Es ist gleichzeitig beeindruckend und merkwürdig. Und das Doppelgefühl geht auch nach neun Jahren hier im Vatikan nicht weg. Ich spreche von meinem Weg zur Arbeit, wenn es um live-Übertragungen aus dem Vatikan geht. Wir – Vatican News und Vatican Media – übertragen ja Papstmessen, Papstreisen und dergleichen mehr. Und das bedeutet arbeiten im Petersdom.
Der Ort dieser Übertragungen ist ein ganz besonderer ort dort im Petersdom. Oder besser: der Ort ist ziemlich banal, eine Holz-Box neben anderen Holz-Boxen wie es sie unzählig in Hörfunk-Studios kennt. Nur der Weg dahin ist ein ganz besonderer.
Es beginnt bei den Schweizergardisten am Eingang rechts von Sankt Peter, der so genannten Porta Sant’Anna. Wir gehen die Straße leicht bergan, rechts die Druckerei und dahinter der Supermarkt, links der alte Wehrturm der aussieht wie der Geldspeicher von Dagobert Duck und in dem tatsächlich die Vatikanbank IOR untergrbacht ist. Wer als Tourist am Tor vorbei geht, kann diese Straße durch das Tor sehen, mehr aber leider nicht.
Darüber erhebt sich der so genannte Apostolische Palast, vier Stockwerke voller Büros, Repräsentations- und Audienzräume und ganz oben das Appartamento, die päpstlichen Wohnräume, welche Papst Franziskus nur zum Arbeiten, nicht aber zum wohnen, nutzt.
Vatikanbank links, Supermarkt rechts
Am Ende er Straße geht es auf den Innenhof der Vatikanischen Museen, man kann durch die Fenster die Fresken und Kunstwerke sehen. Der Hof selber ist unspektakulär: ein Parkplatz. Links an der Feuerwehr vorbei – ja, auch der Vatikan hat eine „Betriebsfeuerwehr“ – geht es hinein in den apostolischen Palast, rauf in den ersten Stock (der in Wirklichkeit der zweite ist, aber das hängt davon ab, wo man hineinkommt. Für Päpste und Regierungschefs ist es tatsächlich der erste Stock).
Diese „prima Loggia“ führt uns dann Richtung Sankt Peter. Zuerst ist da die Sala Ducale, ein Empfangsraum der nur noch wenig genutzt wird. Da hängt oben im Durchgang ein schwerer Stoffvorhang dem man erst auf den zweiten oder dritten Blick ansieht, dass er aus Marmor ist. Dann die Sala Regia, wo die großen Empfänge stattfinden. Da schaut man auch auf die Tür, die in die Sixtinische Kapelle führt und die bei Papstwahlen vor allen Kameras geschlossen und versiegelt wird. Ab und zu steht sie offen, wenn drinnen kein Touristen-Betrieb ist, und dann gehört die Sistina für einige stille Momente uns.
Dann gehört die Sistina uns
An der anderen Seite der Sistinia liegt die Paolina, als ob es nicht genug Kapellen gäbe. Wieder eine Kapelle direkt am Petersdom in der Größe einer Dorfkirche. Auch hier war Michelangelo am Werk, mit einer Bekehrung des Paulus und einer Kreuzigung Petri, zwei beeindruckende Fresken.
Aber auch die lassen wie beiseite und durch einen Links- und einen Rechtsschwenk gelangen wir in die Segensaula, Aula della Benedizione. Die ist einfach zu lokalisieren: wenn Sie vom Petersplatz aus in die Peterskirche hinein gehen, geht es zuerst durch eine Vorhalle. Deren Decke bildet den Boden der Segenshalle, sie wurde früher für Papstaudienzen genutzt und erstreckt sich die ganze Breite der Fassade entlang, bis auf einen Raum am Ende.
