„Die Gesellschaft der Unruhigen“: Mit diesem Titel versah der Osservatore Romano seinen Bericht über die Papstmesse am Freitag mit dem Jesuitenorden, der „Gesellschaft Jesu“, wie wir offiziell heißen. Eine treffende Überschrift, legte der Papst doch ein einigen Stellen seinen Finger auf Wunden. Mehr als einmal während der Predigt fühlte ich mich ertappt: Bin ich das wirklich? Ist das mein Leben als Jesuit, das der Papst da beschreibt?
Intellektuell konnte ich das alles wunderbar nachvollziehen, aber es ist ja gerade die Stärke dieses Papstes, eine persönliche Verbindung herzustellen und die „Herzen“ anzusprechen, nicht nur das Hirn. Die Predigt hat mich also – das habe ich mir beim Schlangestehen zum Papstbegrüßen eingestehen müssen – unruhig gemacht. Gut so.
Die Unruhe mag etwas sein, was für Jesuiten wichtig ist, aber wir haben es bei weitem nicht exklusiv. Man lese nur noch einmal die Predigt nach, die Benedikt XVI. vor genau einem Jahr, Epiphanie 2013 gehalten hat, der Gedanke der Unruhe durchzieht auch sein Denken über die Suche nach Gott. Es sind also weder nur die Jesuiten, noch ist es nur Franziskus.
Aber es hat etwas mit Ordensleben zu tun. Am gleichen Tag, an dem der Papst das Fest des Namens Jesu (3. Januar) mit den Jesuiten feierte, wurde in der Zeitschrift Civiltà Cattolica ein Protokoll veröffentlicht, dass – nach Freigabe durch den Papst – eine Treffen wiedergibt, dass Papst Franziskus mit Ordensoberen von Männergemeinschaften hatte.
Die Ruhe verzerrt die Wahrnehmung
Er selber sei auch ein Ordensmann, antwortete der Papst auf die Fragen. Damit ist weniger der kirchenrechtliche Status als vielmehr das Selbstverständnis des Papstes angesprochen: „You can get the boy out of the Jesuits but never the Jesuit out of the boy“, heißt ein us-amerikanisches Sprichwort.
Und als Ordensmann sagte der den Oberen, was er von Orden erwartet: Zum einen das Lebenszeugnis. Ordensleute sind keine besseren Christen, aber sie sind sichtbarer, und das muss sich bemerkbar machen, würde ich anfügen. Der Papst drückt es anders aus: Das Ordensleben sei nicht radikal, aber es soll prophetisch sein. Und hier wird dann die Unruhe wichtig: Ordensleben würde „die Alarmklingel schellen lassen“ und die Welt aufwecken. Und das hat nichts mit Aktivismus zu tun, schauen wir auf die kontemplativen Orden. Auch sie und vielleicht sogar gerade sie leisten genau das. „Weckt die Welt auf!“ war die Aufforderung von Franziskus.
Und dann noch einmal eine seiner Lieblingskategorien: Man versteht die Realität nur, wenn man sie vom Rand aus ansieht, der berühmten Peripherie. Das Zentrum, das seien die Ruhe und Friedlichkeit der Gegenwart, von denen müsse man weg kommen. Das spricht nicht gegen Urlaub oder dem Wunsch, auch mal nichts zu tun, das ist auch kein Plädoyer für Aktivismus, das beschreibt aber eine innere Haltung des sich nicht zufrieden geben. Alles soll so bleiben wie es ist, „Augenblick, verweile!“, verzerrt die Wahrnehmung, weil ich dann nur noch das sehen will, was mich in Ruhe lässt.
Wirrwar, Durcheinander
Das vom Papst gewählte Beispiel ließ mich innerlich jubeln: Jugendarbeit. Das habe ich selber acht Jahre lang gemacht, da hängt immer noch ein gutes Stück meines Herzens und die Schlüsse, die der Papst zog, hallen auch bei mir wieder: Wir müssen unsere Sprache wandeln, um verstanden zu werden. Wir müssen uns ändern, wenn wir gehört werden wollen.
Und gehört werden müssen wir wollen, denn da liegt laut Papst das Zentrum des Ordenslebens: Die prophetische Verkündigung des Reiches Gottes. Das sei nicht verhandelbar. Und Prophet-Sein mache Lärm, fügt der Autor des Protokolls eine Stelle aus dem Papstinterview mit der Civiltà Cattolica an. Wieder die Unruhe, das Störende, das das Christentum haben muss.
