkt seines Pontifikats gesetzt hat: Er war auf der Mittelmeerinsel Lampedusa.

Er wollte Flüchtlinge treffen und er wollte diejenigen betrauern, die auf dem Meer umgekommen sind. 2013 war das, damals schauten die Länder nördlich der Alpen noch gerne weg, wenn Italien und Griechenland klagten, sie würden alleine gelassen. Lange vor 2015.

Papst Franziskus in Bari: Gebet am Grab des hl. Nikolaus
Papst Franziskus in Bari: Gebet am Grab des hl. Nikolaus

Der Papst wollte aber nicht nur das Flüchtlingsthema stark machen, er wollte Flüchtlinge selber treffen. Damit ist auch seine Perspektive klar ausgedrückt gewesen: Den Menschen ins Gesicht schauen, menschlich handeln und trauern.

Der Papst erklärt es nicht, er zeigt es nicht, er fuhr selber hin. Und er fuhr nach Lesbos, und er fuhr nach Mexiko an die Grenze zu den USA und er wäscht Flüchtlingen am Gründonnerstag die Füße.

Und gestern – Samstag – war der Papst in Bari, um dort am Meer noch einmal wie auf Lesbos schon ökumenisch zu beten und zu sprechen, es ging beim Treffen vor allem um die Christen im Nahen Osten.

 

Der Schrei, gegen den wir Mauern bauen wollen

 

„Frieden: Das ist der Schrei vieler Menschen, der Abels von heute, der zum Thron Gottes aufsteigt,“ dieser Satz stammt von gestern, aber der biblische Bezug ist für den Papst nicht neu: „Wo ist dein Bruder?“, diese Frage hatte der Papst schon auf Lampedusa gestellt und dann eindrücklich in Yad Vashem wiederholt.

Noch einmal aus der Predigt von Lampedusa: „Wer hat geweint über den Tod dieser Brüder und Schwestern? Wer hat geweint um diese Menschen, die im Boot waren? Um die jungen Mütter, die ihre Kinder mit sich trugen? Um diese Männer, die sich nach etwas sehnten, um ihre Familien unterhalten zu können? Wir sind eine Gesellschaft, die die Erfahrung des Weinens, des „Mit-Leidens“ vergessen hat: Die Globalisierung der Gleichgültigkeit hat uns die Fähigkeit zu weinen genommen!“

Stimmt. Wir weinen nicht. Wir sind viel zu sehr damit beschäftigt, Zäune zu bauen, damit auch ja keiner zu uns kommen kann. Und damit, die zu verhaften, die helfen wollen. Und dann behaupten wir auch noch, das sei christlich.

 

Ökumene gegen Gleichgültigkeit

 

Immer wieder macht der Papst genau diese Begegnungen – siehe Bari, siehe Lesbos – ökumenisch. Das verdeutlicht, dass hier nicht der Westen auf den Osten schaut, sondern der Osten – die orthodoxen und orientalischen Kirchen – dabei sind. Also die Kirchen aus den Gegenden, von wo die Flüchtlinge aufbrechen und wo die meisten von ihnen auch als Vertriebene bleiben.

Das ist ein Zeichen der Solidarität, wider die weltweite Gleichgültigkeit. Solidarität, weil das sich abgrenzen ja wieder stärker wird und offensichtlich keine Erklärung mehr braucht, das finden viele offensichtlich gut. Wider die Gleichgültigkeit, weil das Leiden offensichtlich recht erfolgreich ausgeblendet werden kann.

Und so bleibt das Schlussgebet des Papstes von 2013 auf Lampedusa immer noch gültig:

„Herr, wir (bitten) um Vergebung für die Gleichgültigkeit gegenüber so vielen Brüdern und Schwestern, wir bitten dich, Vater, um Vergebung für den, der sich damit abgefunden, der sich im eigenen Wohlstand eingeschlossen hat, der zur Betäubung des Herzens führt; wir bitten dich um Vergebung für alle, die mit ihren Entscheidungen auf weltweiter Ebene Situationen geschaffen haben, die zu solchen Dramen führen. Vergebung, Herr!”