Arbeiten im Petersdom
Moment mal, geht von da nicht der Balkon ab, auf dem der Papst urbi et orbi segnet? Genau. An diesem Balkon geht es jedes Mal vorbei. Ich gehe diesen Weg nun seit neun Jahren, hunderte von Malen, aber immer wieder ist es ein besonderer Moment. Noch beeindruckender aber ist das gegenüber liegende Fenster, das nach innen geht, also in die Peterskirche hinein, siehe Foto. Mein persönlicher Lieblingsblick im ganzen Vatikan, da könnte ich stundenlang hinaus schauen.
Aus dieser riesigen Halle geht es dann in den abschließenden Raum, eine Sperrholzrampe herunter und damit nach all dem Marmor und all der Tradition in die profane Arbeitswelt. Dort sind unsere Übertragungskabinen. Der Raum ist so hoch, dass für zwei Stockwerke Platz ist, ein Gerüst trennt ihn in zwei Etagen. Aber auch dieser Raum hat sein Fenster, es ist das Fenster ganz links, wenn Sie auf die Fassade der Peterskirche schauen. Das Fenster über dem Torbogen.
Natürlich wehren wir uns mit Händen und Füßen, wenn mal wieder jemand auf die Idee kommt, das zu verlegen. Es ist einfach zu schön, ab und zu dorthin zu gehen und den Vatikan auf sich wirken zu lassen. Und es ist und bleibt ein Privileg.

Ja, das ist ein wunderbarer Arbeitsweg, voller Schönheit, voll gepakct mit Geschichtlicher und gegenwärtiger Bedeutung. Und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er niemals zur Gewohnheit wird; gut so.
Doch ein Privileg? Warum und wem gegenüber? Mit „Privileg“ bin ich persönlich sehr vorsichtig, denn es erinnert mich verdächtig an die „Neidgenossenschaft“, die all zu oft ihre giftigen Aktivitäten und Auswirkungen entfaltet.
Hingegen denke ich, Ihr schöner Arbeitsweg ist ein Belegt dafür, dass die Arbeit viel mehr ist als „nur“ die Arbeit. Nun, Sie könnten ja auch von irgendwo anders her Übertragen, irgend wo aus einem versteckten Winkel, wo nichts ist, als die nötige Technik.
Würde das einen Unterschied machen? Ja, behaupte ich. Denn zur Arbeit gehört eben nicht nur die Arbeit selbst, sondern auch die Umgebung, alle beteiligten Menschen und nicht zuletzt der Ort.
Heuer arbeite ich an einem Projekt namens ARCHES mit, das mich in etwa zwei Mal im Monat ins kunsthistorische Museum Wien führt. Ich bin jedes Mal beeindruckt und hoch erfreut, sobald ich seine Räumlichkeiten betrete und ich habe durchaus den Eindruck, dass die Kunstvermittlerinnen und Kunstvermittler, die dort tätig sind, viel Atmosphärisches an die Besucher und Besucherinnen ausstrahlen.
https://www.khm.at/erfahren/kunstvermittlung/barrierefreie-angebote/
Herzlichst, Euer Lese-Esel
Vielen Dank für den Link nach Wien,
ich bin besonders beeindruckt von der Möglichkeit, Menschen mit Demenz eine Möglichkeit anzubieten, in diese wunderbare Welt „einzutauchen“.
Ein wunderschöner Bericht über den Petersdom, vielen Dank. Ich war also auch mehrmals innen und auch außen, einmal sogar auf dem Petersdom, aber im apostolischen Palast …… daß wäre mal ein tolles Erlebnis. Aber ich muß also auch immer für mehrere Stunden in den Vatikan, wenn ich in Rom bin. Ich habe sehr viele Bildbände mit tollen Fotos, auch von früher.
