Was tun, wenn es Zweifel, Anfechtung, Verfolgung gibt? Was tun in Zeiten von Unsicherheit? Nicht diese direkt bekämpfen, sondern verstehen, was sie im eigenen Herzen anrichten. Es macht keinen Sinn, Situationen zu diskutieren: „Ideen werden diskutiert, Situationen werden unterschieden.“ Das ist O-Ton Jorge Mario Bergoglio, geschrieben in einem Vorwort zu einem Sammelband von 1987.
Die Zeitschrift Civiltà Cattolica hat das Vorwort ans Tageslicht gebracht und veröffentlicht, zumindesta in einigen Sprachen, Englisch etwa und Spanisch.
Das Buch, das mit dem Text eingeleitet wurde, versammelt interessante Texte aus der Geschichte des Jesuitenordens, soviel muss man wissen.
Es sind Briefe von zwei Generaloberen des Ordens, Lorenzo Ricci SJ (gewählt 1758), der erleben musste, wie die Bourbonen-Könige Europas den Orden anfeindeten und schießlich erreichten, dass der Orden aufgelöst wurde (Ricci selber wurde vom Papst in der Engelsburg festgehalten und starb dort auch, ohne Prozess). Jan Roothaan SJ (gewählt 1829 nach der Wiederzulassung des Ordens) erlebte Anfeindungen des erstarkenden antikirchlichen Liberalismus gegen den Orden.
Mehr braucht man nicht wissen, Bergoglio skizziert die Situationen auch nur kurz, um dann auf den geistlichen Inhalt einzugehen. Und die Lehren für Jesuiten – und nicht nur Jesuiten – heute.
Pater Bergoglio sagt zuerst, dass in solchen schwierigen Situationen immer Versuchungen auftreten. Eine Versuchung ist es, über Ideen zu streiten und damit der Ursache für den Zweifel oder die Anfeindung zu viel Macht zuzugestehen. Die beiden Jesuitengeneräle empfehlen also getreu der geistlichen Haltung des Ordensgründers Ignatius, erst mal in sich selber nachzuschauen, auf die inneren Stimmen zu hören, statt direkt innerlich das Schwert zu ergreifen und sich gegen etwas oder jemanden zu wenden.
Innere Verwirrung anschauen
Auffällig sei – so Bergoglio über die Briefe und ihre Schreiber – dass nicht versucht würde, mit den Anfeindungen zu streiten. Natürlich ist da Ungerechtigkeit und so weiter, aber das gerät nicht in den Fokus. Thema ist vielmehr die innere Verwirrung, die durch die Anfeindungen ausgelöst werden.
Natürlich ging es um Ideen, etwa im Liberalismus, der Aufklärung, der Moderne, und auch dort gibt es Irrtümer und Fehler, aber das lassen die beiden Schreiber erst mal beiseite. Weil Ideen diskutiert werden, die Situation, in der man sich befindet, aber unterschieden wird. Hier ist es wieder, das Wort „Unterscheidung“. Weiterlesen “Jorge Mario Bergoglio: Las cartas de la tribulación”