Ein Gedanke zur Fastenzeit.
Keine Sünde des Menschen ist so groß, dass es nicht noch größere Gnade Gottes gebe. Immer und immer wieder sagt der Papst das, die Barmherzigkeit Gottes übersteige alles, was ein Mensch machen könne. Theologisch ist das eindeutig, kein Handeln des Menschen kann ein Handeln Gottes einschränken oder bedingen. Aber psychologisch ist das gar nicht so einfach nachzuvollziehen, denn man kann ja auch falsche Schlüsse daraus ziehen. Etwa den, dass alles gar nicht so schlimm sei.
Eine Verharmlosung der Sünde also, die im Dunkeln angekrochen kommen mag, wenn wir die Barmherzigkeit Gottes in den Vordergrund rücken. Das spricht nicht gegen die Barmherzigkeit, aber gegen eine bestimmte Form, über sie zu sprechen.
Das Problem ist nicht neu. Paulus etwa schreibt im Römerbrief über eine ähnliche Konstellation. Er hatte gerade – in Kapitel 5 unserer Zählung – erklärt, dass durch die Sünde das Heil gekommen sei. Um dann anschließend die Frage zu stellen: „Was sollen wir nun sagen? Sollen wir an der Sünde festhalten, damit die Gnade umso mächtiger werde?“ Also: je mehr Sünde, desto mehr Vergebung? Das ist auch eine Form der Verharmlosung.
Paulus löst das Problem, indem er über die Art der Erlösung spricht. Diese ist kein Schwamm, der alles wegwischt. Kein einfaches Geschehen, das uns Sünder lächeln lässt, weil alles nicht so schlimm ist. Erlösung hat mit Kreuz und Tod und Auferstehung zu tun. Und dabei sind wir keine Zuschauer: „Wir wissen doch: Unser alter Mensch wurde mitgekreuzigt, damit der von der Sünde beherrschte Leib vernichtet werde, sodass wir nicht mehr Sklaven der Sünde sind. Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.“ (Röm 6:6.9).
Es hilft, diese Betrachtung von Sünde und Gnade in unsere Überlegungen einzubeziehen. Barmherzigkeit geht den Weg, den Jesus gegangen ist. Barmherzigkeit ist nicht ohne Kreuz verstehbar.
Der Gedanke, dass alles gar nicht so schlimm sei, stirbt angesichts dieser Gedanken. Leider kommt das Kreuz – obwohl wir Christen es uns quasi als Logo gegeben haben – immer etwas kurz in unseren Gedanken.
Die Barmherzigkeit Gottes als Zentrum unseres Glaubens an Gott ist also kein „Glaube light“, der nur die angenehmen Seiten betont. Das muss beim Barmherzigkeitsgedanken mitgedacht werden.
Und zum Thema “Sünde und Gnade”:
Dieses Thema ist für mich der zentrale Kern unseres christlichen Glaubens überhaupt.
Bin ich mit meinem Leben, sprich mit meinen Taten und meinem Umgang mit ihnen, noch im grünen Bereich?
Wird mein Nächster, der sich nicht darum kümmert, was er seinem Nächsten so alles antut, vor Gott genauso behandelt wie ich, wenn ich mich wenigstens bemühe?
Für mich vielleicht die wichtigste Frage unseres Glaubens!
Denn letztlich geht es hauptsächlich darum, wie wir unser Leben geführt haben.
Aber der Punkt ist doch gerade, dass selbst wenn alles schief geht, die Gnade Gottes doch noch mal größer ist.
Wer aus dem Herzen lebt und handelt, ist stets im ‘grünen Bereich’ und braucht seinen Nächsten nicht um der ihm zuteil werdenden göttlichen Gnade willen zu beneiden, was ja eine Sünde wider den Heiligen Geist wäre, die unbereut weder in dieser noch in der künftigen Welt vergeben wird (Mt 12,31-32).
“O mein Jesus, verzeih uns unsere Sünden,
bewahre uns vor dem Feuer der Hölle,
führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene,
die deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen.”
Früher irritierte mich der Teil mit dem “Feuer der Hölle”.
Mit den Jahren spürte ich, dass diese drei Bitten sozusagen aufeinander aufbauen und -nach meinem Gespür- in der dritten Bitte gipfeln. Für mich sind hier wirklich alle Seelen gemeint.
Heut Abend will ich für Sie, lieber HJB, und ihren Nächsten beten. Niemand von uns weiß, was uns morgen bevorsteht und wer am Ende des Tages dann am meisten seiner Barmherzigkeit bedarf.
Wenn aber sämtliche Seelen in den Himmel hinein errettet werden, verliert das Höllenfeuer seinen praktischen Sinn und Zweck.
Die Hölle als praktischer Zweck. Dieser Gedanke ist mir genauso neu wie absurd.
Ohne Hölle braucht man keine Erbsündenlehre und keine Kindertaufe.
Das ist jetzt schon etwas apodiktisch. Die Sündhaftigkeit des Menschen an und für sich, ohne eigenes Zutun, braucht keine Hölle. Gnade allerdings schon.
Offenbar scheint die Höllenlehre des heiligen Augustinus inzwischen überholt zu sein. Die Vorhölle wurde ja kürzlich auch abgeschafft. Diese alokalen Strafräume sind ohnehin schwierig zu begreifen: http://www.uni-stuttgart.de/esg/zettelkasten/Geschichte_der_Hoelle.pdf
Aber irgendwo muss es es die Hölle doch geben, denn auch der Teufel braucht ein ordentliches Zuhause…
Wenn die Hölle leer wäre bzw. nicht existent, dann wären folgende Aussagen nicht exakt die Aussagen eines allmächtigen, allwissenden, allguten menschgewordenen Gottes:
“40 Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.
41 Dann wird er zu denen auf der Linken sagen: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist!
42 Denn ich war hungrig und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben;
43 ich war fremd und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir keine Kleidung gegeben; ich war krank und im Gefängnis und ihr habt mich nicht besucht.
44 Dann werden auch sie antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig oder fremd oder nackt oder krank oder im Gefängnis gesehen und haben dir nicht geholfen?
45 Darauf wird er ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.
46 Und diese werden weggehen zur ewigen Strafe, die Gerechten aber zum ewigen Leben.”
Wenigstens das “ewig” vor Strafe wäre eine fehlerhafte Wiedergabe seiner Worte.