Geistlich auf dem Weg zu sein, kann nach hinten losgehen. Nicht jeder Schritt ist gut und hilfreich, nicht alles was ich als geistlich wahrnehme ist es auch und vieles ist vielleicht sogar das genaue Gegenteil.
Diese Einsicht ist klassisch in der christlichen Tradition, von den Mönchsvätern angefangen. Bei Papst Franziskus erlebt sie gerade eine neue Blüte, wenn er gegen neue Formen des Gnostizismus oder neo-Pelagianismus schimpft. Aber das will ich hier gar nicht vertiefen.
Im Netz kursiert seit einigen Tagen ein Artikel, der einen modernen Blick auf verkrümmte Formen des Geistlichen wirft. Einige Male musste ich beim Lesen auflachen – passiert mir im Internet immer seltener – über die Einsichten und die Zusammenstellung.
Die Autorin – Mariana Caplan – beschäftigt sich mit geistlichen Unterscheidungsprozessen in der Spiritualität, wenn wir es im Spiri-Deutsch ausdrücken. Also damit, dass nicht alles irgendwie gleich wichtig und richtig ist, sondern dass man in geistlichen Prozessen Fehler machen kann oder auch richtig liegen kann. Und das kann man unterscheiden.
Sie sagt, dass unsere geistlichen Einsichten kontaminiert werden und sich zu einer Art Infektion entwickeln.
Unter den Top-10, die sie in dem Artikel nennt, sind zum Beispiel die Vermischung von Spiritualität und der Kultur der „instant gratification“, des schnellen Konsums. Sie nennt es Fast-Food Spiritualität. Alles ist schnell und leicht.
Dann gibt es die Spiritualität zum Anziehen, die Dinge die ich kaufe und mit denen ich mich umgebe und die mich aussehen lassen, als ob ich spirituell wäre. Vielleicht glaube ich das dann auch irgendwann selber.
Schon komplexer ist die Krankheit, sich selbst mit seinen Erfahrungen zu verwechseln, also zu glauben, wir seien Verkörperungen der Erfahrungen, die wir irgendwann mal gemacht haben.
Dann gibt es das undurchdringliche Spiritualitäts-Ego, das keine kritische Rückmeldung mehr zulässt und deswegen auch nicht wachsen kann.
Geistlicher Stolz ist ein Klassiker, den sie erwähnt, „groupthink“ – unterbewusste Absprachen darüber, was man denken soll – ein anderer (witzigerweise nennt sie es Ashram-Disease).
Und die tödlichste von allen Krankheiten: Ich habe es geschafft.
Viel davon ist mir in verschiedenen Formen schon begegnet, natürlich vor allem bei mir selber. Deswegen musste ich ja auch lachen. Was mir besonders gefällt ist die grundlegende Einsicht, dass nicht alles, was als Geistlich daher kommt, es auch ist. Dass es – um christlich-traditionell zu bleiben – unterschieden werden muss. Es gibt so viel verschiedenes und verwirrendes Zeug unter all den guten Schritten. Um mit den Worten zu schließen, mit denen Caplan ihren Artikel beginnt: „It is a jungle out there.”
Weniger plakativ sind die klassischen Lehrsprüche des Patanjali zu lesen.
… und eine geistliche Übung gegen die besagten Krankheiten:
http://homepage.univie.ac.at/karl.baier/texte/tex_liturgie.htm