Ganz wichtig beim Katholikentag: Empfänge. Da trifft man sich, netzwerkt, entspannt, erfährt, informiert, tauscht aus. Noch wichtiger: Stammtische. Also kleinere Gruppen, die sich schon kennen und wo das alles auch passiert, nur intensiver.
Was offensichtlich aber gar nicht mehr wichtig ist: Podien. Zumindest politische. Die katholischen Journalisten beim Stammtisch gestern wussten zu berichten, wie leer die Podien mit Politikern hier in Leipzig sind. Und dann das: Heute sprach Innenminister de Maizière spricht über “Willkommenskultur”, immerhin eines der großen Streitthemen vor dem Katholikentag und nicht nur hier. Und die Kollegen schätzen 100 Teilnehmer. Einhundert.
Der Kollege Joachim Frank hat das Bild gemacht und fragt “Alarmsignal?”
Am Thema kann es nicht liegen. Aber offenbar wollen die Besucher der KathoTages nicht mehr Politiker auf der Bühne diskutieren sehen. Andere Veranstaltungen sind voll, geistliche wie auch thematische. Die Veranstaltung zur größer werdenden sozialen Ungerechtigkeit etwa – auch ein Podium – oder das zu christlich – muslimischen Dialog, alle sehr gut besucht bis übervoll. Auch mein eigenes Podium zu Laudato Si’ war voll, oder besser: die Organisation hat uns einen Saal gegeben, der so groß war, dass alle die wollten rein konnten und das Ding voll war.
Liegt es also an der Form “Podium mit Politikern”? Kann schon sein, ist sogar wahrscheinlich. Aber ein Alarmsignal ist es trotzdem, dass wir die, die wir ja gewählt haben, nicht Rede und Antwort stehen lassen wollen. Das gilt auch für Katholiken- oder Kirchentage.
An den Themen scheint es nicht zu liegen, also sollte man da mal mit den Formaten experimentieren. Christen sollen, wollen und können sich einmischen und beteiligen, schließlich wollen wir ja die Welt verändern. Wir müssen wohl neue Wege finden, das organisiert zu bekommen. Und hoffen, dass es tatsächlich ein pädagogisches oder organisatorisches Problem ist, und nicht ein zunehmendes Defizit an demokratischer Kultur. Denn das wäre dann wirklich ein Alarmsignal.
Kann es eventuell sein, dass viele Angst haben, dann selber mehr als reden tun zu müssen?
Das ist so mein verbreiteter Eindruck beim Thema Flüchtlingshilfe und Kirche.
Apelle, Absichtserklärungen, Lippenbekenntnisse, Diskussionen, aber selber was tun?
Ich persönlich habe seit letztem Sommer im Rahmen der Willkommenskultur vor allem NichtchristInnen erlebt.
Mein christliches Umfeld delegiert lieber an Einzelpersonen, die dann auch mal einen ganzen Pfarrverband offiziell vertreten oder an Wohlfahrtsunternehmen, in den sie weder beschäftigt sind noch die sie finanzieren.
Ich will hier nicht “diesen”. Allerdings bin ich enttäuscht.
ZITAT: “….dass die DNA des Christentums nicht das Eigene ist, die eigene Familie, die eigene Nation, worauf die Populisten so sehr pochen.
Die DNA des Christentums ist die Nächstenliebe und Empathie mit dem Anderen, auch dem Andersartigen, als ich selbst es bin. Und genau das passiert in dieser Flüchtlingswelle, nämlich dass die sieben Werke der Barmherzigkeit geübt werden.
Und es ist ein Skandal, dass große Teile der Kirche diesen Glutkern des christlichen Glaubens offensichtlich nicht verstanden haben und im Christentum nur eine Ordnungsideologie sehen, die vor allem der Glorifizierung des Eigenen dient.“ (Quelle s. link)
ENDLICH! GENAU SO IST ES!
http://de.radiovaticana.va/news/2016/05/28/d_„kirche_muss_nicht_immer_mit_allen_reden“/1233054
Die Leute wollen (auch) Politiker auf der Bühne diskutieren. Und ja, auch dieses heiße Eisen. Aber sie wollen entweder ALLE auf der Bühne sehen, oder keinen. Sie wollen entweder alle Meinungen friedlich und gleichberechtigt, argumentativ behandelt wissen oder nehmen sich lieber Zeit für anderes.