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Papstreise, Sprechen von GottSchlagwörter Flüchtlinge, Flüchtlingskrise, Gebet, Gleichgültigkeit, Lampedusa, Mittelmeer, Not, Ökumene, Papst Franziskus, Solidarität23 Kommentare zu „Vergebung, Herr!”

Unser Wort!

Veröffentlicht am 14. Februar 20177. Februar 2017

Entsolidarisierung ist der Trend. Immer mehr Wähler interessieren sich für Parteien und Gruppen, die das Eigene gegen den Anderen in Stellung bringen und so Schutz, Sicherheit und vor allem Identität versprechen.

Manchmal geschieht es subtil, andere Male eher brachial: das Andere wird als Gefährdung wahrgenommen, aber anstatt Solidarität dagegen zu setzen, positiv zu bleiben, ist im Augenblick das Gegenteil in Mode.

Manchmal ist es ganz einfach: Solidarität ist Begegnung
Manchmal ist es ganz einfach: Solidarität ist Begegnung

Ich zugeben, dass das Bestehen des Papstes auf Solidarität mich etwas überrascht hat. Bereits 2013 hat er immer und immer wieder darüber gesprochen, und zwar hat er es So-li-da-ri-tät  genannt. Genau so wie ich es schreibe hat er es mehrfach ausgesprochen, jede Silbe einzeln, immer mit voller Betonung. Vielleicht hatte ich etwas naiv angenommen, dass diese Solidarität so etwas wie ein Grundstein unseres zivilisierten Handelns geworden sei, nicht immer perfekt, aber immerhin doch nicht anzuzweifeln. Die vergangenen Jahre haben uns alle eines Besseren belehrt.

Es sei geradezu ein „Schimpfwort“ geworden, diese Solidarität, sagt der Papst. Schauen wir aber genauer hin, woher das Schimpfen kommt: „Für die Wirtschaft und den Markt ist ‚Solidarität’ fast ein Schimpfwort“ hat der Papst gesagt, in einer Videobotschaft war das, in einer kurzen Auslegung der katholischen Soziallehre.

 

Das Eigene und das Andere

 

Hier geht es also um mehr als nur um die eigene innere Haltung. Hier geht es um Dynamiken, die es uns schwer bis unmöglich machen, solidarisch zu sein. Hier geht es um eine Vorstellung von Gesellschaft, die auf der Wirtschaft des Gewinns aufbaut. „Heute gelten Jugendliche und Alte als Ausschuss, weil sie nicht der Produktionslogik einer funktionalistischen Sicht der Gesellschaft gehorchen. Man sagt, sie sind „passiv“, sie produzieren nicht, in der Ökonomie des Marktes sind sie keine Subjekte der Produktion.“

Jetzt könnte man in die Länder schauen, in denen Entsolidarisierung gerade Wahlen gewinnt: sei es in Großbritannien, dass keine Menschen mehr aufnehmen will, sei es auf den Front National, auf Geert Wilders in den Niederlanden, auf Trump und seine Mauer, und und und. Weiterlesen “Unser Wort!”

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Geschichte, Glaube und Vernunft, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Arme, Christentum, Glaube, Gotteserkenntnis, Papst Franziskus, Politik, Populismus, Solidarität17 Kommentare zu Unser Wort!

Einunddreißig mal Gleichgültigkeit

Veröffentlicht am 1. Januar 201615. Dezember 2015

Wenn man wissen will, was Papst Franziskus wichtig ist, dann reicht es manchmal, einfach mal die Worte zu zählen, zum Beispiel in der Botschaft des Papstes zum Weltfriedenstag an diesem 1. Januar. Einunddreißig Mal kommt das Wort „Gleichgültigkeit“ in diesem Text vor. Das ist eindeutig. Dazu noch andere Begriffe wie Mangel an Aufmerksamkeit, Gewöhnung, Lauheit, Teilnahmslosigkeit. Bei der Lektüre dieser Friedens-Botschaft des Papstes wird sofort deutlich, worum sich seine Gedanken in diesem Jahr drehen.

