Skip to content
  • Home
  • Über mich
  • Jesuiten

PaterBerndHagenkord.blog

Vatican News

powered by Logo des Jesuitenordens

Suchen, nicht kämpfen

Veröffentlicht am 27. Oktober 201127. Oktober 2011

Aus Assisi. Die Ansprache des Papstes beim Friedenstreffen in Assisi, gehalten in Santa Maria degli Angeli.

Liebe Brüder und Schwestern!
Sehr geehrte Oberhäupter und Vertreter der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften sowie der Weltreligionen!
Liebe Freunde!

25 Jahre sind vergangen, seitdem der selige Papst Johannes Paul II. erstmals Vertreter der Religionen der Welt nach Assisi zu einem Gebet für den Frieden geladen hat. Was ist seitdem geschehen? Wie steht es um die Sache des Friedens heute?

Wille der Völker zur Freiheit war stärker als die Arsenale der Gewalt
Damals kam die große Bedrohung des Friedens in der Welt von der Teilung der Erde in zwei einander entgegengesetzte Blöcke. Augenfälliges Sinnbild dieser Teilung war die Mauer in Berlin, die mitten durch die Stadt die Grenze zweier Welten zog. 1989 – drei Jahre nach Assisi – ist die Mauer gefallen – ohne Blutvergießen. Die gewaltigen Waffenarsenale, die hinter der Mauer standen, bedeuteten plötzlich nichts mehr. Sie hatten ihren Schrecken verloren. Der Wille der Völker zur Freiheit war stärker als die Arsenale der Gewalt. Die Frage nach den Ursachen dieses Umbruchs ist sehr vielschichtig und nicht mit einfachen Formeln zu beantworten. Aber neben den wirtschaftlichen und politischen Faktoren ist der tiefste Grund für das Ereignis ein geistiger: Hinter der materiellen Macht standen keine geistigen Überzeugungen mehr. Der Wille zur Freiheit war schließlich stärker als die Furcht vor der Gewalt, die keine geistige Deckung mehr hatte. Für diesen Sieg der Freiheit, der vor allem auch ein Sieg des Friedens war, sind wir dankbar. Und es ist hinzuzufügen, dass es dabei nicht nur, wohl nicht einmal primär, aber doch auch um die Freiheit zu glauben ging. Insofern dürfen wir dies alles auch irgendwie mit dem Gebet um den Frieden in Zusammenhang bringen.

Welt der Freiheit – Orientierungslos
Aber was ist dann geschehen? Wir können leider nicht sagen, dass seither Freiheit und Friede die Situation prägen. Auch wenn es die Drohung des großen Krieges im Augenblick nicht gibt, so ist die Welt doch leider voller Unfriede. Nicht nur, dass da und dort immer wieder Kriege geführt werden – die Gewalt als solche ist potentiell immer gegenwärtig und prägt den Zustand unserer Welt. Freiheit ist ein großes Gut. Aber die Welt der Freiheit hat sich weithin als orientierungslos erwiesen, und sie wird von nicht wenigen auch als Freiheit zur Gewalt missverstanden. Der Unfriede hat neue und erschreckende Gesichter, und das Ringen um den Frieden muss uns alle auf neue Weise bedrängen.

Gesichter der Gewalt
Versuchen wir, die neuen Gesichter der Gewalt und des Unfriedens etwas aus der Nähe zu identifizieren. Man kann, wie mir scheint, in großen Zügen zwei unterschiedliche Typen der neuen Form von Gewalt feststellen, die in ihrer Motivation konträr gegeneinander stehen und im einzelnen wieder viele Varianten aufweisen. Da ist zunächst der Terrorismus, in dem anstelle des großen Krieges gezielte Anschläge den Gegner an wichtigen Punkten zerstörend treffen sollen, wobei keinerlei Rücksicht auf unschuldige Menschenleben genommen wird, die dabei auf grausame Weise getötet oder verletzt werden. Die große Sache der Schädigung des Feindes rechtfertigt in den Augen der Täter jede Art von Grausamkeit. Alles, was im Völkerrecht als Grenze der Gewalt gemeinsam anerkannt und sanktioniert worden war, ist außer Kraft gesetzt. Wir wissen, dass der Terrorismus häufig religiös motiviert wird und dass gerade der religiöse Charakter der Anschläge als Rechtfertigung der rücksichtslosen Grausamkeit dient, die die Regeln des Rechts um des angezielten „Gutes“ willen beiseite schieben zu dürfen glaubt. Religion dient da nicht dem Frieden, sondern der Rechtfertigung für Gewalt.

Die Religionskritik seit der Aufklärung hatte immer wieder behauptet, Religion sei Ursache von Gewalt und hatte damit die Feindseligkeit gegen die Religionen genährt.

