Jesus „ist in vielen unserer Brüder und Schwestern gegenwärtig, die heute, ja heute Leiden wie er ertragen: Sie leiden unter Sklavenarbeit, unter familiären Dramen, unter Krankheiten … Sie leiden aufgrund von Kriegen und Terrorismus, aufgrund von Interessen, welche die Waffen in Bewegung setzen und sie zuschlagen lassen. Betrogene Männer und Frauen, die in ihrer Würde verletzt und ,weggeworfen‘ wurden … Jesus ist in ihnen, in jedem von ihnen, und mit jenem entstellten Antlitz oder mit jener gebrochenen Stimme bittet er darum, angesehen zu werden, anerkannt, geliebt zu werden.“ Damit gab der Papst den Tenor für die kommenden Tage vor, während der Predigt zum Palmsonntag war das. Es war der Tag, an dem die Anschläge in Ägypten verübt wurden, auf zwei Kirchen. Und es war ein Tag, an dem Stockholm trauerte.
Stockholm ist uns Nahe. Wie Nizza, Paris und Brüssel. Wie Berlin, das auch einen LKW-Anschlag erlebt hat. Ohne das alles in einen Topf werfen zu wollen: Diese Art von Morden gehört jetzt zu unserer Welt.
Für Ägypten galt das schon lange, auch für den Libanon, für den Irak und Syrien sowieso. Dort leben Menschen – müssen leben – mit ganz anderen Dimensionen von Schrecken und Angst. Wie gesagt, ich will das nicht gegeneinander ausspielen, sondern nur auf deren Trauer hinweisen, die uns vielleicht nicht so nahe ist, die aber nicht weniger tief geht.
Die Trauer bei uns drückt sich in Kerzen aus, in Blumen, in Trotz und Wut. Die ganze Bandbreite der menschlichen Emotionen. Leider auch die Bandbreite üblicher politischer Plattitüden, „Im Namen von XV verurteile ich den tödlichen Anschlag auf koptische Christen in Ägypten auf das Schärfste“, um nur eine der vielen Pressestatements zu zitieren, die bei uns angekommen sind. „Auf das Schärfste“, das suggeriert Stärke, wo eigentlich Trauer, also Schwäche, angesagt wäre.
Die vielen Menschen in Nizza und Brüssel und Berlin und Paris und so weiter zeigen das.
Jesus erkennen
Für die christliche Erfahrung gibt uns der Papst noch einen zusätzlichen Schlüssel. Damit wird die Trauer und die Angst und die Verwirrung nicht umgedeutet und „gelenkt“, der Schrecken und der Tod bekommen dadurch auch keinen „Zweck“. Damit muss man sehr vorsichtig umgehen, um nicht übergriffig zu werden.
Damit wird uns Jesus aktuell. Das Kreuz, das wir am Karfreitag in die Kirche tragen, ist nicht mehr Vergangenheit, das Leiden nicht mehr nur auf Gemälden und in Skulpturen sozusagen abstrahiert und gedenkbar gemacht, es hat Gesicht und Leiden und Trauer und Angst heute.
Diese Menschen zu sehen und in ihnen Jesus, in Stockholm wie in Ägypten, zeigt uns in diesem Jahr den Karfreitag. Jesus ist erkennbar. Im Leiden, in den Menschen, in den Bitten. Lassen wir ihn an uns heran.