Mitgefühl: Ein Kranz für die Toten im Mittelmeer. Lampedusa 2013
Mitgefühl: Ein Kranz für die Toten im Mittelmeer. Lampedusa 2013

Dabei ist das nicht neu. Der Zentralbegriff, die „Globalisierung der Gleichgültigkeit“, ist bereits zu Beginn des Pontifikats von Papst Franziskus geprägt worden, auf Lampedusa war das bei seinem ersten Besuch außerhalb von Rom. Er war auf der Flüchtlingsinsel um genau auf diese Gleichgültigkeit aufmerksam zu machen. Und auch seitdem kommt der Begriff immer mal wieder vor. Nun also in einem längeren Text, ausführlich und von mehreren Seiten beleuchtet.

Zwei Dinge macht der Papst dabei klar: Erstens geht es nicht um einen Mangel an Informationen. „Es gibt Menschen, die gut informiert sind, Radio hören, Zeitungen lesen oder Fernsehprogramme verfolgen, das aber mit innerer Lauheit tun, gleichsam in einem Zustand der Gewöhnung. Diese Leute haben eine vage Vorstellung von den Tragödien, welche die Menschheit quälen, fühlen sich aber nicht betroffen, spüren kein Mitleid“, so der Papst. Oder man will gar nichts wissen: „In anderen Fällen zeigt sich die Gleichgültigkeit in Form eines Mangels an Aufmerksamkeit gegenüber der umliegenden Wirklichkeit, besonders der weiter entfernten.“ Gleichgültigkeit könne viele Wurzeln haben, und wie wir es von Papst Franziskus kennen führt er einige genauer aus.

 

Geistliche Haltung, nicht Analyse

 

Es ergeben sich in diesem Text Wortgruppen, die wir gewissen Haltungen zuordnen können und aus denen sich auch genauer erschließt, was der Papst genau meint.

So gehören zur Gegenhaltung zur Gleichgültigkeit Geschwisterlichkeit, Solidarität, Verantwortung, Mitgefühl und die Fähigkeit sich zu öffnen. Das sind keine präzise definierten Begriffe, aber dadurch, dass sie in diesen Wortgruppen auftauchen, ergänzen sie sich gegenseitig. Der hier am häufigsten genutzte Begriff ist der der Barmherzigkeit, und da wird auch noch einmal klar, was das „Heilige Jahr der Barmherzigkeit“, in dem wir uns im Augenblick befinden, soll. Die Barmherzigkeit leben und sie bezeugen ist das wichtigste Mittel gegen die Gleichgültigkeit, die beiden schließen sich gegenseitig aus und jeder muss sich entscheiden, wo er oder sie hin will.

Wieder gibt uns der Papst Kategorien, die weniger analytisch sind als vielmehr eine Art Gewissensrechenschaft ermöglichen. Die Frage ist weniger die der Sozial-Psychologie als vielmehr die der geistlichen Haltung. Weiterlesen “Einunddreißig mal Gleichgültigkeit”

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Botschaft, Dritter Weltkrieg, Frieden, Gleichgültigkeit, Papst, Solidarität, Weltfriedenstag43 Kommentare zu Einunddreißig mal Gleichgültigkeit

„Die Welt erträgt es nicht mehr“

Veröffentlicht am 10. Juli 2015
Der Papst bei seiner Ansprache
Der Papst bei seiner Ansprache

Ein Volkstribun ist eine Figur, den die Menschen sich gewählt haben, und der für sie ihre Anliegen vertritt. So ungefähr kann man diese alt-römische Figur beschreiben, und so habe ich den Begriff auch in meinem Bericht über die Rede von Papst Franziskus vor den Volksbewegungen benutzt. Papst Franziskus bringt etwas ins Wort, für sich und für andere.

Bei der Rede ist er sehr deutlich geworden, wir Europäer haben uns einiges anhören müssen. Wir reichen Länder haben uns einiges anhören müssen. Bereits bei Evangelii Gaudium und dann wieder in Laudato Si’ war das so, nun aber noch einmal in einer Rede, in direkter Kommunikation. „Die Welt erträgt es nicht mehr“ und „Wir wollen und brauchen Veränderung“. Strukturen und Haltungen müssen sich ändern, so der Papst. Eine wunderbare, lange und ausführliche Zusammenfassung dessen, wie er über die Frage denkt, wie wir mit der Welt – sowohl Mitwelt auch Mitmenschen – umgehen.

