Das Konzilsjubiläum steht vor der Tür, 50 Jahre nach Eröffnung will sich die Kirche neu der Umsetzung widmen, Stichwort: Jahr des Glaubens. Aber wie versteht man heute diese Texte von damals? Ein Interview mit Professor Johannes Grohe, Kirchenhistoriker an der Santa Croce Universität in Rom.
Das Konzil gilt als das herausragende Ereignis der letzten 150 Jahre Kirchengeschichte. Ist es nicht andererseits erstaunlich, dass ein Konzil fast wichtiger scheint als alle Päpste und lehramtlichen Entscheidungen, die außerhalb davon gefallen sind?
„Zum einen ist das II. Vatikanische Konzil ein schönes Beispiel für diese Synthese der Zusammenarbeit von päpstlichen und synodalem Lehramt. Dieses Konzil ist von Johannes XXIII. einberufen worden mit dieser großen Vision, die ihn damals auszeichnete, von Paul VI. durchgeführt worden und von Paul und den folgenden Päpsten in die Tat umgesetzt worden.
In diesem Prozess der Aufnahme der Konzilstexte und ihrer Umsetzung sind wir noch mitten drin. Das Konzil ist auch deswegen ein so großes Ereignis gewesen, weil wegen der modernen Kommunikations- und Transportmittel tatsächlich die Bischöfe der Weltkirche haben teilnehmen können. Ein von so vielen Bischöfen besuchtes Konzil hatten wir bis dato nie. Mit anderen Worten, wir haben tatsächlich Verwirklichung, Versammlung der Weltkirche in einem Augenblick.
Insofern ist das Konzil auch ein wichtiger Schritt zur Verwirklichung dessen, was Weltkirche ist, was theologisch immer klar war, was aber auch de facto in die Tat umgesetzt werden muss. In der Tat haben wir heute eine Wahrnehmung der Kirchenleitung in einer kollegialen Form, wie es eigentlich schon über viele Jahrhunderte nicht gewesen ist. Man hat immer wieder Ansätze gehabt, aber heute können wir davon sprechen, dass die Kollegialität des Bischofskollegiums Wirklichkeit geworden ist.“
Das Konzil in der Lesart einer Hermeneutik der Kontinuität und nicht des Bruchs – das hat Papst Benedikt angemahnt. Müsste man da nicht einige Dokumente, Entscheidungen, Reformen revidieren?
„Reform bedeutet immer, dass etwas verändert wird im Vergleich zu dem, was davor gelebt und gelehrt wird. Geändert heißt aber nicht, dass man das, was zuvor gelehrt und gelebt wird, einfach für obsolet erklärt. Es ist eine kontinuierliche Entwicklung im Lauf der Jahrhunderte der Dogmengeschichte.
Und so haben wir im II. Vatikanischen Konzil wichtige neue Akzente, die aber nicht einen Bruch mit den Jahrzehnten und Jahrhunderten der Kirche davor bedeuteten. Die Umsetzung der Dekrete des Konzils ist Aufgabe der ganzen Kirche, aber unter Leitung des Lehramtes. Insofern ist die qualifizierte Interpretation der einzelnen Texte durch die Päpste des Konzils und danach die entscheidende Stimme, die die Richtung angibt, wie die Texte aufgenommen und verwirklicht werden sollen.“
Heißt das nun aus Ihrer Sicht, dass es Entscheidungen gibt, die überarbeitet werden sollten?
„Natürlich, ein Konzilstext ist nie ein endgültiges Wort. Hinzu kommt, dass die Texte des II. Vatikanischen Konzils im Unterschied zu anderen Konzilien früherer Jahrhunderte eine Eigenart besitzen: das Konzil hat sich selbst als pastorales Konzil definiert.
Das heißt nicht, dass nicht lehrhafte Aussagen gemacht worden seien, die bindend sind. Aber wo es pastorale Aussagen sind, wo es disziplinäre Aussagen sind, liegt es auf der Hand, dass im Lauf der Zeit neue Fragen auch neue Antworten erfordern.
In anderen Worten, die Kirche findet auf neue Fragestellungen sicherlich unter der Orientierung des II. Vatikanums auch neue Antworten, aber, wie ich vorhin sagte, unter der Leitung des päpstlichen, bischöflichen Lehramtes.“
Papst Benedikt hat ein Jahr des Glaubens ausgerufen und den Beginn am 11. Oktober 2012 angesetzt – das ist der 50. Jahrestag des Beginns des II. Vatikanums. Von welchen Neuerungen des Konzils erhofft sich der Papst Ihrer Einschätzung nach besonders starke Impulse für das Glaubensleben heute?
„Wenn wir von Glauben und Erneuerung des Glaubens sprechen, bedeutet das gegenüber dem Wort Gottes immer die Haltung des gehorsamen Hinhörens. Das Konzil vermittelt uns die Lehre der Kirche, auf die die Hirten, Theologen und das ganze Volk Gottes gläubig hinhören müssen.
Mit anderen Worten, zu sagen das ist jetzt schon 50 Jahre her, das sagt der Kirche heute nichts mehr, wir müssen darüber hinausgehen, ist zumindest leichtfertig. Aber zu behaupten, diese Texte sind ein Bruch mit der Tradition zuvor, wir müssen auf die Tradition zuvor zurückgreifen, wie es aus einer Ecke der Kritik gegenüber dem Konzil verlautet, hilft auch nicht weiter.
