Kennen Sie den Film ‚Breaking the Waves’? Lars von Trier, 1996? Es geht um Schuld, um Opfer, um Sexualität, um all die Themen, die von Trier immer wieder in seinen Filmen behandelt. Und es ist ein theologischer Film. Die Hauptperson Bess wird darin von ihrer calvinistischen Gemeinde exkommuniziert. In einer Versammlung der Gemeinde – bei der nur Männer das Wort führen dürfen – wird ihr das Wort Gottes vorgehalten, worauf sie ruft: „Aber das Wort kann man nicht lieben. Man kann nur einen Menschen lieben.“
Diese Formulierung ist mir hängen geblieben. Sie ist ja auch einprägsam und passt wunderbar zum Satz: Die Wahrheit des Christentums ist keine Sammlung von Sätzen, sondern eine Person: Jesus Christus. Aber da wollte ich gar nicht hin. Ich will etwas anderes sagen.
Immer wieder – auch und gerade in den Kommentaren hier im Blog – wird auf das Wort Gottes Bezug genommen. Da steht dies drin und das und danach müssen wir uns richten. Felsenfest und klar seien die Aussagen, wir seien nicht Herren über das Wort Gottes und so weiter. Und das ist auch alles richtig.
Bess’ Ausruf lässt mich aber noch mal nachschlagen: Wie gehen wir eigentlich mit dem Wort Gottes um?
Schauen wir einfach mal nach. Zum Beispiel in eine der wichtigsten Enzykliken zum Thema, „Divino Afflante Spiritu“, 1943 von Papst Pius XII. veröffentlicht. Der Umgang mit der Heiligen Schrift war in der katholischen Kirche ja nicht immer einfach. Vor allem das Aufkommen der Textkritik als Methode hatte zu Streit geführt, Pius XII. beendet diesen Streit zu Gunsten der historisch-kritischen Methode, wenn sie denn richtig angewandt wird. Das macht diese Enzyklika so wichtig und für heute noch – wo gerne einmal mit dem Wort Gottes wewedelt wird, ohne nachzudenken – so wichtig.
Zwei Straßengräben
Die wichtigste Aussage der Enzyklika: Was macht die Bibel zur Heiligen Schrift? Die Inspiration durch den Heiligen Geist. Das klingt erst einmal selbstverständlich, ist es natürlich auch, aber daraus folgen ja einige Dinge, die es zu beachten gilt.
Es hat vor allem Folgen für diejenigen, die sich mit der Schrift beschäftigen.
Was soll der Bibelwissenschaftler und jeder, der sich um die richtige Lektüre der Schrift tun? Versehen mit der Kenntnis der biblischen Sprachen und dem Instrument der Textkritik „die Auffindung und Erklärung des wahren Sinnes der heiligen Bücher“. Dabei gilt es, zwei Straßengräben zu vermeiden. Der eine ist die Beschränkung auf den „Literalsinn“, wie der Papst es nannte, also das Festhalten an der Wortwörtlichkeit, ohne Verstehen zu suchen. Dagegen hilft das Lernen der Sprachen der Bibel, dagegen hilft auch die Einsicht, dass wir ja gar keinen Urtext der Schrift haben, nur verschiedene Textzeugen, die teilweise Unterschiedliches, manchmal auch sich widersprechendes berichten. Es ist also an den Exegeten, nach bestem Wissen und Gewissen immer wieder die plausibelste Version des Textes zu erarbeiten. Allein das hilft schon gegen einen zu schlicht verstandenen Literalsinn. Weiterlesen „„Aber das Wort kann man doch nicht lieben!““