Gewalt im Namen der Religion muss beunruhigen
Dass hier Religion in der Tat Gewalt motiviert, muss uns als religiöse Menschen tief beunruhigen. In einer subtileren, aber immer noch grausamen Weise sehen wir Religion als Ursache von Gewalt auch dort, wo von Verteidigern einer Religion gegen die anderen Gewalt angewendet wird. Die 1986 in Assisi versammelten Religionsvertreter wollten sagen, und wir wiederholen es mit Nachdruck und aller Entschiedenheit: Dies ist nicht das wahre Wesen der Religion. Es ist ihre Entstellung und trägt zu ihrer Zerstörung bei. Dagegen wird der Einwand erhoben: Woher wisst ihr überhaupt, was das wahre Wesen von Religion ist? Kommt euer Anspruch nicht davon her, dass bei euch die Kraft der Religion erloschen ist? Und andere werden einwenden: Gibt es überhaupt ein gemeinsames Wesen der Religion, das sich in allen Religionen ausdrückt und daher für alle gültig ist? Diesen Fragen müssen wir uns stellen, wenn wir realistisch und glaubhaft dem religiös begründeten Gebrauch von Gewalt entgegentreten wollen. Hier liegt eine grundlegende Aufgabe des interreligiösen Dialogs – ein Auftrag, der von dieser Begegnung erneut unterstrichen werden soll. Als Christ möchte ich an dieser Stelle sagen: Ja, auch im Namen des christlichen Glaubens ist in der Geschichte Gewalt ausgeübt worden. Wir bekennen es voller Scham. Aber es ist vollkommen klar, dass dies ein Missbrauch des christlichen Glaubens war, der seinem wahren Wesen offenkundig entgegensteht. Der Gott, dem wir Christen glauben, ist der Schöpfer und Vater aller Menschen, von dem her alle Menschen Brüder und Schwestern sind und eine einzige Familie bilden. Das Kreuz Christi ist für uns das Zeichen des Gottes, der an die Stelle der Gewalt das Mitleiden und das Mitlieben setzt. Sein Name ist „Gott der Liebe und des Friedens“ (2 Kor 13,11). Es ist die Aufgabe aller, die für den christlichen Glauben Verantwortung tragen, die Religion der Christen immer wieder von ihrer inneren Mitte her zu reinigen, damit sie gegen die Fehlbarkeit des Menschen wirklich Instrument von Gottes Frieden in der Welt ist.

Gewalt und die Abwesenheit Gottes
Wenn ein Grundtypus von Gewalt heute religiös begründet wird und damit die Religionen vor die Frage ihres Wesens stellt und uns alle zur Reinigung zwingt, so ist ein zweiter, vielgesichtiger Typus von Gewalt gerade umgekehrt begründet: Folge der Abwesenheit Gottes, seiner Leugnung und des Verlusts an Menschlichkeit, der damit Hand in Hand geht. Die Feinde der Religion sehen – wie wir gesagt hatten – in der Religion eine Hauptquelle der Gewalt in der Menschheitsgeschichte und fordern damit das Verschwinden der Religion. Aber das Nein zu Gott hat Grausamkeiten und eine Maßlosigkeit der Gewalt hervorgebracht, die erst möglich wurde, weil der Mensch keinen Maßstab und keinen Richter mehr über sich kennt, sondern nur noch sich selbst zum Maßstab nimmt. Die Schrecknisse der Konzentrationslager zeigen in aller Deutlichkeit die Folgen der Abwesenheit Gottes.

Gegenreligionen
Ich möchte aber hier nicht weiter vom staatlich verordneten Atheismus sprechen, sondern von der Verwahrlosung des Menschen, mit der sich ein geistiger Klimawechsel lautlos und um so gefährlicher vollzieht. Die Anbetung des Mammon, die Anbetung von Besitz und Macht, erweist sich als eine Gegenreligion, in der der Mensch nicht mehr zählt, sondern nur der eigene Vorteil. Das Verlangen nach Glück degeneriert zum Beispiel zur hemmungslosen, unmenschlichen Begierde, wie sie in der Herrschaft der Droge mit ihren verschiedenen Gestalten erscheint. Da sind die Großen, die mit ihr ihr Geschäft treiben und dann die vielen, die von ihr verführt und körperlich wie seelisch von ihr ruiniert werden. Gewalt wird zur Selbstverständlichkeit und droht in Teilen der Welt unsere Jugend zu zerstören. Weil Gewalt zur Selbstverständlichkeit wird, ist der Friede zerstört, und der Mensch zerstört sich selbst in dieser Friedlosigkeit.

