Eine Debatte ist schwierig, wenn alle Teilnehmer irgendwie gleicher Meinung sind. Eine Podiumsdiskussion unter diesen Umständen ist noch schwieriger. So was Ähnliches hatte ich gestern, zum Thema Laudato Si‘, der Papstenzyklika, die vor ungefähr genau einem Jahr veröffentlicht wurde.
Nachher habe ich einem Journalisten-Kollegen gefragt, wie er das fand. Ich hätte noch etwas mehr Radau machen sollen, war die Antwort. Ich gestehe, ein wenig habe ich mich im Widerspruch geübt. Nicht zu viel, aber immer nur einer Meinung zu sein, bringt wenig.
Un das ist ja auch ein Teil des Problems unserer kirchlichen Debatten: wir sind irgendwie schnell einer Meinung, aber übersehen, dass viele andere diese Meinung nicht teilen. Viel vom kirchlichen Konsens ist nämlich in Wirklichkeit gar kein Konsens.
Und was die Themen von Umwelt, Gerechtigkeit und Schöpfung angeht, müssen wir handeln, wenn wir der Wissenschaft Glauben schenken, dann sogar sehr bald. Wie können wir das aber, wenn der Konsens nicht mehr trägt? Wie kommen wir aus der Debatte heraus, in der alle irgendwie einer Meinung sind wenn, sie auf der Bühne sitzen, aber draußen, im Alltag, irgendwie nicht das Nötige passiert?
Indem wir Unruhe machen. Paris macht es vor, mit den neuen Debatten- und Demo-Formen. Ohne Banner, ohne Moral, ohne Protest-Hierarchie. Auch wir Christen müssen mehr Lärm machen, wie Papst Franziskus immer wieder betont. Dinge in Unruhe bringen, nicht die eingefahrenen Wege der Debatten gehen, die letztlich kaum noch interessieren.
Ein Punkt, wo ich mich widersprechend zu Wort gemeldet hatte, war die Frage nach der Wertedebatte. Wir bräuchten eine solche, hatte es geheißen. Im Gegenteil, habe ich gesagt, da schlafen ganze Generationen von jungen Menschen spontan ein. Wertedebatten sind alt. Wir brauchen neue Unruhe, wir brauchen Identitätsdebatten, wie sie der Papst führt, wir brauchen nichts weniger als die abstrakten Begriffe und Papiere und Strukturen.
Wir müssen mehr Unruhe wagen. Und zwar bald.
Sie dürfen davon ausgehen, dass kaum jemand die Enzykliken liest von den kirchlich engagierten Laien. (Kann ich belegen) Nur Besprechungen und darin die Konsens-Meinung dazu.
Konsumhaltung.
Dafür gibts ja kein Geld. Oder Zeit. Oder Macht.
Und genau ist das Problem
Kann man die „jungen Generationen“ so über einen Kamm scheren? Schlafen die Ihrer Meinung nach wirklich alle ein, wenn man über Werte diskutiert? Echt jetzt?
Vielleicht ist das ja bei katholischen Jugendlichen so. Wo eben besonders christliche Eltern die Kinder schon seit dem Kindergartenalter dazu anhalten, immer recht brav und artig zu sein – besonders zu ihren Mitmenschen, zu Tieren und Pflanzen. Kinder aus so einem familiären Kontext haben die Wertedebatten wahrscheinlich wirklich satt, schlafen da ein oder reihern dabei vielmehr in der Gegend rum.
Nehmen wir aber an, es würden in naher Zukunft doch wieder mehr Flüchtlinge in Europa aufgenommen und sie würden irgendwann sogar deutsche Staatsbürger werden: Wie würde dann unsere Kultur bzw. Jugendkultur (und ich meine da nicht nur die Kinder von Gemeindereferenten, Pastoralreferenten und Relilehrern) in 10 bzw. 20 Jahren aussehen?
Syrer zum Beispiel legen großen Wert auf den Begriff der „Ehre“. Sie können denen anscheinend alles nehmen und die können alles durchgemacht haben, was nur geht, aber Geld von einer Frau würde eine männlicher Syrer einfach nicht annehmen – selbst wenn er Hunger leiden müsste.
Wenn wir diese Menschen mitsamt ihrer Kultur in unser Land wirklich aufnehmen sollten – könnte ja sein, dass wir das doch irgendwann mal wieder in Erwägung ziehen, dann würden ganz besonders unsere alten, „veralteten“ Debatten wieder interessant werden:
Wenn ich die Kultur der Flüchtlinge begreifen will, tue ich im Grunde nämlich gut daran, Parallelen in meinem eigenen Kulturraum zu suchen bzw. wiederzuentdecken und mit dieser mir anderen Welt zu vergleichen.
Und da muss ich, auch wenn das jetzt ein bisschen von oben herab wirkt, in meiner eigenen Kulturgeschichte zurückgehen. Und was finde ich da? Die alte Diskussion über… Werte.
Wenn ein Großereignis wie der aktuelle Katholikentag von den Medien einhellig positiv dargestellt wird, kann man davon ausgehen, daß dort wenig Katholisches stattgefunden hat. Dann muß man befürchten, daß es sich um eine Projektion des Zeitgeistes auf die Katholische Kirche gehandelt hat.
Das kann man – mit Verlaub – nur schreiben, wenn man wirklich überhaupt keine Ahnung hat und nicht da gewesen ist. Dieser Kommentar ist eine bodenlose Frechheit.
