Heute darf ich mal wieder taufen. Selten genug, dass ich diese Sakramente hier in Rom feiern kann, Journalistsein beschränkt das Seelsorgersein doch arg. Um so schöner, dass es dann ab und zu doch noch geht.
Aber wie immer stellt sich die Frage, wie das gehen soll. Immer, wenn es hier eines der familiären Sakramente zu feiern gibt, ist die Sprache zu entscheiden. Meistens sind hier die Familien, mit denen ich zu tun habe, halb Italienisch, halb Deutsch, und die anreisenden Freunde und Familien sprechen entweder das eine oder das andere. Das macht es mindestens bei der Predigt schwierig.

Das Ganze ist in Abwandlung ein Problem, das sich mir schon in Deutschland in der Jugendsprache gestellt hat. Spreche ich in der Liturgie so, dass ich möglichst nahe an den Jugendlichen bin? Dann öffne ich eine Distanz zur Normalerfahrung Kirche in der Pfarrei. Bleibe ich in der kirchlichen Sprache, öffne ich eine Distanz zu den Jugendlichen und überhaupt zu einer ganzen Generation.
Eine perfekte Lösung gibt es nicht, auch keine Lösung ein für allemal, aber die Frage hat sich immer wieder gestellt.
Wobei unter „Sprache“ hier ausdrücklich auch Zeichen und Symbole gemeint sind. Kleidung zum Beispiel war ganz klar kirchlich. Je klarer die Ästhetik, je klarer sichtbar ist, dass es sich beim Gottesdienstort um einen Gottesdienstort handelt, desto sicherer fühlen sich Leute. Auch Jugendliche. Stola über T-Shirt kommt da gar nicht in Frage, und sei es auch nur deswegen, weil es verunsichert. Von anderen Gründen einmal abgesehen.
Zurück zur Sprachfrage hier in Rom. Predige ich auf Deutsch? Italienisch? Kurz und dann auf beiden Sprachen? Alles habe ich schon probiert, wirklich befriedigend ist das nicht. Zum Glück ist die Predigt nicht das Wichtigste bei einer Liturgie. Bei einer Taufe schon gleich gar nicht.
Die Feigling-Lösung wäre, auf Exot zu machen und mit einem Lächeln zu erklären, dass man die eigentlichen Tauf-Worte auf Latein spricht. Feigling deswegen, weil das keine echte Lösung ist, sondern das sich vor einer Entscheidung drücken. Latein versteht keiner mehr, das sieht nur egalitär aus, ist es aber nicht.
Das Zeichen hat eine eigene Sprache
Also bleibt die Frage nach der Sprache. Und da helfen mir die Erfahrungen von früher. Erstens müssen nämlich die Zeichen sitzen. Kein Drumherum, Handbewegungen, Kleidung, Kerze, Wasser, all das muss für alle sichtbar und klar nachvollzierbar sein, dann versteht es jeder, auch wenn er oder sie die Sprache nicht kennt. Und wenn man das dann auch noch in einer der klassischen schönen römischen Kirchen oder gar Baptisterien feiern darf, dann um so besser.
Die liturgische Sprache muss alleine klingen, ohne dass man alles auch noch erklärt. Es wird in Liturgien sowieso zuviel geredet, die Zeichen gehen da manchmal unter.
Es hilft, wenn dann die Predigt kurz ist. Bei Taufen sowieso, das Kind stellt sich schon rechtzeitig in den Mittelpunkt. Eine Sprache, kurze Entschuldigung in der anderen. Fertig.
Einleitung und Taufritus dann in der Sprache derer, die ich anspreche. Ist ein Pate nur einer Sprache mächtig, dann wird er oder sie in dieser Sprache angesprochen. Sind Kinder dabei, die nur eine Sprache kennen, dann in dieser Sprache, Erwachsene sind da nicht so wichtig.
Das klingt nach einem klaren Programm. Trotzdem stellt sich diese Frage jedes Mal wieder. Was ja auch gut ist, denn das zeigt, dass das keine Routine ist. Wenn ich also heute F taufen darf, dann geschieht das wieder in Abwechslung der Sprachen. Aber die Taufe selbst, die Zeichen, die ausdeutenden Riten, die müssen sitzen.
