Muss sich die Kirche der Kultur anpassen? Darf sie das überhaupt? Und wenn ja, wie weit? Oder muss sich Kirche nicht vielmehr gegen die Kultur verhalten? Wie kann im Spannungsfeld dieser Fragen eine zeitgemäße Verkündigung stattfinden?
Einen Fragenkomplex nach der Bischofssynode möchte ich mit dieser Skizze zusammenfassen. Übertrieben formuliert sprechen einige vom angeblichen „Ändern der Lehre“ oder anderem. Oder man spricht davon, dass die Kirche nichts aufgeben dürfe, um ihre Glaubwürdigkeit und ihren Auftrag nicht zu verlieren.
Dass solcherlei Überzeichnungen nicht wirklich helfen, liegt auf der Hand. Damit macht man vielleicht Wind in der Öffentlichkeit, kommt aber der Frage nach der Spannung, wie ich sie oben angedeutet habe, nicht wirklich weiter.
Deswegen mag ich an dieser Stelle einen Referenztext empfehlen, der sich mit dieser Frage befasst: Gaudium et Spes, ein Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils. Dort heißt es unter der Nr. 44:
Die Hilfe, welche die Kirche von der heutigen Welt erfährt
Wie es aber im Interesse der Welt liegt, die Kirche als gesellschaftliche Wirklichkeit der Geschichte und als deren Ferment anzuerkennen, so ist sich die Kirche auch darüber im klaren, wieviel sie selbst der Geschichte und Entwicklung der Menschheit verdankt. Die Erfahrung der geschichtlichen Vergangenheit, der Fortschritt der Wissenschaften, die Reichtümer, die in den verschiedenen Formen der menschlichen Kultur liegen, durch die die Menschennatur immer klarer zur Erscheinung kommt und neue Wege zur Wahrheit aufgetan werden, gereichen auch der Kirche zum Vorteil.
Von Beginn ihrer Geschichte an hat sie gelernt, die Botschaft Christi in der Vorstellungswelt und Sprache der verschiedenen Völker auszusagen und darüber hinaus diese Botschaft mit Hilfe der Weisheit der Philosophen zu verdeutlichen, um so das Evangelium sowohl dem Verständnis aller als auch berechtigten Ansprüchen der Gebildeten angemessen zu verkünden. Diese in diesem Sinne angepasste Verkündigung des geoffenbarten Wortes muss ein Gesetz aller Evangelisation bleiben. Denn so wird in jedem Volk die Fähigkeit, die Botschaft Christi auf eigene Weise auszusagen, entwickelt und zugleich der lebhafte Austausch zwischen der Kirche und den verschiedenen nationalen Kulturen gefördert. Zur Steigerung dieses Austauschs bedarf die Kirche vor allem in unserer Zeit mit ihrem schnellen Wandel der Verhältnisse und der Vielfalt ihrer Denkweisen der besonderen Hilfe der in der Welt Stehenden, die eine wirkliche Kenntnis der verschiedenen Institutionen und Fachgebiete haben und die Mentalität, die in diesen am Werk ist, wirklich verstehen, gleichgültig, ob es sich um Gläubige oder Ungläubige handelt.
Es ist jedoch Aufgabe des ganzen Gottesvolkes, vor allem auch der Seelsorger und Theologen, unter dem Beistand des Heiligen Geistes auf die verschiedenen Sprachen unserer Zeit zu hören, sie zu unterscheiden, zu deuten und im Licht des Gotteswortes zu beurteilen, damit die geoffenbarte Wahrheit immer tiefer erfasst, besser verstanden und passender verkündet werden kann.
Da die Kirche eine sichtbare gesellschaftliche Struktur hat, das Zeichen ihrer Einheit in Christus, sind für sie auch Möglichkeit und Tatsache einer Bereicherung durch die Entwicklung des gesellschaftlichen Lebens gegeben, nicht als ob in ihrer von Christus gegebenen Verfassung etwas fehle, sondern weil sie so tiefer erkannt, besser zur Erscheinung gebracht und zeitgemäßer gestaltet werden kann.