Interessant ist, wie er uns mitnehmen will. Der Papst stellt Fragen: Sehen wir ein, dass etwas nicht in Ordnung ist …? Ich zitiere: „Sehen wir ein, dass etwas nicht in Ordnung ist in einer Welt, in der es so viele Campesinos ohne Grund und Boden, so viele Familien ohne Wohnung, so viele Arbeiter ohne Rechte gibt, so viele Menschen, die in ihrer Würde verletzt sind? Sehen wir ein, dass etwas nicht in Ordnung ist, wenn so viele sinnlose Kriege ausbrechen und die brudermörderische Gewalt sich selbst unserer Stadtviertel bemächtigt? Sehen wir ein, dass etwas nicht in Ordnung ist, wenn der Boden, das Wasser, die Luft und alle Wesen der Schöpfung einer ständigen Bedrohung ausgesetzt sind?“

 

Erster Schritt: Einsicht

 

Es braucht also als erstes Einsicht. Einsicht ist etwas, was ich selber leisten muss. Das kann niemand für mich tun, das ist der Wert dieses Wortes. Der Papst will also, dass wir selber den Schritt machen. Da kann keiner an der Tafel uns vormachen, was alles der Fall ist, es braucht unsere eigene Aktivität.

Dem entspricht dann auch, dass er sagt, dass die Änderung der Strukturen nicht ausreicht, weil diese schnell bürokratisch wird. Die Perspektive, die er einnimmt, ist auch nicht nur die der Verlierer und Ausgeschlossenen. „Bei den verschiedenen Begegnungen, auf den verschiedenen Reisen habe ich festgestellt, dass es in allen Völkern der Welt eine Erwartung gibt, eine starke Suche, ein Sehnen nach Veränderung. Selbst in dieser immer kleineren Minderheit, die glaubt, von diesem System zu profitieren [damit sind wir gemeint, Anm Hagenkord], herrscht die Unzufriedenheit und besonders die Traurigkeit. Viele erhoffen einen Wandel, der sie von dieser individualistischen, versklavenden Traurigkeit befreit.“ Weiterlesen “„Die Welt erträgt es nicht mehr“”

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Papstreise, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Demokratie, Franziskus, Gerechtigkeit, Papst, Solidarität, Volksbewegungen3 Kommentare zu „Die Welt erträgt es nicht mehr“

Die Demokratien revitalisieren

Veröffentlicht am 9. Juli 2015

Das Ergebnis war, dass – wieder einmal – Papst Franziskus für einen Kommunisten gehalten wurde. Als er im Oktober vergangenen Jahres das internationale Treffen der Volksbewegungen im Vatikan empfing, ging ein Raunen durch die Kirche. Immerhin ist aus dieser Bewegung ein Präsident wie Evo Morales hervor gegangen, der international umstritten ist. Manche halten ihn für einen kompromisslosen Anwalt der Armen, andere für einen Diktator, der Bolivien ruinieren wird.

Land - Arbeit - Dach über dem Kopf, das Motto der Volksbewegungen
Land – Arbeit – Dach über dem Kopf, das Motto der Volksbewegungen

Heute ist es wieder soweit, am Donnerstagabend (Ortszeit La Cruz, Bolivien) tritt Papst Franziskus wieder vor eine Versammlung der Volksbewegungen. Ich habe die Rede noch nicht gelesen, bin aber sehr gespannt.

Und ich habe mich vorbereitet und noch einmal gelesen, was der Papst das letzte Mal gesagt hat. Und das ist nicht unspannend, will man verstehen, wie er auf Staat und Gesellschaft blickt.

Zentral war bei der Rede im Oktober 2014 der Begriff der Solidarität, überhaupt ein Wort, dass der Papst immer wieder in den Vordergrund schiebt. Es sei zu einem Schimpfwort geworden, denn zunehmend würden Menschen ausgebeutet. Zuletzt war das auch in Ladato Si’ wieder nachzulesen.