Danke für Ihren Beitrag! Darf ich zwei Nachfragen zu den Zeichen stellen? Wie sieht es denn mit dem „lebendigen“, also fließenden Wasser aus? Und wie mit dem Untertauchen, das sogar noch für einen Thomas von Aquin die gewöhnlichere Form des Tauf“bades“ war?
So schön und wichtig die ausdeutenden Riten sind – eine Taufe und ihr Sinngehalt misst sich daran, ob die Grundzeichen – Untertauchen in fließendem Wasser – als Zeichen durch Worte erschließbar sind. Israel ist – wenn man die biblischen Texte in Ex und Jos ernst (was nicht heißt: wörtlich) nimmt – nicht durch knöcheltiefes Brackwasser spaziert, sondern durch Meer und einen über die Ufer getretenen Fluss… Jesus musst sich vermutlich zum Untertauchen gescheit bücken im Jorden, aber der ist immerhin ein fließend Gewässer…
In einer Kirche gibt es halt kein fließendes Gewässer. Außerdem tauft man bei uns mit inder Osternacht geweihtem Wasser, was auch einen hohen Symbolcharakter hat.
Und ein Baby oder Kleinkind ganz unterzutauchen grenzt für mich schon fast an Kindesmisshandlung.
In jeder Kirche gibt es fließendes Wasser. Wenn es in der Sakristei möglich ist, einen Wasserhahn zu installieren, dann ist auch ein echter Taufbrunnen möglich – und in einigen Kirchen schon vorhanden.
Mit dem Osternachtwasser – wieder nur stehend – wird nur in der Osterzeit getauft. Danach wird das Wasser in jeder Feier neu gesegnet.
Es geht bei den Orthodoxen auch, warum also bei uns nicht? Ebenso das Untertauchen.
Hier übrigens Anschauungsmaterial:
http://höntrop-kirche.de/impressionen/digitale-kirchenfuehrung/taufbecken/
https://www.youtube.com/watch?v=DUB_2ECY2WQ
Je weniger unsere ZeitgenossInnen das Christentum gewohnt sind, desto klarer müssen die sakramentalen Zeichenhandlungen sein. Eine Taufe ist keine familiäre Namensgebungsfeier (auch wenn es diese auch sein darf), sondern die Abwaschung der Ursprungssünde, die Aufnahme in die Kirche und – am wichtigsten – die Adoption durch Gott. Und dieses neue Leben wird symbolisiert nicht durch drei Tropfen, die über die Stirn rollen, sondern durch das Untertauchen (das Ende des bisherigen Lebens) und das Auftauchen, den Beginn des neuen Lebens als Kind Gottes. Die Eucharistie ist keine Abspeisung (so wurde das vor nicht allzulanger Zeit tatsächlich noch genannt), sondern eine gemeinsame Mahlfeier, in der das Kreuzesopfer Christi gegenwärtig wird, indem wir EIN gebrochenes Brot (nicht vorgestanzte Hostien) essen und aus einem Kelch trinken. Und diese Mahlhandlungen symbolisieren, dass es Christus das Leben gekostet hat, uns das Leben zu schenken – ebenso wie Brot gebrochen werden muss, um alle zu speisen und alle aus einem Kelch trinken, damit sie nicht mehr dürsten.
Schön zu Lesen. Danke, dass Sie uns darüber hier im Blog schreiben.
So eine Taufe ist schon sehr bewegend. So ein kleines Kind empfängt da sein erstes Sakrament, kommt mit der Kirche das erste Mal in Berührung. Mein Patenkind war damals sehr beeindruckt von unserem Gesang, es hat überhaupt nicht geweint.
Der Diakon hat sich damals absichtlich schon viele Tage zuvor mit der Kleinen beschäftigt, sie Zuhause besucht. Ihr war der freundliche alte Herr also schon vorher irgendwie vertraut.
Die Taufe ist schon sehr wichtig, sehr ergreifend. Da haben Sie als Priester eine riesengroße Verantwortung. Genießen Sie den Tag und alles Gute und viel Segen für den kleinen Menschen!