Nebenbemerkung: Lärm machen, das hatte der Papst den Jugendlichen in Rio beim WJT zugerufen, „lío“ sollten sie machen, Wirrwar, Durcheinander. Eben: Unruhe.
Vielleicht zeigt ein Blick auf die Ordensgemeinschaften, die wir am wenigsten mit Unruhe verbinden, was am ehesten mit alldem gemeint ist: Ein kontemplativer Orden, ein Schweigeorden, in dem alles nach einem klaren Ablauf geregelt ist und in dem es wenig äußere Veränderungen gibt. Die Mitglieder, die kenne, leben eben gerade kein Leben in Ruhe und Abgeklärtheit. Das gibt es genug innere Aufregung und die Frage, wie gerade dieses Leben heute zu leben ist. Es bringt eben keinen „Nutzen“ für andere, sondern „nur“ Gebet. Aber darin allein kann schon viel Unruhe liegen, sowohl für den Mönch oder die Schwester, als auch für uns außerhalb. Wie halten die das aus? Mache ich vielleicht zu viel Umstände, wenn es auch einfacher geht?
Da ist viel Lärm, wenn das Prophetische Zeichen dieses Lebens gelebt wird.
Mass at the Church of the Jesus: http://www.youtube.com/watch?v=kUuOT_rre0w&feature=share
Zufällig habe ich mir gestern diese wunderschöne Messe ansehen. Obwohl ich kein Italienisch und auch kein latein kann habe ich die Intesivität gefühlt und die Kraft der Predigt gespürt. Es lohnt sich sehr diese Messe anzuschauen, alleine wegen der wunderschönen Musik. Es ist ja auch möglich die Predigt auf deutsch nachzulesen. Vielleicht kann Pater Hagenkord hier den Link der Predigt hinterlegen.
Für mich ist es noch ein sehr schwerer, langer Weg. Beten muss geübt sein und ganz ehrlich mir fällt es nicht leicht. Ich bin eine Suchende. Die Unruhe von die der Papst spricht treibt mich voran, seine Worte helfen mir dabei.
Pater Hagenkord ich freue mich für sie bei dieser Messe dabei seien konnten.
@Carmen Fink, danke für den Link und mir fiel gerade noch ein Gedanke der Großen Teresa (von Avila) ein: „Das Gebet ist meiner Ansicht nach nichts anderes als ein Gespräch mit einem Freund, mit dem wir oft und gern allein zusammenkommen um mit ihm zu reden, weil er uns liebt.“
„Man versteht die Realität nur, wenn man sie vom Rand aus ansieht, der berühmten Peripherie. Das Zentrum, das seien die Ruhe und Friedlichkeit der Gegenwart, von denen müsse man weg kommen“. So ähnlich hat auch Rupert Lay SJ die Ketzer (Katharer) beschrieben (siehe sein gleichnamiges Buch), die vom Rand des Kreises aus den Mittelpunkt deutlicher erkennen als diejenigen, die sich selbst in der Mitte, im ruhenden Zentrum wähnen.
Die Orden haben mich geprägt und begleitet, vom Kindergarten bis zum Abitur waren es katholische Ordensschwestern, besonders in den Jahren bis zum Abitur haben es unsere Lehrerinnen (Schwestern der Maria Ward CJ) geschafft aus uns Kindern Verantwortungsbewusste junge Damen heranzubilden. In unseren Jahren in Lateinamerika waren es die unterschiedlichen Begegnungen mit Jesuiten die mein Glaubensbild geprägt haben. (Es hat mich sehr gefreut, dass Papst Franziskus Pater Pedro Arrupe so sehr besonders hervorgehoben hat.) In einer sehr schwierigen Arbeitskrise war es die karmelitische Spiritualität die mich aufgefangen und „geheilt“ hat. Nun lebe ich in einer Gemeinde die von Dominikanern geleitet wird und fühle mich sehr wohl. Unsere Orden haben in der Geschichte der katholischen Kirche immer wieder für Erneuerung, für Bewegung gesorgt. Der Ruf „Weckt die Welt auf“ hat somit schon eine gewisse Tradition in unserer Kirche. Und noch etwas hat Franziskus den Orden gesagt: „Ich bin von einer Sache überzeugt: die großen Veränderungen der Geschichte traten ein, wenn die Wirklichkeit nicht in der Mitte, sondern von den Rändern betrachtet wurde. „ Was für ein Satz!!!!!!
Hier noch ein Nachtrag , der Link zur Predigt von Papst Franziskus. http://de.radiovaticana.va/m_articolo.asp?c=760817
@Chrisma danke für ihre lieben Worte!