 

Mehr als nur großzügig

 

Solidarität bedeute aber mehr, als nur großzügig zu sein. Ich zitiere den Papst: „Das bedeutet, denken und aktiv werden für die Gemeinschaft und einstehen für die Prioritäten des Lebens, anstatt all das tun, was nur die Inbesitznahme von Gütern ist. Solidarität bedeutet auch, dafür zu kämpfen, dass es keine Ungleichheiten und Armut oder Arbeitslosigkeit und Enteignungen gibt. Solidarität ist auch der Kampf um soziale Rechte und um die Rechte von Arbeitern.“

Deutliche Worte: Kampf – im Sinne von sich einsetzen – aktiv werden, einstehen. Das sind Tätigkeitsworte, Solidarität ist also aktiv. Weiterlesen “Die Demokratien revitalisieren”

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Papstreise, Sprechen von GottSchlagwörter Demokratie, Franziskus, Gerechtigkeit, Papst, Solidarität, Volksbewegungen20 Kommentare zu Die Demokratien revitalisieren

Durch Armut reich

Veröffentlicht am 5. März 20145. März 2014

SteinkreuzAnfang Februar wurde im Vatikan die Botschaft von Papst Franziskus für die Fastenzeit vorgestellt. Da diese Zeit der Vorbereitung auf Ostern jetzt beginnt, möchte ich diesen Text noch einmal hier nachlesen und schauen, was er für uns, für mich bedeutet.

„Er wurde arm, um uns durch seine Armut reich zu machen“: Diesen Satz aus dem zweiten Korintherbrief legt und Papst Franziskus für die jetzt beginnende Fastenzeit vor. Er verbindet die Gedanken von „Armut Christi“ und „Umkehr“, die grundsätzliche Bewegung, zu der wir in der Vorbereitungszeit auf Ostern aufgerufen sind. Und der Papst fragt: „Was sagt uns heute der Aufruf zur Armut, zu einem Leben in Armut im Sinne des Evangeliums?“ Anders ausgedrückt: Was sagt mir das? Was macht das mit mir? Was meint Paulus in mir, dass arm werden soll?

Um ein rechtes Verstehen zu ermöglichen, wiederholt der Papst zunächst die Weihnachtsbotschaft: Nicht durch Macht und Reichtum, sondern durch Schwäche und Armut kam Gott in die Welt. Das sei sein „Stil“ (vgl. Phil 2,7; Hebr 4,15). Hier zeige sich die besondere Liebe Gottes, „eine Liebe, die Gnade, Großzügigkeit, Wunsch nach Nähe ist und die nicht zögert, sich für die geliebten Geschöpfe hinzugeben und zu opfern.“ Jesus – wie das Zweite Vatikanische Konzil betont – habe mit Menschenhänden gearbeitet, mit menschlichem Geist gedacht und mit menschlichem Herzen geliebt (Gaudium et Spes, 22): „Die Liebe macht einander ähnlich, sie schafft Gleichheit, reißt trennende Mauern nieder und hebt Abstände auf. Und eben dies hat Gott mit uns getan,“ wie der Papst in der Botschaft sagt.

Der erste Schritt der Fastenzeit soll also eine Besinnung der Liebe Gottes sein: Was Gott für uns getan, wer Gott in Jesus für uns geworden ist, wie Gott geworden ist oder vielmehr, wozu er sich gemacht hat.

 

Die Logik Gottes

 

Der zweite Schritt: Die Armut. Und hier ist ganz wichtig, dass Armut kein Selbstzweck ist. Armut hat einen Sinn, nämlich darin, uns durch die Armut Christi reich zu machen. Das ist sehr paulinisch, der Apostel mag diese Gegensätze und scheinbaren Widersprüche, um seine Theologie den Menschen darzulegen. Aber, wie der Papst bemerkt, das ist keineswegs ein Wortspiel, es bringt „Logik Gottes auf den Punkt.“ Nichts weniger.