Hätte nie gedacht einmal mit Ihnen so komplett einer Meinung zu sein, ja es wird viel zuviel geredet in unseren Liturgien, reinste Quasselveranstaltungen sind es, man sehnt sich regelrecht nach Stille sehnt. Mir fällt dann meist die Lutherübersetzung des Psalm 90 „Wir verbringen unsere Tage wie ein Geschwätz“ oder das, noch schockierendere Jesus Wort „Über jedes unnütze Wort, dass die Menschen reden müssen sie Rechenschaft ablegen“ Matt 12,36 oder gar das alte Arbeiterkampflied „Es macht euch ein Geschwätz nicht satt….“ ein.
Dennoch leben wir in Zeiten, wo die Zeichen eben genau nicht mehr von selber sprechen, auch und weil. es diesen gemeinsamen kulturellen Hintergrund der Leute, aufgrund dessen man die Zeichen versteht, nicht mehr gibt. Was will man da anders machen, als reden, womit man aber, das stimmt, das Problem auch nicht löst.
Ja, in der Tat. Es ist wohltuend und tief, wenn die Liturgie aus sich heraus spricht und nicht erklärt werden brauch bzw. Durch Erklärungskurzpredigten entkräftet wird.
Mir Viel sofort ein Erlebnis ein.dass ich beim ersten Besuch der Messe in der mir heute zur Heimat gewordenen Gemeinde hatte.
Man muß wissen, dass diese Gemeinde vierstimmig singt. Wohlgemerkt die Gemeinde de nicht ein Chor von oben herab. So wurde auch das Brechen des Brotes vom der Gemeinde durch ein vierstimmig es Agnes Dei begleitet. (Sie singt es auch auf Deutsch, aber damals war es halt auf Latein 😉 Und ich schmetterte bei der dritten Wiederholung schondas Donau nobis …. aber falsch der Priester brach noch das Brot und so lange er brach sangen wir Misere nobis … und diese Wiederholung und die GesTe des Brotbrechens sackte so richtig tief in mich hinein. Erst als er fertig war und Kelch und Schale anhob sangen alLe das Donau nobis. Dann sprach der Priester: Seht das Lamm Gottes … Und mit einer unbeschreiblichen Wucht traf mich diese Realität ganz tief.
Immer wieder darf ich beim Gottesdienst erleben,dass Liturgie, so sie stimmig gefeiert wird,eine Tiefe hat, die mich jenseits aller Erklärungen und rationalen Verstehenshilfen erreicht, ja sogar verwandelt. So saß ich zu Beginn der Osternacht in der düsteren Kirche und dachte nur: Welch ein Geschenk hier mitfeiern zu können.
Sorry, meine Finger sind so groß und mein Handy so klein.Sie verstehen sicher was ich trotz der vielen Fehler sagen wollte
Ich war in der Heiligen Messe in New York und in Barcelona. Ich habe das meiste, was gesprochen wurde, nicht verstanden – aber ich habe mich durch die Liturgie trotzdem wie zu Hause gefühlt und nicht wie in einem fremden Land.
Die Liturgie spricht aus sich selbst heraus, weil in ihr Gott handelt und nicht wir Menschen…
Lieber Pater Hagenkord, ich finde es erstaunlich, wie viel Gedanken Sie sich um die Taufgemeinde machen. Hut ab! Sie sind wirklich ein guter Seelsorger! Ich denke, dass Sie diese Fürsorge bei der Tauffeier auch ausstrahlen werden, so dass die Teilnehmer sich in Gott aufgehoben fühlen werden. Es wäre schön, wenn alle Priester so emphatisch wären….
Hallo Herr Pater Hagenkord, wenn Sie gegenüber der Taufgemeinde eine solche liebende Aufmerksamkeit ausstrahlen wie jetzt in Ihrem Nachdenken darüber, dann mache ich mir nicht die geringste Sorge, dass jemand Sie nicht versteht.
Neulich bei einer Wort-Gottes-Feier in einem Seniorenheim konnte ich einen der Gottesdienstteilnehmer, den ich jetzt 1 Jahr lang kenne und der immer schwächer wird, plötzlich nicht mehr verstehen, wenn er etwas sagte.
Ich dachte, wie schrecklich muss das für ihn sein, wenn er merkt, er ist nicht mehr zu verstehen.
So verließ ich mich auf seine Liebe zum Singen und da waren seine Worte wieder klar und verständlich: „Großer Gott wir loben dich!“