Souverän ist anders: völlig aus blauem Himmel kam die Nachricht, dass ein italienischer Kurienmitarbeiter und über Jahre enger Mitarbeiter zweier Päpste seinen Kardinalshut verliert. Angelo Becciù erzählte danach, wie er nichts ahnend auf einmal seine Position in der Kirche verloren habe.
Es ist nicht das erstes Mal, dass Papst Franziskus so reagiert. Die Ablösung von Kardinal Gerhard Ludwig Müller war für diesen ebenfalls eine Überraschung. Und da in Personalentscheidungen keine Begründungen gegeben werden, bleiben Spekulationen. Souverän war das nicht, in beiden Fällen.
Souverän war das nicht
Und was ist mit den anderen?, mag man fragen. Da sind ja einige, über denen die schwarze Wolke einer Anklage hing. Kardinal Barbarin in Frankreich, Kardinal Pell in Australien, beide angeklagt, beide haben ihren Hut behalten.
Und nun polizeiliche Ermittlungen in einem Finanzskandal und schon entscheidet der Papst, ohne dass es zu einem zivilrechtlichen Prozess gekommen ist. Ich nehme an, dass es gute Gründe dafür gibt, die über die Anklage hinaus gehen. Und ich merke, dass ich mit dieser Annahme im Feld der Spekulation lande.
Es bleiben uns nur Spekulationen
Nun muss in Personalfragen nicht alles offengelegt werden, trotzdem entsteht ein merkwürdiges Bild, in dem das Wort „Willkür“ im Hintergrund mitschwingt. Und die Frage, wie in der Kirche eigentlich Autorität ausgeübt wird.
Nicht zu Unrecht spricht ja auch der synodale Weg genau darüber.
Debatte um Autorität in der Kirche
Es ist zu begrüßen, dass Korruption – so es denn welche war – im Vatikan keinen Platz mehr hat. Das war nicht immer so, wie die lange Liste an Skandalen erzählt. Aber dazu gehört auch Transparenz, und die vermisse ich hier. Warum Becciù und nicht Pell oder Barbarin? Liegt das alleine an der empfundenen Wahrheit des Papstes? Oder war da anderes im Spiel? Und wie kann man das klären, außer im Gewissen des Papstes?
Die Geschichte um Erzbischof Becciù zeigt einmal mehr, dass wir in Sachen Autorität in der Kirche Kontrolle brauchen. Transparenz, Verfahren, Nachvollziehbarkeit, Gewaltenteilung. Denn so, wie es hier gelaufen ist, baut das kein Vertrauen auf.
Ja – man wähnt sich manchmal wie in einem Spiel mit dem Titel „Wer erkennt den Fehler“! Der Papst kann nach dem derzeitigen Kirchenrecht seine „Gewalten“ frei, unmittelbar und zu jeder Zeit nach eigenem Gutdünken gebrauchen! „Monarchie“ nennt man das im politischen Gebrauch – ja noch mehr: „Absolutistische Autokratie“! Allerdings: Das verschafft ihm wesentlich mehr unangreifbare Rechte als jeglichem anderen Monarchen unserer heutigen Zeit – die Queen oder andere derzeitige europ. Könige hatten diese umfassenden Rechte noch nie! Und diese auf eine Person bezogenen Herrschaftformen wurden auch in der Vergangenheit schon als nicht mehr passend für die Bedürfnisse unserer Zeiten erkannt. Nur in der kath. Kirche gibt es das noch, teilweise sogar bis ins Bischofsamt hinein, wo z.B. jeder Bischof selbst darüber eintscheiden kann, ob er Beschlüsse von div. Synoden wie, wenn es dazu kommt, vom synodalen Weg, umsetzen will – keiner ist dabei an eine Mehrheitsentscheidung gebunden. „Finde den Fehler“, warum viele das nicht mehr für zeitgemäß, brauchbar oder durchführbar halten bzw. warum viele sagen: Diese Kirche mit einer solchen Verfassung kann ich nicht mehr unterstützen! „Finde den Fehler“, warum vieles in der Kirche nur an der einsamen Entscheidung einer Person hängt! „Finde den Fehler“, warum vieles, was zu verändern wäre, nur noch stockt und im Ansatz stecken bleibt! Und wenn „Fehler“: Wann wird dieser ehrlich benannt und gerändert…
Der Vatikan kann wohl vom Synodalen Weg hier in Deutschland lernen wie es gehen könnte.