Gott überwältigt mit seiner Güte die Welt nicht, er lässt das Heil nicht auf uns „herabfallen“ wie ein Almosen dessen, der vom eigenen Überfluss abgibt. In Jesus gibt dem Armen nicht, er setzt sich sozusagen neben den Armen, neben uns, und Jesus tut das in Schwäche und Armut. Weiterlesen “Durch Armut reich”

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von Gott, VatikanSchlagwörter Armut, Beten, Fastenzeit, Franziskus, Not, Ostern, Solidarität, Zeugnis7 Kommentare zu Durch Armut reich

Familie ohne Hoffnung: Familienpartnerschaften

Veröffentlicht am 5. Juni 20124. Juni 2012

Aus dem Abend von Fragen und Antworten zum Thema Familie am vergangenen Samstag, Teil 3. Papst Benedikt hat Fragen von Familien zur Situation der Familie und zu dem beantwortet, was er zu Problemen von Familien heute zu sagen hat.

 

Nikos: Kalispera! [griechisch: Guten Abend]. Wir sind die Familie Paleologos, wir stammen aus Athen. Ich heiße Niko und dies ist meine Frau Pania. Vor einigen Jahren haben wir zwei weiteren eine kleine Informatik-Firma gegründet und alles investiert, was wir hatten.

In der aktuellen schweren wirtschaftlichen Krise haben die Kunden dramatisch abgenommen und die verbleibenden verzögern immer mehr das Bezahlen. Wir schaffen es kaum, die Gehälter der zwei Angestellten zu bezahlen und für uns selbst bleibt fast nichts übrig: Um unsere Familie jeden Tag zu unterhalten bleibt immer weniger übrig.

Unsere Situation ist die von vielen, von Millionen anderen. In der Stadt gehen die Menschen mit gesenktem Kopf, keiner hat mehr Vertrauen in niemanden, es fehlt an Hoffnung.

Pania: Auch wir, auch wenn wir weiter an die Vorsehung glauben, werden müde, an eine Zukunft für unsere Kinder zu glauben. Heiligkeit, es gibt Tage – und Nächte – in denen es schwer ist, die Hoffnung nicht zu verlieren. Was kann die Kirche diesen Menschen sagen? Den Menschen und Familien, die keine Perspektive mehr sehen?

 

 

Benedikt XVI.: Liebe Freunde, danke für euer Zeugnis, das mein Herz und die Herzen aller getroffen hat. Was kann ich euch antworten? Worte reichen nicht aus. Wir müssen ganz konkret etwas tun und alle leiden daran, dass wir unfähig sind, etwas Konkretes zu tun.

Wir sprechen zuerst über die Politik: Mir scheint, dass der Sinn für Verantwortung in allen Parteien wachsen muss, dass sie keine Dinge versprechen, die sie nicht halten können, dass sie nicht nur Stimmen für sich suchen, sondern die Verantwortung wahrnehmen für das Wohlergehen für alle und dass sie verstehen, dass Politik immer auch menschliche und moralische Verantwortung vor Gott und den Menschen bedeutet. Weiterlesen “Familie ohne Hoffnung: Familienpartnerschaften”

Kategorien Allgemein, Benedikt XVI., Papstreise, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Benedikt XVI., Familie Krise, Partnerschaft, Solidarität, Weltfamilientreffen, Wirtschaft2 Kommentare zu Familie ohne Hoffnung: Familienpartnerschaften

„Nur der Glaube macht mich gewiss: Es ist gut, dass ich bin“

Veröffentlicht am 28. Dezember 201128. Dezember 2011

Eine Voraussage: Sucht ein Historiker in sagen wir hundert Jahren einen Buchtitel für ein Buch über das Pontifikat Benedikt XVI., wird er auf Das große Thema stoßen, wie es immer wieder in den Texten, Ansprachen und Predigten vorkommt: „Wie kann Glaube als lebendige Kraft heute Wirklichkeit werden?“ Diese Formulierung stammt aus der Weihnachtsansprache des Papstes an die päpstliche Kurie, passt aber auch für viele Ansprachen bei der Deutschlandreise, sie passt für das Projekt der Neuevangelisierung und für den dafür zuständigen päpstlichen Rat, sie passt für Benedikts Katechesen bei den Generalaudienzen und sehr vieles anderes mehr. Es ist wenn nicht das eine große Thema so doch ein Schwerpunkt des Pontifikates.