Wir müssen annehmen, dass in diesem Konzil der Heilige Geist gesprochen hat, dass also die Kirche für unsere Zeit mit oberster Autorität lehrt, und da kommt es immer wieder bei aller Unterschiedlichkeit von Meinungen und theologischen Schulen dazu, dass der einzelne sich im gläubigen Gehorsam an das hält, was die Kirche uns gelehrt hat. Das muss man im Grund gegenüber den Extremen verteidigen, die etwa versuchen, die Konzilstexte auszuhebeln mit anderen Quellen – es gibt etwa eine historiografische Linie, die Konzilstexte und andere Quellen aus dieser Zeit einander gegenüberstellt, etwa Tagebücher der Konzilsväter und Periti undsoweiter, als wäre das der Punkt, auf den wir uns beziehen könnten.
Sicher: Konzilstexte sind immer Mehrheitsentscheidungen. Im Fall des II. Vatikanischen Konzils hat insbesonders Paul VI. sehr darauf gedrängt, dass immer eine Fast-Einmütigkeit da war. Er hat so lange um den Text gerungen, bis fast alle dann ja dazu sagen konnten. Wenn nun in einer gewissen Interpretation gesagt wird, Kompromisstexte bedeuten, dass nicht alle zum Zuge kommen, also gehe ich dem nach, wo die abweichende Meinung irgendwo in anderen Quellen zu finden ist und behaupte, das ist das eigentliche Konzil, dann ist das weder historiographisch akzeptabel noch theologisch verantwortbar.“
Welche Impulse für den Glauben heute vermag also das Konzil zu geben?
„Das Konzil hat Großes vorgelegt über das, was die Kirche selber ist, was das Volk Gottes ist. Wir haben im Grund noch ungehobene Schätze.
Was mir persönlich naheliegt, ist deutlich zu machen, dass das Volk Gottes als Ganzes Kirche ist, dass die Laien in der Kirche eine große Aufgabe und Berufung haben, dass es keine verschiedenen Klassen von Berufung zur Fülle des christlichen Lebens, oder sagen wir es mit dem theologischen Begriff: zur Heiligkeit gibt, sondern dass das alle Glieder des Volkes Gottes in gleicher Weise angeht.
Hier könne man sagen, es sind in der Tat noch Schätze zu heben, die zwar nicht völlig versteckt sind, denn glücklicherweise bemühen sich viele Männer und Frauen in der Kirche seit Jahrzehnten darum, genau das in die Tat umzusetzen, und glücklicherweise gibt es auch viele Aufbrüche, die sich irgendwo alle auf diese neue Sicht von Kirche, von Mitwirkung zwischen gläubigen Laien und Amtsvertretern in der Kirche zurückführen lassen.“
Das Interview führte Gudrun Sailer
Ein Schatz wäre, auch mal von L e r n a m t statt nur Lehramt zu reden. Die unterschiedlichen Berufungen werden vom Lehramt festgelegt, ich weiß. Der Heilige Geist zeigt sich ganz konkret in Form von bestimmten Gruppen, gut organisiert und mit Einfluss…das Jahr des Glaubens wird wohl ein Jahr des so-soll-es- sein..ich sehe da keine Zukunft.Die Frage könnte sein: warum hat man 50 Jahre lang nicht begriffen, ob das 2. Vat gescheit in die Tat umgesetzt wurde? Warum gibt es soviele Mißverständnisse bei vatikanischen Verlautbarungen? Warum versteht man bereits das Thema Entweltlichung so unterschiedlich? Der Papst, der es angesprochen hat, lebt noch. Könnte man ihn fragen? Jeder macht seinen Kram, so kommt mir Kirche vor.Und wer den Heiligen Geist für sich beansprucht, könnte schon mal daneben liegen.Der mündige Christ, besonders im kath Bereich, entwickelt sich unabhängig vom Lehramt, das auch mal zuhören könnte. Ist das Lehramt nur Gott gegenüber Rechenschaft schuldig, oder auch dem Volk der Glaubenden?
„Akzente, die keinen Bruch mit der Kirche davor bedeuten …“ Eine charmante Harmonie-Rhetorik. Was sollen wir denn antworten, wenn wir gerade vor dem Start ins Jahr des Glaubens gefragt werden: Hat sich die Kirche eigentlich vom Anspruch verabschiedet, wie ihn Pius IX. in „Quanta Cura“ oder Gregor XVI. in „Mirari vos“ formuliert hat, oder hat sie nicht? Wie interpretiert denn die Hermeneutik der Kontinuität das Urteil, demzufolge z.B. die Forderung nach Gewissensfreiheit Wahnsinn sei?
keinen bruch mit der kirche davor..weil die ecclesia immer wahr ist?heiliger gehorsam. neulich habe ich „sakraler mißbrauch“ gelesen. ein guter ausdruck. wo man nicht klarkommt, wird es sakral.. mir fällt da gerade die kirchengeschichte ein, die wir auch von a bis zett studieren mußten. natürlich aus katholischer sicht. später habe ich es dann gewagt, mal die kirchensicht nichtkirchlicher historiker daneben zu stellen und hatte den eindruck, es handelt sich um 2 verschiedene kirchen.ich weiß nur das eine, ihr lieben leut, wenn kirchliches lehramt nicht vom hohen ross herunterkommt, wird kirchliche basis weiter ihren eigenen weg gehen. der eine vor das 2. vat zurück und der andere…..und der dritte geht ganz.während das lehramt weiter bis in den himmel hinein festlegt, wer wohin gehört. heilig, selig, sonstwas.die armen heiligen. wie sieht es mit ihrer ewigen seligkeit aus, wenn sie tag und nacht die wünsche der erdenbewohner erfüllen müssen?dies nur am rande.