Zunächst einmal habe ich ganz erfrischend gelacht, lieber Pater Hagenkord, als ich Ihnen Kommentar gelesen habe. Herrlich katholisch geht es hier zu! Zunächst ist alles Harmonie, dann wird der Einheitsbrei beklagt und wenn sich dann jemand regt, geht’s los: „So eine Frechheit!“
Gelassenheit wäre wirklich ein Fortschritt: Wir wissen doch, wer sich alles in der katholischen Kirche tummelt; und alle anderen wissen das auch. So ist es eben, und dann machen wir trotzdem unser Ding.
Askese wenn Askese und Rebhuhn wenn Rebhuhn, wie die hl. Teresa sagt. Eine Rundumverunglimpfung muss auch mal als solche benannt werden, sonst bleibt sie ja unwidersprochen. Wer schweigt, scheint zuzustimmen, heißt das alte Rechtsprinzip.
Sie sollten, wenn Sie sich einem Mehr an der Bildung verpflichtet sehen, aus dem Liber VI des Bonifaz VIII. vollständig zitieren: „Wer schweigt, pflichtet nicht etwa bei, sondern scheint nur nicht schlechtweg Nein zu sagen.“
@Osservatore und@Compes
Wie froh bin ich,dass unsere Kirche immer bunter wird, und dabei doch nie den „Generalbass“* aus dem Auge verliert..
GOTTSEDANK ist die Kirche keine SED!!
* dieses Fest war ja auch in Bachs Stadt…
Wer zeit-geist-gemässe Reformen für die Kirche fordert, wird oft mit dem Totschlag Argument „Zeitgeist“ bedacht. Man vergisst, dass der Zeitgeist schon immer die Kirche beherrscht hat: Nichtgleichstellung der Frauen und die patriachalen Strukturen der Kirche. Angst vor dem zeitgeist ist immer Angst vor der Zukunft.
Denken Sie wirklich, die Medien gehen zu / berichten von Veranstaltungen, in denen es um das Innerste unseres Glaubens geht?
Dass es davon allerdings viele Angebote gab (ich meine jetzt die ausgesprochen zeitlos glaubenstärkenden!), steht außer Zweifel.
Abgesehen davon: Wäre es Ihnen lieber. die Medien berichteten besser gar nichts, wenn sie schon nichts rein „Katholisches“ gefunden haben, was ihnen berichtenswert erscheint? ( Und was ihre Vertreter ja auch noch selbst verstehen müssen, um was drüber zu berichten!!!) Wir leben doch in der Welt heute, sind in Leipzig ganze 4 % der Bevölkerung, in Deutschland nur ein bißchen mehr, und leben nicht auf einer katholischen Insel!
Welchen Sinn macht Radau, wenn dessen Ansprechpartner taub sind, weil das Leid und der Tod nicht an die menschliche Substanz derer gehen, für die Verantwortung kein menschliches Miteinander sondern ein politisches Konstrukt für ihre Menschen ist? Hier setzt Laudato Si‘ an. Die Völker gehen auf die Straßen, laufen davon leben in prekären Verhältnissen und doch ist es ihren Regenten wichtiger politisch zu agieren als menschlich zu handeln. Weltweite Müllberge abzutragen ist offensichtlich nicht lukrativ genug, globaler Wohnungsbau ist nicht profitabel genug, dahingegen ist Gesundheit ein gutes Geschäft, denn sie fehlt an allen Ecken und Enden dieser Erde, weil ihre Lebensgrundlage, die Natur Stück für Stück zerstört wird. Sind all diese Hilferufe nicht Radau genug? Welchen Radau muss man machen, um die zu erreichen, die das Sagen haben, die etwas ändern können? Ein Menschenleben ist heute nicht mehr von Natur aus wertvoll, nein, es wird nach fehlendem Leistungspotential bewertet, um es bedarfsgerecht einsetzen zu können. Wir sind auch Menschen, weil wir kreativ, flexibel und eigenverantwortlich Denken, Fühlen und Handeln. Was macht Regenten denn zu wichtigen Personen in einem System, das strukturell so aufgebaut ist, dass es sich auch als Ganzes kommunikativ vermitteln kann? Das Volk teilt was es zu bieten hat, doch sein Angebot wird nach mathematischen Gesichtspunkten bewertet und nicht vernünftig, gemäß menschlichen Indikatoren verteilt. Arbeit ist kein Geschäft, sie ist die Forderung einer Natur deren ganzes Vermögen als Potential zur Verfügung steht, das sich der Menschheit anbietet um sie potentiell zu fordern und entsprechend ihrer Kompetenzen mit zu tragen. Jedes einzelne Mitglied dieser Menschheit ist in der Pflicht so gut es kann für seinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen, um damit nicht seine Mitmenschen zu belasten. Wie viel Lebensunterhalt braucht der Einzelne, um sich damit nicht zu bereichern sondern gleichberechtigt das zu teilen, was allen zum Unterhalt ihrer Existenz zur Verfügung steht. Erst wenn menschliches Wesen kein Leid mehr erfahren muss sondern sensibilisiert durch die eigene Abhängigkeit ihren Anspruch aus der Natur zu erarbeiten lernt, dann haben Regenten den Teil ihrer Verantwortung erfüllt den sie ihren Völkern schulden. Luxus ist ein Problem, das seiner Zeit weit vorausgeeilt ist, denn er hat gar keine Lebensberechtigung in einer Welt in der Hunger und Not Menschen in die Flucht treiben.
Sorry, der 1. Kommentar war verschwunden. Version ist mir lieber. Sorry P.Hagenkord.