Viele liebe Grüße nach Rom und in den Vatikan,
Michael Schumacher, Nordkirchen, NRW- D
Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie auch weiterhin diesen außergewöhnlichen Weg zu Ihrem Arbeitsplatz gehen dürfen. Auf Grund Ihrer Wegbeschreibung war es mir möglich, den Weg zu Ihrem Arbeitsplatz „mitzugehen“. Einiges habe ich ja aus eigener Anschauung gekannt, anderes leider nicht, weil es ja für gewöhnliche Besucher nicht möglich ist, bestimmte Bereiche des Vatikan zu betreten (wäre auch kaum möglich, wenn im apostolischen Palast soviele Touristen herum gehen würden wie in den Vatikanischen Museen).
Heuer hatte ich die Möglichkeit, bei einer „Early Bird“- Führung die Sixtinische Kapelle ohne große Touristenmassen zu sehen. Erstmals ist mir aufgefallen, dass auch ein Priester in der Sixtina anwesend war, der den Besuchern die Möglichkeit zur Beichte oder zu Gesprächen anbot. Das war neu für mich, hat mir aber sehr gut gefallen, weil ich das Gefühl hatte, dass die Sixtinische Kapelle nicht nur eine Sehenswürdigkeit ist, sondern auch eine Kirche.
Liebe Grüße aus Wien
Eine tolle Beschreibung! Leider bleibt ja für viele so ein Weg verschlossen, von daher ist es schon ein Privilieg. Ich kann darin aber nichts Negatives sehen. Ganz im Gegenteil. Schön, dass Sie es nach diesen Jahren noch so wahrnehmen!
Ein bisschen verwundert bin ich allerdings über die Beschreibung des tatsächlichen Arbeitsortes. Holzkiste, Gerüst? Hm, also daran könnte man doch wirklich ein bisschen was ändern. Oder ist das gewollt? Um einen nach dem Weg voller Geschichte und toller Kunst dieser alten Meister wieder auf den Boden zu holen, damit man sich auf das Wesentliche beschränkt? Könnte man sicher so interpretieren.
Vermutlich ist das aber zu weit gedacht und man ist einfach noch nicht dazu gekommen. In Rom, speziell im Vatikan, ticken die Uhren ja doch manchmal ein wenig langsamer. Was übrigens durchaus auch positiv gemeint ist. Nicht immer sind schnelle Veränderungen gut.
Ich habe mich schon immer gefragt von wo aus Messen u.s.w. aus dem Petersdom von Ihnen übertragen werden.
Danke für Ihre schöne Beschreibung, ein wirklich außergewöhnlicher Arbeitsplatz.
Lieber Herr Pater,
Wenn ich an diesem Bild vom Inneren des Petersdoms vorbei scrolle, kann ich Ihre Begeisterung über Ihren Arbeitsplatz völlig verstehen.
Aber gleichzeitig Kamm mir immer eine Frage, die ich Ihnen hier gerne stellen möchte.
Macht Ihnen die Liturgie im Petersdom Spaß?
Oder besser gefragt, würden Sie auch privat zur Eucharistie in den Petersdom zur Pspstmesse gehen?
Ich käme nie auf die Idee in den Kölner Dom zur Eucharistie zu gehen. Liturgie und gerade die Liturgie der Eucharistie finde ich dort eher seelenlos. Wie ist das für Sie im Petersdom?
Herzlichen Dank, dass wir an Ihrem Arbeitsweg teilnehmen durften! O ja, auch ich meine, er ist ein Privileg, weil es schliesslich nicht jedem möglich ist, ihn zu gehen.
Ich habe mal ein knappes Jahr in Rom gelebt und bin so oft wie möglich in den Petersdom zur Mitfeier der Hl. Messe gegangen. Früh morgens, wenn es noch nicht so viele Touristen gab. Es war jedesmal ein Erlebnis, einfach nur die Eingangspforte zu durchschreiten und dann… mitten in der Weltkirche zu stehen. Auch die Eucharistie war intensiv. Ich denke noch immer, nach so vielen Jahren, mit großen Emotionen an dieses Jahr in Rom zurück.