Jubiläen haben etwas zweischneidiges. Als ich noch in der Redaktion in Rom gearbeitet habe, war ich einer von denen, die nie wirklich gerne Jahrestags-Berichterstattung betrieben haben. Aber so funktionieren wir nun mal. Die runden Jahreszahlen ziehen unsere Aufmerksamkeit auf sich. Und eine hat mich in den vergangenen adventlichen und weihnachtlichen Tagen besonders beschäftigt: die Schreiber aus dem Gefängnis vor 75 Jahren.
Schreiber aus dem Gefängnis
Da war vor allem der Jesuitenpater Alfred Delp, der nach dem Anschlag des 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler zu den Verhafteten gehörte und am 2. Februar hingerichtet wurde. Er schrieb aus dem Gefängnis adventliche und weihnachtliche Betrachtungen.
Die Sprache ist pathetisch-kantig, 40er Jahre halt. Vieles von dem habe ich in meiner Vorbereitung auf das Fest noch einmal gelesen.
Eindrücklich bleibt sein Kampf gegen die Verniedlichung des Weihnachtsfestes.
„Ach, das Kind richtet jetzt schon die Welt. Wieviel der Typen, die der Mensch heute vorstellt, können ehrlich vor der Krippe erscheinen? Die meisten wollen ja gar nicht. Hoch zu Ross lädt die schmale und spärliche Tür niemand ein. Die einfachen gesunden Hirten, die finden den Weg. Die königlichen Weisen, die ruft der Stern. Aber die Anmaßung in Jerusalem erschrickt vor dem Kind. Wie viel von dem, was wir heute leben, kann vor diesem Kinde nicht bestehen!“
Erfüllt von Hoffnung
Das ist eben auch Weihnachten. Und wenn man sich vor Augen hält, dass hier jemand im Jahr 1944 schreibt, wo seine Welt um ihn herum in Trümmern liegt, dann wird besonders eindrucksvoll, wie sehr Delp erfüllt gewesen sein muss von diesem weihnachtlichen Gedanken.
„Der Mensch ist nicht mehr allein. Der Monolog war nie die gesunde und glückhafte Lebensform des Menschen. Der Mensch lebt nur echt und gesund im Dialog. Alle diese Mono-Tendenzen sind vom Übel. Gott ist mit uns: so war es verheißen. … Lasst uns dem Leben trauen, weil diese Nacht das Licht bringen musste. Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt.“
Von guten Mächten
Wobei wir bei einer zweiten Gestalt wären, die ebenfalls eindrucksvoll aus dem Gefängnis heraus geschrieben hat: Dietrich Bonhoeffer. Auch er wie Delp im Widerstand, und wie Delp lässt er sich nicht von der Zerstörung um ihn herum und von der Haft die Hoffnung nehmen. Keine Kulturkritik, nichts Grundsätzliches. Sondern Hoffnung. Er dichtet:
„Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr.“
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen allen einen guten Jahreswechsel und ein gesegnetes Jahr 2020.
Danke Ihnen, Pater Hagenkord für Ihre Segenswünsche und für den Mut für das Morgen, für das Neue Jahr. Danke für diesen Block und für Ihr Engagement und die schwierige Aufgabe, die Ihnen übertragen wurde.
Leider komme ich erst heute auf Ihre Seite.
Da wir noch in der Weihnachtszeit sind möchte ich noch ein paar Gedanken aus einem Schreiben v. Bonhoeffer ergänzend aufführen. Diese Gedanken weisen darauf, wenn durch äußere Umstände Weihnachten zu feiern nicht mehr möglich ist. Durch Krankheit, Verlust u. anderen schwierigen Umständen. Auch heute. In diesem Brief vom 17. Dez. 1943 schreibt Bonhoeffer:
„… Ihr habt uns Jahrzehnte hindurch so unvergleichlich schöne Weihnachten bereitet, dass die dankbare Erinnerung daran stark genug ist, um auch ein dunkleres Weihnachten zu überstrahlen. In solchen Zeiten erweist es sich eigentlich erst, was es bedeutet, eine Vergangenheit und ein inneres Erbe zu besitzen, das von dem Wandel der Zeiten und Zufälle unabhängig ist. Das Bewusstsein, von einer geistigen Überlieferung, die durch Jahrhunderte reicht, getragen zu sein, gibt einem allen vorübergehenden Bedrängnissen gegenüber das sichere Gefühl der Geborgenheit. Ich glaube, wer sich im Besitz solcher Kraftreserven weiß, braucht sich auch weicherer Gefühle, die meiner Meinung nach doch zu den besseren und edleren der Menschen gehöre, nicht zu schämen, wenn die Erinnerung an eine gute und reiche Vergangenheit sie hervorruft. Überwältigen werden sie denjenigen nicht, der an den Werten festhält, die ihm kein Mensch nehmen kann… (…) dass Elend, Leid , Armut, Einsamkeit, Hilflosigkeit und Schuld vo den Aughen Gottes etwas ganz anderes bedeuten als im Urteil der Menschen, dass Gott sich gerade dorthin wendet, wo die Menschen sich abzuwenden pflegen (..).“
Vielleicht würde dieser Gedanke auch für den Synodalen Weg ein Gedanke sein,
der sehr wohl mit tiefer Traurigkeit an der Unwiederbringlichkeit leidet und wahrnimmt was ist, aber auch dahinter die Kraft der Überlieferungen in all den Jahrhunderte sieht – und heute dem aktuellen Zustand nicht diese destruktive Macht gibt. Sondern verheißungsvoll zu wissen, dass Gott auch morgen mit uns und in der Kirche leben möchte.
Reinhold Schneider: „Wunderbares Dunkel dieser Tage. ( …) der Strahl aus einer anderen Welt (…) könnten wir es wieder empfangen, so würden wir auch erfahren, dass es dieselbe Kraft hat wie einst, wenn es nur in uns zu leben beginnt. Vielleicht ist es das Beste, was uns in Menschen begegnet..“
Jochen Klepper
24.12.33 : “ Die Sphäre der Sitte und des Glaubens stehen nicht gegeneinander, das Fest des Glaubens duldet auch das andere. “
1935 „Erst wenn es ein Weihnachten erlebt hat, hat ein Haus sein Gesicht erhalten.
1940 „(…) von Jahr zu Jahr ist Weihnachten tiefer und reicher geworden. So habe ich das Weihnachtsevangelium noch nie gehört wie dieses Jahr. Die Schwere des Jahres wird getragen von der Gnade dieses Festes (…). Weihnachten 1941 „Die Christnachtspredigt enthielt einen Abschnitt über „den Gott, der Rat und Hilfe weiß, wo wir keinen Ausweg mehr sehen“, der zu uns hingesprochen war…(…) Wir wissen, in welcher Wende wir stehen. Weihnachten ist da, und noch immer schreit das Herz : „Ach, dass du den Himmel zerrissest und führest herab!“
Manchmal hilft es, in die Tiefen der Vergangenheit zuschauen, um neu in der christlichen Gemeinschaft das gemeinsame Erbe und den gemeinsamen Auftrag zu spüren. Gemeinsam und gottgerufen vor der Krippe zu stehen – auch im Neuen Jahr. Und über die Texte, die Evangelien und Überlieferungen zu staunen.