Srlbstbeschränkung der Macht und Teilung der Gewalten in einem ekklesiologischen Sinne scheint mir angebracht.
Wir sollten auf keinen Fall dem Zeitgeist des Erstarrens, der Abschottung und der Zentralisierung der Macht hinterherlaufen.
Wäre dann nicht das erste mal, dass eine Reform von Deutschen Landen ausginge.
Allerdings müsste „Der Vatikan“, wer auch immer da Macht ausübt, aus der Geschichte lernen dass nicht wieder eine Reformation draus wird.
Auch im weltlichen Bereich tun sich Vorgesetzte oft sehr schwer, einen Weg der Transparenz zu gehen bzw. einen Personalrat v o r einer Entscheidung anzuhören. Deswegen kommen aus eigener Erfahrung dann leider oft merkwürdige Ergebnisse heraus.
Eigentlich wäre eine Umsetzung gar nicht so schwierig, wenn man sich kirchlich und weltlich bei solchen Entscheidungen gerade im Personalbereich an der über 1.500 Jahre alten Benediktsregel orientieren würden. Einzelne positive Erfahrungen damit habe ich in meinem Berufsleben schon machen dürfen.
Wie, wenn diese „plötzliche“ Aktion des Papstes nun eine eiligst vorzunehmende Aktion zum Schutz jüngst erzielter (nicht allgemein bekannter) Untersuchungsergebnisse der Ermittlungen in Sachen Finanzen war – um so zu verhindern dass schädliche Einsichtnahme der aktuellen Akten und damit auch die mögliche Weitergabe an eine vielleicht bestehende „Untergrund“-Verbindung stattfinden kann? Sind denn wirklich alle „schwarzen Löcher“ der vatikanischen Finanzen bereits bekannt?
(erinnere an Angelegenheit Bankchef Roberto Calvi)
Ich entschuldige mich auch schon im Voraus für eventuell nicht angebrachtes Misstrauen durch Wissenslücken…
Herlinde Schmid
Das Papstamt ist mMn im Fundament beschädigt. Und daran tragen viele Verantwortung, in Vergangenheit und Gegenwart, sicher nicht Franziskus (allein). Er wird von engsten Mitarbeitern in aller Öffentlichkeit kritisiert. Insofern ist der im Artikel erwähnte Kardinal Müller ganz sicher nicht der richtige Vergleichsfall. Immerhin ist er Kardinal geblieben. Papst Franziskus ist Erbe eines/in einem System, das ihm Allmächtigkeit zuschreibt und zugleich kritisiert, wenn er sich dieser Allmacht bedient. Was soll das und was hat das mit fehlender Souveränität zu tun? Er braucht loyale Mit- und Zuarbeiter. Im konkreten Fall, der diese Entscheidungen erzwungen hat, wird er über Informationen verfügen, die allgemein nicht zugänglich sind. Insofern vertraue ich ihm. Ich traue ihm auch eine Rehabilitation des Hern Becciu zu, falls sich seine Entscheidung als falsch herausstellen würde.
Es geht doch offenbar um ein Versagen im diplomatischen Dienst des Vatikan. Die Ansprüche sind hier wohl höher, als nur kein Dieb zu sein, das scheint Kard. Becciu noch immer nicht verstanden zu haben. Man hat das erst, wie es ja üblich war, mit einer Versetzung zu lösen versucht, nachdem so etwas als fehlerhaft nun erkannt wurde, hat man es nun eben korrigiert. Und Beccius Reaktion zeigt, dass die Entscheidung begründet ist. Dass es, wenn es um Diplomatie geht, so verschwiegen laufen muss, ist doch klar. Respekt vor dem Papst für diesen klugen Umgang damit.