Vielleicht geht es ja nur mir so, aber ich habe bei der Lektüre des Papstbriefes an die Bischöfe der Welt erst einmal geschluckt. Am 28. Dezember hatte er den verschickt, Anlass war das Fest der Unschuldigen Kinder. Und das war dann auch das Thema.
Nie wieder Missbrauch, die Ausbeutung von Kindern weltweit, irgendwie passt es zu dem Tag, an dem die Kirche einer Dimension des Weihnachtsfestes gedenkt, die so gar nicht in die romantische Weihnachtsmann-Geschenke-Familienstimmung passen will: Die Gewalt, die Jesus entgegen schlägt. Oder die Gewalt, die Teil der Welt ist, in die Jesus hinein geboren wird. Oder die Gewalt, die durch ein kleines Ereignis wie eine Geburt und die große Angst eines Königs ausgelöst wird. Wie auch immer man die Geschichte vom Kindermord in Bethlehem liest, Gewalt gehört nicht zur zum Osterfest – Karfreitag – hinzu, sondern auch zu Weihnachten, ob es uns passt oder nicht.
Weihnachten und die Gewalt
In den Worten des Papstes: „Gegen unseren Willen wird Weihnachten auch vom Weinen begleitet. Die Evangelisten nahmen es sich nicht heraus, die Wirklichkeit zu verschleiern, um sie glaubwürdiger oder anregender werden zu lassen. Sie nahmen es sich nicht heraus, einen „schönen“, aber irrealen Text zu verfassen. Weihnachten war für sie nicht ein imaginärer Zufluchtsort, wo man sich angesichts der Herausforderungen und Ungerechtigkeiten ihrer Zeit verstecken konnte. Vielmehr verkünden sie uns auch die Geburt des Sohnes Gottes in eine leidvolle Tragödie eingebettet.“ Man kann die Menschwerdung nicht feiern, und gleichzeitig der Realität den Rücken kehren. ‚Er kam in sein Eigentum und die Seinen nahmen ihn nicht an’, sagt der Evangelist Johannes.
Dass ich bei der Lektüre geschluckt habe, liegt aber gar nicht einmal am Thema oder der Art und Weise, wie es behandelt wird. Auch das Thema Missbrauch, dass ja im Schlussabsatz sehr deutlich zur Sprache kommt, ist ja so neu nicht und dass es zu diesem Tag passt, liegt auf der Hand. Es ist vielmehr der dunkle Ton, den ich wahrnehme.
Es ist nicht das erste Mal. In den vergangenen Monaten scheint der Papst mehr als früher von den Dingen, mit denen er direkt zu tun hat, bedrückt zu sein. Syrien ist so ein Beispiel, was kann man da tun? Reden und reden und anbieten, aber dann gewinnen doch die Bomben?
Der Papst hat nie vor dem Leiden Halt gemacht. Er umarmt und lächelt, hört zu und tröstet, segnet und ist einfach nur da, das ist eine der großen Stärken. Um so mehr nehme ich jetzt diesen Grundton in Moll wahr.
Grundton in Moll
„Wir weinen“, „es bewegt unsere Seele“, „ich schreibe es tief bedrückt“, „eine Sünde, die beschämt“, es sind viele dieser Worte, die gerne auch mal formalistisch klingen können, gerade auch aus dem Mund von Klerikern. Das ist einfach formuliert und klingt wie etwas, was man sagen muss. Hier aber, in diesem Text wie so oft bei Papst Franziskus, klingt das echt, zu echt fast. Als säße ihm das wirklich auf der Seele, nicht nur auf dem Schreibtisch. Weiterlesen „Dunklere Töne“