Ein Priester surft nach Abschluss der Messe, vor dem Schlusssegen, auf einem Hoverboard durch die Kirche und singt ein Weihnachtslied. Jemand filmt das und der Priester wird eines dieser Internet-Hypes, schnell ein Star, ebenso schnell vergessen. Aber nicht ganz, denn sein Bischof fand das nicht so witzig wie die ganzen Facebooker und Instagrammer, er suspendierte den Priester.
Aufschrei im Netz, wie kann der nur! Wie borniert muss man sein, um einem Priester, der so was tut, zu suspendieren! „Hoverboard priest condemned by Church“, danke BBC für diese ziemlich schlichte Einsicht.
Soweit die Kurzversion der Geschichte. Es gibt auch Stimmen, welche die verordnete Ruhepause für den Pater verteidigen, die sind aber in der Minderzeit. Durch die Medien geht diese scheinbar wunderbare human-interest story mit eindeutiger Rollenzuschreibung.
Meine eigene Frage ist eine ganz andere: Wie kommen wir eigentlich dazu, von hier aus über mehrere tausend Kilometer und zig Kulturgrenzen hinweg urteilen zu wollen? Wie arrogant muss man eigentlich sein, um ein Urteil über einen Mann und die Umstände zu fällen, und zwar ein internet-kompatibles Soforturteil, ohne die Geschichte zu kennen? Ohne die Gemeinde zu kennen? Ohne den Bischof zu kennen? Ohne die Kultur zu kennen? Ohne die Sprache zu kennen? Ohne die kulturelle Bedeutung von Bildern zu kennen? An dieser Stelle beende ich die Liste, sie wäre aber zu verlängern.
Kulturelle Arroganz
Mich hat das geärgert. Sehr. Auch die Aktionen von „pro und kontra“. Natürlich hat jeder eine Meinung dazu, zumindest eine erste innere Reaktion, die sich in den Mantel der Meinung hüllt.
Dahinter liegt ein Problem. Ich würde das mal als das wirkliche Thema der vergangenen Synode bezeichnet und als das kommende Thema der weltweiten Kirche: Die Balance von Lokalität und Universalität bei medialer Gleichzeitigkeit.
Ich brauche die Universalität, um Distanz zu meiner eigenen Kultur bekommen zu können. Dagegen sind alle Fragen immer lokal, ich kann nicht von einer Univertsalität für alle gültige Anwendungen herunter deklinieren. Beides braucht eine neue Balance. Verschärft wird das, von der medialen Gleichzeitigkeit. Ich weiß in Sekundenbruchteilen, was der Bischof auf den Philippinen entschieden hat, genauso wie ich sofort das Video des Hoverboard-Priesters sehen kann. Das überspielt die lokalen Differenzen, kulturellen, sprachlichen und religiösen Grenzen und gaukelt eine falsche Universalität vor. Das unterwirft in diesem Fall alles dem Unterhaltungs-Paradigma.
Darin eine neue Balance zu finden, das ist die neue Herausforderung für eine Kirche, die beides sein will, lokal und universal.
Ein erster Schritt wäre, mit den Sofort-Urteilen aufzuhören. Die beleidigen Intellekt und Kultur. Und wenn wir uns vorstellen, dass mit demselben Unwissen über uns geurteilt würde, was würden wir dann sagen?
Diese Balance ist eine der wirklich großen Herausforderungen für die Kirche. Und die Schnell-Urteiler tragen nichts zum Finden dieser Balance bei. Absolut gar nichts.