Und niemand kann das so überzeugend darlegen wie der Papst selber. Ausbuchstabiert hat er es bei der Weihnachtsansprache anhand des Weltjugendtages in Madrid, überhaupt der Erfahrung der Weltjugendtage. Dort zeige sich „eine neue, verjüngte Weise des Christseins ab“, die der Papst in fünft Punkten umriss.

 

Erster Punkt: Universalität der Kirche

„Da ist als erstes eine neue Erfahrung der Katholizität, der Universalität der Kirche. Das ist es, was (beim Weltjugendtag) junge Menschen und alle Anwesenden ganz unmittelbar berührt hat: Wir kommen von allen Kontinenten, und obwohl wir uns nie gesehen haben, kennen wir uns. Wir haben verschiedene Sprachen und verschiedene Lebensgewohnheiten, verschiedene kulturelle Formen, und doch sind wir sofort eins miteinander als eine große Familie. Weiterlesen “„Nur der Glaube macht mich gewiss: Es ist gut, dass ich bin“”

Kategorien Allgemein, Benedikt XVI., Die deutschsprachige Kirche, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Anbetung, Ansprache, Benedikt XVI., Buße, Freude, Glauben, Jesus Christus, Katholizität, Kurie, Mitte des Lebens, Neuevangelisierung, Reform, Solidarität, Universalität, Vatikan, Weltjugendtag4 Kommentare zu „Nur der Glaube macht mich gewiss: Es ist gut, dass ich bin“

Die Krise aus Kraftlosigkeit

Veröffentlicht am 22. Dezember 2011

Zum Ende jedes Jahres hält der Papst eine programmatische Ansprache, der Anlass ist ein Empfang der Mitarbeiter in der päpstlichen Kurie. Es ist in diesem Jahr eine starke Ansprache geworden, die sich zu lesen lohnt. Einige Teile daraus ganz besonders.

Als erstes aufgefallen ist mir die Analyse der Krise Europas, die sich relativ weit vorn in der Rede des Papstes findet. Schon mehrfach hat Benedikt XVI. angesprochen, dass hinter der wirtschaftlichen und politischen Krise eine andere Krise liegt; das spricht er an diesem Donnerstag explizit an:

„Am Ende dieses Jahres steht Europa in einer wirtschaftlichen und finanziellen Krise, die letzten Endes auf der ethischen Krise beruht, die den Alten Kontinent bedroht.

Selbst wenn Werte wie Solidarität, Einstehen für die anderen, Verantwortlichkeit für die Armen und Leidenden weitgehend unbestritten sind, so fehlt häufig die motivierende Kraft, die konkret den einzelnen und die großen gesellschaftlichen Gruppen zu Verzichten und Opfern bewegen kann. Erkenntnis und Wille gehen nicht notwendig miteinander.

Der Wille, der das eigene Interesse verteidigt, verdunkelt die Erkenntnis, und die geschwächte Erkenntnis kann den Willen nicht aufrichten.

Insofern steigen aus dieser Krise sehr grundlegende Fragen auf: Wo ist das Licht, durch das unserer Erkenntnis nicht nur allgemeine Ideen, sondern konkrete Imperative aufleuchten können? Wo ist die Kraft, die den Willen nach oben zieht?”

 

Und dann bezieht der Papst das auf sein Thema, die Verkündigung in der modernen Welt:

„Es sind Fragen, auf die unsere Verkündigung des Evangeliums, die neue Evangelisierung antworten muss, damit aus Botschaft Ereignis, aus Verkündigung Leben wird.”

Kategorien Allgemein, Benedikt XVI., VatikanSchlagwörter Ansprache, Benedikt XVI., Einsicht, Europa, Kraft, Krise, Kurie, Moral, Neuevangelisierung, Solidarität, Vatikan, WirtschaftSchreiben Sie einen Kommentar zu Die Krise aus Kraftlosigkeit

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