Wo ist Gott?
Die Abwesenheit Gottes führt zum Verfall des Menschen und der Menschlichkeit. Aber wo ist Gott? Kennen wir ihn, und können wir ihn neu der Menschheit zeigen, um wirklichen Frieden zu stiften? Fassen wir zunächst unsere bisherigen Überlegungen noch einmal kurz zusammen. Ich hatte gesagt, dass es ein Verständnis und einen Gebrauch von Religion gibt, durch die sie Quelle von Gewalt wird, während die recht gelebte Hinordnung des Menschen zu Gott Kraft des Friedens ist. In diesem Zusammenhang hatte ich auf die Notwendigkeit des Dialogs verwiesen und von der immer wieder nötigen Reinigung der gelebten Religion gesprochen. Andererseits hatte ich gesagt, dass die Leugnung Gottes den Menschen verdirbt, ihn der Maßstäbe beraubt und zur Gewalt führt.

Die Suche nach Wahrheit
Neben den beiden Realitäten von Religion und Antireligion gibt es in der wachsenden Welt des Agnostizismus noch eine andere Grundorientierung: Menschen, denen zwar das Geschenk des Glaubenkönnens nicht gegeben ist, die aber Ausschau halten nach der Wahrheit, die auf der Suche sind nach Gott. Solche Menschen behaupten nicht einfach: „Es ist kein Gott.“ Sie leiden unter seiner Abwesenheit und sind inwendig, indem sie das Wahre und das Gute suchen, auf dem Weg zu ihm hin. Sie sind „Pilger der Wahrheit, Pilger des Friedens“. Sie stellen Fragen an die eine und an die andere Seite. Sie nehmen den kämpferischen Atheisten ihre falsche Gewissheit, mit der sie vorgeben zu wissen, dass kein Gott ist, und rufen sie auf, statt Kämpfer Suchende zu werden, die die Hoffnung nicht aufgeben, dass es die Wahrheit gibt und dass wir auf sie hin leben können und müssen.

Suchende, nicht Kämpfende
Sie rufen aber auch die Menschen in den Religionen an, Gott nicht als ihr Besitztum anzusehen, das ihnen gehört, so dass sie sich damit zur Gewalt über andere legitimiert fühlen. Sie suchen nach der Wahrheit, nach dem wirklichen Gott, dessen Bild in den Religionen, wie sie nicht selten gelebt werden, vielfach überdeckt ist. Dass sie Gott nicht finden können, liegt auch an den Gläubigen mit ihrem verkleinerten oder auch verfälschten Gottesbild. So ist ihr Ringen und Fragen auch ein Anruf an die Glaubenden, ihren Glauben zu reinigen, damit Gott, der wirkliche Gott zugänglich werde. Deshalb habe ich bewusst Vertreter dieser dritten Gruppe zu unserem Treffen nach Assisi eingeladen, das nicht einfach Vertreter religiöser Institutionen versammelt. Es geht vielmehr um die Zusammengehörigkeit im Unterwegssein zur Wahrheit, um den entschiedenen Einsatz für die Würde des Menschen und um das gemeinsame Einstehen für den Frieden gegen jede Art von rechtszerstörender Gewalt. Am Schluss möchte ich Ihnen versichern, dass die katholische Kirche nicht nachlassen wird im Kampf gegen die Gewalt, in ihrem Einsatz für den Frieden in der Welt. Wir sind von dem gemeinsamen Wollen beseelt, „Pilger der Wahrheit, Pilger des Friedens“ zu sein.

  • teilen 
  • teilen 
  • teilen 
  • teilen 
  • E-Mail 
Kategorien Allgemein, Benedikt XVI., Spiritualität / Geistliches Leben
Schlagwörter Abwesenheit Gottes, Assisi, Frieden, Gewalt, Gottsuche, Macht, Nichtglaubende, Papstreise, Pilger, Santa Maria degli Angeli, Wahrheit

Ein Gedanke zu “Suchen, nicht kämpfen”

  1. H.Sattel sagt:
    7. Januar 2012 um 21:28 Uhr

    Wie kommt die Kirche darauf das GOTT abwesend ist, da der Mensch IHN verlassen hat und GOTT (als das EWIGE WORT)
    auch heute immer noch nach dem Menschen ruft: „Adam, wo bist du?“ und sich sogar selbst zum WEG für den Menschen
    macht, damit dieser wieder zu IHM (GOTT) und zu sich selber finden kann.
    GOTT ist im wahren Menschsein angekommen, wo ER auf uns wartet. Wie kann also selbst die Kirche die Frage
    nach GOTT stellen, wo ER denn sei? Wer sich mehr um die Welt kümmert und ihr gefallen will und sich mehr auf
    Geld oder andere Rücklagen verlässt; dem es nur um das eigene Reich und um die eigene Herrschaft geht,
    der wird bei GOTT und bei sich selbst: bei seiner eigenen Wahrheit niemals ankommen und somit im Tod bleiben.
    Tun wir uns eigentlich nicht selbst Gewalt an, wenn wir mit aller Gewalt vor unserer eigenen Wahrheit sogar fliehen und diese in jeder Form bekämpfen, da es eben Überwindung kostet, diesen „alten Adam“ abzulegen,
    der in keine Kirche und in keine Religion passt?