Und genau das ist auch das Problem der Politiker, der Kirche und des Katholikentages. Wer von vorneherein bestimmt, wer die Guten sind und wer die Bösen, weil die Letztgenannten der Bezeichnung “Flüchtling” nicht für alle ankommenden Personen zustimmen, der macht sich unglaubwürdig. Der verletzt die Menschen, indem er sie für dumm verkauft und sie belehren will, nicht vor ihren Augen einen Schlagabtausch der Argumente durchführt.
Würde diskutiert und sich nicht gegenseitig die Schultern geklopt und gelobhuddelt, höchstens mit der Überbietung, wo Menschlichkeit beginnt gewetteifert, dann würden auch die Menschen erscheinen.
So interpretiere ich das demonstrative Ausbleiben.
Nein kein Defizit an demokratischer Kultur. Jeder in Deutschland, der nur ein wenig in der Flüchtlingshilfe aktiv war, weiß aber, dass de Maizere ein zynischer Lügner ist, wenn er das Wort Willkommenskultur in den Mund nimmt. Er ist ja einer der Flüchtlingen gern das Lweben schwer macht und sie noch lieber abschieben lässt. Meine vier afghanischen Katholikentagsgäste – sie waren auf der Veranstaltung mit dem Innenminister – haben das übrigens sehr gut verstanden, auch wenn iher Deutsch noch nicht das Beste ist.
“Liegt es also an der Form „Podium mit Politikern“? Kann schon sein, ist sogar wahrscheinlich. Aber ein Alarmsignal ist es trotzdem, dass wir die, die wir ja gewählt haben, nicht Rede und Antwort stehen lassen wollen. Das gilt auch für Katholiken- oder Kirchentage.”
Aber vielleicht denken viele Teilnehmer, dass ein Katholikentag dafür nicht das richtige Forum ist? Ich fände es positiv, wenn ein Katholikentag als Fest des Glaubens wahrgenommen würde und nicht als Veranstaltung des politischen Katholizismus.
Tut mir leid, das kann ich nicht verstehen. Eher habe ich die Erfahrung gemacht, dass bisher diese Podiumsveranstaltungen mit Politikern überfüllt waren und eine Stunde vorher der Einlass beendet war.
Die Vorstellung, es lag am Thema, erschreckt mich sehr. Alle Kirchentage, die ich selbst erlebte, waren (soweit ich weiß, sogar von Beginn an!) mit der aktiven Teilnahme bzw. dem offensichtlichen Interesse von Christen an der Politik der Bundesregierung verbunden. Innenminister De Maiziere hat derzeit wirklich den äußerst schwierigen Stand, einen 180° – Spagat zwischen Gesetzeslage und Humanität zu vermitteln.
Und dem mögen vielleicht (hoffe ich!) viele Katholiken nicht folgen wollen, weil sie sich entschieden haben für die Nächstenliebe …
So frei, wie die Bundeskanzlerin Angela Merkel entschieden hat, die Menschen in Not entgegen den geltenden Gesetzen aufzunehmen, ist der Innenminister eben nicht.
Leider nicht!
Ich würde es nicht als bedrohlich sehen. Ich habe an den Katholikentagen in Freiburg, Düsseldorf, München und am ökumenischen Kirchentag in München teilgenommen. Und jedes Mal ist es mir so gegangen, dass ich vom Programmheft überwältigt war. Also habe ich mich zu Hause hingesetzt und mir mein eigenes Programm erarbeitet und da kamen dann die Politiker eher weniger vor, weil deren Positionen eigentlich bekannt waren. Ich habe meist auf die spirituellen und die ökumenischen Themen gesetzt, weil ich da auch Neues erfahren konnte
Politiker erlebt man doch schon genug in Talkshows. Wozu also noch zu einer Podiumsdiskussion von Politikern auf einem Katholikentag gehen?
Ich frage mich sowieso, warum ein Katholikentag so vielen Politikern eine Plattform bietet, sich selbst darzustellen.