Eine Figur, aufrecht gerade stehend, den Betrachter von der Leinwand aus anblickend. In der einen, flach vor sich gehaltenen Hand trägt sie eine Art Modell von einer Kirche. Eine ganz klassische Szene, so werden Stifter von Kirchen und Klöstern dargestellt, Heilige oder auch nicht.
Nur, das Bild, das ich hier meine, hat so gar nichts von Kirche oder Andacht. Es ist eines einer Serie des Malers Georg Baselitz, “Helden” genannt. Derzeit sind die Bilder in Frankfurt im Städel-Museum zu sehen.
Vor den Renaissance-Malern wurden diese Heiligen oder Stifter, diese bewundernswerten Menschen, ohne Handlung dargestellt. Die stehen da nur, da geschieht nichts in den Statuen oder den Altarbildern. Die Handlung ist heraus genommen, sie passiert höchstens im Kopf des Betrachters, der die Geschichten kennt. Aber der Mensch dort auf der Säule oder der Leinwand tut nichts. Er wird schlicht dargestellt.
So macht es auch Baselitz mit seinen “Helden”, es sind Typen, keine Individuen, sie sind dargestellt, sie handeln nicht. Sie stehen, schauen den Betrachter an, grob und roh in den Gesichtszügen aber nicht aktiv. Da steckt zwar Bewegung drin, aber keine Handlung. Das ist ein Widerspruch, zugegeben, aber genau so stellen sich die Bilder vor.
Und obwohl alles an ihnen vom Krieg und Verwundung erzählt, hilft nichts im Bild dabei, die Figuren zu identifizieren oder zu individualisieren. Es sind halt Typen.
Baum, Fahrrad, zerrissene Uniformen
Zurück zum Mann mit der Kirche in der Hand: christliche Symbolik gibt es einige bei Baselitz, wenn ich mir auch nicht sicher bin, dass er genau das meint. Das Bild mit der Kirche in der Hand heißt “Der Hirte”. Es gibt aber noch viele andere Bilder, die genau so heißen, ein anderer Hirte hat zum Beispiel ein Kreuz am Kopf, auch das christliche Symbolik.
Überhaupt scheinen Baselitz Helden so etwas wie Schmerzensmänner zu sein, allein das schon christliche Bildsprache. Sie sind kraftvoll-muskulös und schwach zugleich, klar verletzt, verwundet, sie stehen in zerstörten Landschaften, da klingt deutlich der Krieg nach. Sie tragen alle Uniform, oder vielmehr: Lumpen, die mal Uniform waren. Die Bilder sind aus den 60er Jahren, Baselitz holt die Erfahrung des Krieges noch einmal auf die Leinwand.
Seine Leidensmänner stehen alleine da. Oftmals stehen sie freigestellt, viele Bilder haben keinen Hintergrund. Da ist höchstens ein Baum, scheinbar immer derselbe. Oder es ist einige Male nur dieser Baum, den Baselitz gemalt hat. Er hat immer einen gebrochenen Ast, dann sind da rote Tropfen – Blut – die herab tropfen. Auch die ständige Wiederholung der Themen und Attribute wie der Uniform der “Helden” trägt zur Typenhaftigkeit bei. Daneben stehen immer wieder Schubkarren, Fahrräder oder brennende Häuser.
Es sind flächige Bilder, sie haben keine Tiefe, keinen Raum. Karminrot, braun, pink, das sind die vorherrschenden Farben. Die Bilder halten sich zurück, da ist keine Geste, kein Triumpf. Sie vereinnahmen nicht, posieren nicht wie es Helden heutzutage immer tun, wenn sie auf der Leinwand zu sehen sind.
Keine Bruce-Willis-Schmerzensmänner
Und hier wird die Ausstellung spannend. Einerseits sind da die christlichen Symbole und Anspielungen. Andererseits haben wir heute viele Helden vor Augen, die als leidende Schmerzensmänner über die Leinwand laufen. Nehmen wir Bruce Willis, blutend, zerrissen und schwitzend hat er aus dieser Figur eine ganze Filmkarriere gemacht, “Die Hard” und so weiter. Oder auch Jason Bourne und all die anderen blutenden Filmhelden. Sie sind ist der Held, der leidet und der dann am Ende, nun, genau: Held ist. Großes Gefühl, und am Ende überwiegt der Sieg das Leiden. Weiterlesen “Schmerzensmänner”