    Antworten

Schreibe einen Kommentar Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Links

  • Helfen Sie meinem Blog
  • Radio Vatikan
  • RV-Newsletter bestellen

Neueste Beiträge

  • „Wohin auch immer das führen wird“
  • Respekt!
  • Selbstkritik
  • Sammelpunkt der Dynamik des Zuhörens

Kategorien

  • Allgemein
  • Benedikt XVI.
  • Bischofssynode
  • Die deutschsprachige Kirche
  • Franziskus
  • Geschichte
  • Glaube und Gerechtigkeit
  • Glaube und Vernunft
  • Interview
  • Kirche und Medien
  • Kunst, Kultur und Können
  • Neulich im Internet
  • Ökumene
  • Papstreise
  • Rom
  • Spiritualität / Geistliches Leben
  • Sprechen von Gott
  • Vatikan
  • Zweites Vatikanisches Konzil

Artikelarchiv

  • Juni 2021
  • Mai 2021
  • April 2021
  • März 2021
  • Februar 2021
  • Januar 2021
  • Dezember 2020
  • November 2020
  • Oktober 2020
  • September 2020
  • August 2020
  • Juli 2020
  • Juni 2020
  • Mai 2020
  • April 2020
  • März 2020
  • Februar 2020
  • Januar 2020
  • Dezember 2019
  • November 2019
  • Oktober 2019
  • September 2019
  • August 2019
  • Juli 2019
  • Juni 2019
  • Mai 2019
  • April 2019
  • März 2019
  • Februar 2019
  • Januar 2019
  • Dezember 2018
  • November 2018
  • Oktober 2018
  • September 2018
  • Juli 2018
  • Juni 2018
  • Mai 2018
  • April 2018
  • März 2018
  • Februar 2018
  • Januar 2018
  • Dezember 2017
  • November 2017
  • Oktober 2017
  • September 2017
  • August 2017
  • Juli 2017
  • Juni 2017
  • Mai 2017
  • April 2017
  • März 2017
  • Februar 2017
  • Januar 2017
  • Dezember 2016
  • November 2016
  • Oktober 2016
  • September 2016
  • August 2016
  • Juli 2016
  • Juni 2016
  • Mai 2016
  • April 2016
  • März 2016
  • Februar 2016
  • Januar 2016
  • Dezember 2015
  • November 2015
  • Oktober 2015
  • September 2015
  • August 2015
  • Juli 2015
  • Juni 2015
  • Mai 2015
  • April 2015
  • März 2015
  • Februar 2015
  • Januar 2015
  • Dezember 2014
  • November 2014
  • Oktober 2014
  • September 2014
  • August 2014
  • Juli 2014
  • Juni 2014
  • Mai 2014
  • April 2014
  • März 2014
  • Februar 2014
  • Januar 2014
  • Dezember 2013
  • November 2013
  • Oktober 2013
  • September 2013
  • August 2013
  • Juli 2013
  • Juni 2013
  • Mai 2013
  • April 2013
  • März 2013
  • Februar 2013
  • Januar 2013
  • Dezember 2012
  • November 2012
  • Oktober 2012
  • September 2012
  • August 2012
  • Juli 2012
  • Juni 2012
  • Mai 2012
  • April 2012
  • März 2012
  • Februar 2012
  • Januar 2012
  • Dezember 2011
  • November 2011
  • Oktober 2011
  • September 2011
  • August 2011
  • Mai 2011

Schlagwörter

Barmherzigkeit Benedikt XVI. Bischofssynode Deutschland Deutschlandreise Dialog Evangelii Gaudium Familie Flüchtlinge Franziskus Frieden Gebet Generalaudienz Gesellschaft Glaube Glauben Gott Internet Jahr des Glaubens Jesus Kirche Kommunikation Kuba Liturgie Medien Missbrauch Neuevangelisierung Papst Papst Franziskus Papstreise Politik Predigt Radio Vatikan Reform Religion Rom Sommerreise Spiritualität synodaler Weg Synode Theologie Vatikan Verkündigung Öffentlichkeit Ökumene
  • paterberndhagenkord.blog
  • Kontakt / Impressum
  • Datenschutzerklärung
Der Blog von Pater Bernd Hagenkord   |   2011 bis 2025
Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.OKNeinDatenschutzerklärung