Die Kirche darf sich „nicht von dem Schatz ihrer Wahrheit trennen, den sie von den Vätern ererbt hat. Gleichzeitig jedoch muss sie auch der Gegenwart Rechnung tragen und auf die gewandelte Lage und die neuen Lebensformen, die in die moderne Welt Eingang gefunden haben und die dem katholischen Apostolat neue Wege geöffnet haben, eine Antwort geben“: um über die Lehre der Kirche zu sprechen, zitiert Papst Franziskus Papst Johannes XXIII, aus seiner Ansprache zur Eröffnung des Konzils. An dieser Stelle habe ich schon mal über diese Ansprache geschrieben.
Dazu möchte ich noch den Gedanken der Vielfalt fügen. Die Kommentarspalten sind bei den vergangenen Beiträgen warm gelaufen, vielleicht hilft es, nachzulesen, wie die Dinge zusammen gehören: Einheit und Vielfalt, gewandelte Lage und weiterzugebender Glaube:
„Auch zwischen der Globalisierung und der Lokalisierung entsteht eine Spannung. Man muss auf die globale Dimension achten, um nicht in die alltägliche Kleinlichkeit zu fallen. Zugleich ist es nicht angebracht, das, was ortsgebunden ist und uns mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität bleiben lässt, aus dem Auge zu verlieren. (…)
Das Ganze ist mehr als der Teil, und es ist auch mehr als ihre einfache Summe. Man darf sich also nicht zu sehr in Fragen verbeißen, die begrenzte Sondersituationen betreffen, sondern muss immer den Blick weiten, um ein größeres Gut zu erkennen, das uns allen Nutzen bringt. Das darf allerdings nicht den Charakter einer Flucht oder einer Entwurzelung haben. Es ist notwendig, die Wurzeln in den fruchtbaren Boden zu senken und in die Geschichte des eigenen Ortes, die ein Geschenk Gottes ist. Man arbeitet im Kleinen, mit dem, was in der Nähe ist, jedoch mit einer weiteren Perspektive. Ebenso geschieht es mit einem Menschen, der seine persönliche Eigenheit bewahrt und seine Identität nicht verbirgt, wenn er sich von Herzen in eine Gemeinschaft einfügt: Er gibt sich nicht auf, sondern empfängt immer neue Anregungen für seine eigene Entwicklung. (…)
Das Modell ist nicht die Kugel, die den Teilen nicht übergeordnet ist, wo jeder Punkt gleich weit vom Zentrum entfernt ist und es keine Unterschiede zwischen dem einen und dem anderen Punkt gibt. Das Modell ist das Polyeder, welches das Zusammentreffen aller Teile wiedergibt, die in ihm ihre Eigenart bewahren.“ (Evangelii Gaudium 234-236)
Das ist die Herausforderung heute
Den theologischen Hintergrund dafür hat der Papst in Rio de Janeiro in einem unscheinbar daher kommenden Satz „versteckt“: „Die Emmaus-Jünger sind nach Jerusalem zurückgekehrt und haben von der Erfahrung erzählt, die sie in der Begegnung mit dem auferstandenen Christus gemacht hatten. Und dort haben sie Kenntnis erhalten von den anderen Erscheinungen des Herrn und von den Erfahrungen ihrer Brüder.“ Soll heißen: die Begegnung mit dem Herrn ereignet sich für den Einzelnen, aber auch um Hören auf die Begegnung, welche andere haben.
Ich bin fest davon überzeugt, dass die „gewandelte Lage und die neuen Lebensformen, die in die moderne Welt Eingang gefunden haben“, von der die Päpste gesprochen haben, heute genau das ist: die Vielfalt in Einheit.
Wenn es uns nicht gelingt, Vielfalt in Einheit zuzulassen, wenn Bedingungen gestellt und sich abgegrenzt wird, wenn verantwortungslos mit Begriffen wie „Schisma“ und „Häresie“ um sich geworfen wird, dann wird es uns nicht gelingen. Die Verantwortung liegt bei uns.